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Christus, das Geheimnis
Predigt zu Kol 2,1–10

206 Christfest I, 25. Dezember 2025, Frankfurt

Christus ist Gottes Geheimnis, verschwiegen und verborgen seit ewigen Zeiten, jetzt aber, auf Anordnung Gottes, den Heiden kundgetan und bekanntgemacht. Um zu zeigen, was das mit uns hier und jetzt zu tun hat, hilft mir eine Legende aus dem Leben des Hl. Hubertus.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
steht geschrieben im Brief an die Kolosser im 2. Kapitel:

1bUnd genauso [wie für Euch]
kämpfe ich für alle anderen,
die mich nicht persönlich kennengelernt haben.

2Es geht mir darum,
ihnen im Herzen Mut zu machen.
Dann können sie in Liebe zusammenhalten
und in allem zu umfassender Einsicht gelangen.
Denn sie sollen das Geheimnis Gottes erkennen:
Christus.

3In ihm sind alle Schätze der Weisheit
und Erkenntnis verborgen.
4Das sage ich, damit euch niemand
durch seine Überredungskünste täuschen kann.

5Denn auch wenn ich körperlich abwesend bin,
so bin ich doch im Geist bei euch.
Ich sehe mit Freude, dass euer Leben gut geordnet
und euer Glaube an Christus unerschütterlich ist.

6Ihr habt Christus Jesus, den Herrn, angenommen.
Richtet also euer Leben an ihm aus!
7Bleibt in ihm verwurzelt
und gründet euch als Gemeinde ganz auf ihn.
Werdet fest im Glauben,
wie ihr gelehrt worden seid,
und hört nicht auf,
Gott zu danken.

8Gebt acht, dass euch niemand in die Falle lockt!
Weder durch seine Philosophie
noch durch falsche Lehren,
die nur auf menschlicher Überlieferung beruhen.
Ihre Grundlage sind die Elemente dieser Welt –
und nicht Christus!

9In ihm ist die ganze Fülle Gottes
leibhaftig gegenwärtig.
10Und an dieser Fülle habt ihr Anteil,
weil ihr zu Christus gehört.
Der steht als Haupt über allen Mächten und Gewalten.

Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege!2 — Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

(1) Die Vision des (Hl.) Hubert(us)

an diesem Weihnachtsmorgen
nehme ich euch mit in den Wald.
Wir müssten allerdings gut zwei Stunden zurück
zur Zeit des Sonnenaufganges.
Hubert ist schon seit 6.00 Uhr draußen.
Gestern Abend hat er mit seiner Familie Weihnachten gefeiert,
Bescherung und so, wie man das so macht.
Es war aber eher eine Pflichtübung für ihn.

  • Die Geschenke bedeuten ihm nichts.
  • Die Beziehung zu seiner Frau ist von einem schwelenden Ehestreit geprägt, an dem sie beide nicht genug Interesse haben, dass er ausbricht.
  • Seine Kinder sind ihm irgendwie fremd geworden,
    spätestens seit sie in der Pubertät sind.
  • Er musste wegen Krebs operiert werden
    und da ist ihm schlagartig klar geworden,
    dass sein Leben endlich ist.

Hubert drückt sich vor dem Weihnachtsfrühstück.
Er hat auch keine Lust auf Kirche.
Er will seinen Eltern nicht begegnen
und fromm tun.
Aber am allerwenigsten hat er Lust auf Gott.
Er fühlt sich im Stich gelassen von ihm
in einem alternden Leib,
in einem Leben ohne Aroma,
in Beziehungen ohne Leidenschaft.

Ist das noch Selbstgespräch,
oder schon Gebet?

Warum müssen alle Beziehungen so schwer sein?
Was sollte das mit der Krankheit?
Warum versteckst du dich hinter Kryzifixen
und Kitsch
und lauwarmen Moralpredigten?

Hast du mir was zu sagen, dann sag es!
Hast du mir was zu zeigen, dann zeig dich!

In diesem Moment wird Hubert gewahr,
dass der Wald schweigt
und der Wind den Atem anhält.

Er blickt auf und sieht den Hirsch.

Das Tier schaut ihn direkt an.
Zwischen seinen Hörnen leuchtet ein Kreuz
wie von übernatürlichem Licht.
Hubert geht in die Knie.
Voller Ehrfurcht betrachtet er die Erscheinung; —
bis der Hirsch seinen Blick wendet
und im Wald verschwindet.
Hubert bleibt zurück
und ist sich nicht sicher,
ob er gesehen hat,
woran er sich erinnert. —

(a) Liebe Gemeinde,
diese Erscheinung ist einem Heiligen würdig!
Auf Hubert jedenfalls
hat sie starken Eindruck gemacht.
Christus hat sich ihm offenbart,
aber erhaben.
Das Heilige bricht ein in unsere Welt,
aber Gott bleibt Gott.
Wir können ihn uns nicht in die Tasche stecken
oder vor unseren Karren spannen.

(b) Paulus wusste um Gottes Geheimnis,
verschwiegen und verborgen seit ewigen Zeiten,
jetzt aber,
auf Anordnung Gottes,
den Heiden kundgetan und bekanntgemacht.
3
Dieses Geheimnis ist Jesus Christus.

3In ihm sind alle Schätze der Weisheit
und Erkenntnis verborgen.

Diese Schätze sind offenbar
und verborgen zugleich.
Sie bleiben „allem menschlichen Zugriff entnommen.
Gott allein kann sie frei schenken“ […]
und „im Glauben können [wir] sie frei empfangen“.
4

Aber wir können uns diesen Schatz nicht in die Tasche stecken
und für uns „endgültig in Besitz“
5 nehmen,
sondern
- Gottes Geschenk
- und unser Glaube
finden in unserem gelebten Leben zusammen.
6
Deswegen ist das Geheimnis auch nicht bestimmt
durch irgendwelche Lehrsätze,
sondern es ist der Herr Christus selber.

(c) Auch in unser Leben tritt Christus
offenbar und verborgen zugleich.
Gott ist ein richtiger Mensch geworden,
offenbar im Fleisch,
aber verborgen unter der Armut des Stalles
und der Schande des Kreuzes.
Der Glaube öffnet uns die Augen für das Wunder,
das unter uns geschieht.

(2) Dabei passt es uns Menschen nicht,
dass wir uns auf Gottes Wort verlassen müssen.
Wir hätten gerne alles unter Kontrolle.
Der Volksmund sagt:

Lieber einen Spatz in der Hand
als eine Taube auf dem Dach.

Der gesunde Menschenverstand schließt daraus:

Lieber eine Lebensweisheit,
die ich mir in die Tasche stecken kann,
als freie Gnade,
die von Gott kommt.

(a) Hubert sieht das im Grunde genau so.
Statt sich den Konflikten zu stellen
und sich Hilfe zu suchen,
läuft er weg.

Im Wald habe ich meine Ruhe,

denkt er sich.
Gott ruft ihn zur Buße
und er spielt den harten Mann,
der morgens um sechs im Wald friert.

(b) In Kolossä muss es Menschen gegeben haben,
die eine ganz ähnliche Strategie hatten.
Statt hart und selbstständig,
wollten sie gebildet und unabhängig sein.
Der Apostel schreibt der Gemeinde:

8Gebt acht, dass euch niemand in die Falle lockt!
Weder durch seine Philosophie
noch durch falsche Lehren,
die nur auf menschlicher Überlieferung beruhen.
Ihre Grundlage sind die Elemente dieser Welt –
und nicht Christus!

Menschliche Überlieferungen
und weltliche Elemente
befriedigen unser Bedürfnis nach Kontrolle.
Die können sie in die Hand nehmen
und sie sind unabhängig von Glaube und Beziehung.
Gott muss nicht mehr an uns handeln,
sondern wir bleiben,
wie wir sind.

(c) Man braucht das natürlich nicht klein reden:
Unsere modernen Naturwissenschaften
sind eine menschliche Philosophie über die Elemente der Welt.
Sie eröffnen uns viele Möglichkeiten.
Noch keine Generation auf dieser Welt
war so gut in der Lage,
die Welt zu verstehen und zu durchschauen.
Technologie gibt uns die Mittel an die Hand,
die Welt zu verändern und zu gestalten.
Wo führt uns das hin?
Dass wir uns besser gegenseitig töten können,
als jede Generation zuvor.

Noch nie haben Menschen so schnell
über den ganzen Globus kommunizieren können.
Wo führt uns das hin?
Radikalisierung und Vereinsamung.

Wir sind und bleiben darauf angewiesen,
dass wir von außen korrigiert werden.
Gott muss in unsere Welt einbrechen mit Macht,
um uns die Augen zu öffnen
und uns den Weg zu zeigen.

3a) Für Hubert jedenfalls
war die Erscheinung am Weihnachtsmorgen
ein einschneidendes Erlebnis.
Er hat sich kaum getraut,
irgendjemandem davon zu erzählen.
Die Leute würden ihn ja für verrückt halten!
Aber für ihn,
in seinem Herzen,
war ein Licht entzündet,
das ihn ganz erleuchtet hat.

Der Glaube hat ihm die Kraft gegeben,
das klärende Gespräch zu suchen,
zu akzeptieren, was ist
und was war.
Ein echter Glaube macht es auch möglich,
Entscheidungen zu treffen,
die für andere gar nicht recht christlich aussehen.
Müssen sie auch nicht,
denn ein Mensch,
der im inneren leuchtet,
muss nach außen nicht den gelackten Christen geben.

Hubert lebt jetzt sein Leben
von seiner Begegnung mit Gott her.

(b) In einer gewissen Weise
ist es das,
was sich der Apostel für die Kolosser wünscht.
Er schreibt:

6Ihr habt Christus Jesus, den Herrn, angenommen.
Richtet also euer Leben an ihm aus!
7Bleibt in ihm verwurzelt
und gründet euch als Gemeinde ganz auf ihn.
Werdet fest im Glauben,
wie ihr gelehrt worden seid,
und hört nicht auf,
Gott zu danken. […]

9In [Christus] ist die ganze Fülle Gottes
leibhaftig gegenwärtig.
10Und an dieser Fülle habt ihr Anteil,
weil ihr zu Christus gehört.

„Leibhaftig“ ist das Schlüsselwort,
das diesen Abschnitt mit Weihnachten verbindet.
Christus ist nicht in unsere Welt getreten
als Idee oder Gedanke,
sondern als Mensch.
Denn wir sind Menschen
und nicht frei-schwebende Geistwesen.
Und gerade als Menschen,
als die, die wir sind,
schenkt Christus uns Anteil an der Fülle Gottes.
In seinem Licht wachsen wir über uns hinaus
und werden dem Menschen ähnlicher,
den Gott in uns geschaffen hat.

Das Kind in der Krippe
ist das Geheimnis,
das Gott von der Mitte der Ewigkeit her
für uns bereitet hat.

(c) Dieses Kind kommt heute zu dir.
Leibhaftig erscheint es dir
in und unter Brot und Wein.
Dabei ist die Physik und die Chemie
des Auferstehungsleibes nicht das Entscheidende.
„Gott ist
[…] in seinem Handeln Gott.“7
Und in seinem Handeln
geht es ihm um dich.

Die wenigsten erleben eine Erscheinung Gottes
wie der Hl. Hubertus.
Obwohl:
Schatten davon habe ich in meinem Leben auch schon gesehen.
Sie sind halt lange nicht so spektakulär,
aber genau so geheimnisvoll.
Und darauf kommt es an:
Der Glaube,
der das Geheimnis erfasst,
ergreift auch das Sakrament.
Gnade und Glaube
sind die beiden Enden der Beziehung zwischen Gott und dir.
Hier schenkt sich dir Gott.
Du erhältst Anteil an seiner Fülle,
damit der Himmel in deinem Leben gegenwärtig ist.
Darein wachsen deine Wurzeln,
damit du ganz gegründet bist
auf ihn.
8

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!9 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Ps 119,105


3 Vgl. Schweizer, Der Brief an die Kolosser, EKK, Zürich/Neukirchen-Vlyn 1976, S. 87 (zu Kol 1.25).


4 Schweizer, S. 94 (z.St.)


5 Ebd. S. 95.


6 Vgl. Schweizer S. 98f zu V. 2,6.


7 Schweizer, EKK, S. 108, z.St.


8 Vgl. Vers 2,7.


9 Phil 4,7


Manuskript pdf, 254 KB)

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