Am Tisch des Herren
Predigt zu Heb 13,1–3
Der Apostel mahnt uns zu brüderlicher Liebe, zu Gastfreundschaft und er möchte, dass wir uns mit Gefangenen und Misshandelten identifizieren. Er will dies, weil Jesus Christus sich mit uns identifiziert hat. In ihm ist Gott selbst aus dem Himmel herabgekommen, um unser Bruder zu sein. Und wie er an Weihnachten die Welt beschenkt hat, so beschenkt er uns am Altar mit dem Abendmahl.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist aus dem Schlusskapitel des Briefes an die Hebräer.
Dort steht:
13,1Bleibt fest in der brüderlichen Liebe.
2Gastfrei zu sein vergesst nicht;
denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.
3Denkt an die Gefangenen,
als wärt ihr Mitgefangene,
und an die Mißhandelten,
weil ihr auch noch im Leibe lebt.
Lasst uns beten:
Herr, Gott, Heiliger Geist,
rede mit deiner eigenen Stimme zu uns.
Öffne uns das Herz und den Verstand für das,
was du uns ganz persönlich zu sagen hast.
— Amen
Liebe Brüder und Schwestern!
Vor gut 1.000 Jahren
irrten Reiter durch die dichten Wälder des Hochsauerlandes.2
Satelitennavigation gab es noch nicht.
Landkarten hatten die Qualität von besseren Kinderzeichnungen
und auch der Kompass war noch nicht erfunden.
Wie froh sind die Reiter,
als sie bei Einbruch der Nacht auf einen Bauernhof stoßen.
Die Bauersleute öffnen ihnen die Tür.
Viel haben sie den Reisenden nicht zu bieten,
aber es kommt noch ein Krug Wasser in den Topf
und eine Hand voll Getreide verlängert den Brei, –
damit die Reiter wenigstens etwas warmes im Bauch haben.
Erst am nächsten Morgen geben sich die Gäste zu erkennen:
Es ist Kaiser Karl mit einer Leibwache.
Im Gegenzug für seine Gastfreundschaft
soll der Bauer alles Land zum Grundbesitz erhalten,
das er in einem Tag umreiten kann.
Noch heute beruft sich die Stadt Brilon im Hochsauerlandkreis
auf diese Legende.
Ihr Stadtgebiet sei dieser „Brei-Lohn“,
– also der Lohn für den Brei, –
den der Kaiser an diesem Tag versprach.
Dies ist eine hübsche Geschichte,
die die Mahnung des Apostels illustriert,
Gastfreundschaft zu pflegen.
Zwar hat der Bauer keine Engel beherbergt,
wie Abraham oder Lot,
aber was Überraschungsgäste betrifft,
war Kaiser Karl ein „Sechser im Lotto“.
Viel mehr ist dies auch ein sehr gutes Bild dafür,
dass uns ganz Großes begegnen kann,
verborgen unter seinem Gegenteil.
Der ewige, allmächtige Gott
- verlässt die Herrlichkeit des Himmels,
- wird Mensch
- und stirbt den verächtlichsten aller Tode – am Kreuz.
Aber die Menschen haben keine Augen für ihn.
Sie können das Göttliche nicht sehen,
in seiner himmlischen Gestalt –
und bei seiner irdischen Gestalt
erfüllt er ihre Erwartungen nicht.
- Schön müsste er sein,
- reich müsste er sein,
- mächtig müsste er sein.
- Schreiner?
- Aus Nazareth?
- Und er isst mit Huren und Zöllnern?
„Nein danke,
mit dem möchte ich nichts zu tun haben.
Ist unter meinem Niveau.
Der ist mir nicht gut genug“.
Unscheinbar und verborgen:
Der große Gott unter einem gewöhnlichen Menschen.
Und genau so unscheinbar und verborgen
kommt Christus hier zu uns.
Ein Stückchen Brot, ein Schluck Wein –
das soll Leib und Blut Christi sein?
Wenn man will
kann man Drumherum noch ein bisschen Aufmotzen:
- Zum Beispiel,
sich für 3.000,– € einen vergoldeten Abendmahlskelch kaufen. - Und wenn man sich das nicht leisten kann,
redet man halt von den vasa sacra und dem purificatorium
statt von „Gefäßen“ und einem „Lappen“.
Am Ende gibt uns Christus seinen Leib und Blut
unter Brot und Wein.
Nicht mehr und nicht weniger.
Liebe Gemeinde,
das ist etwas Schönes:
- Christus kommt zu uns als jemand,
mit dem wir etwas anfangen können.
Nicht als Hollywood-Star
oder irgendein Geistwesen,
sondern als unser Bruder,
den man in den Arm nehmen kann. - Und wir essen mit ihm nicht Kaviar mit Goldflocken,
sondern Brot und Wein.
Ganz einfaches, alltägliches Essen,
von dem wir wissen,
wie es schmeckt
und wie es sich anfühlt.
Essen, das sich jeder leisten kann.
Doch obwohl es so normal ist,
ist es doch wunderbar.
Der Bauer in der Geschichte empfängt Männer,
die sich verirrt hatten.
Sie waren Menschen aus Fleisch und Blut,
mit ganz normalen Bedürfnissen:
- ein Teller Brei,
- ein Lager für die Nacht,
- ein Wink in die richtige Richtung.
Trotzdem hat sich unter einem der braunen Mänteln
der Kaiser verborgen
und den Bauern reich beschenkt.
Unter dem Mann am Kreuz hat sich Gott verborgen
und er beschenkt uns reich:
- Die Vergebung der Sünden.
Das ist: Ein Neuanfang wie Tod und Wiedergeburt,
mitten im Leben. - Eine Liebeserklärung Gottes:
Du bist es wert, dass ich das für dich getan habe. - Angenommen sein
mit Haut und Haaren, Leib und Blut. - Dieses Angenommen sein geht über dieses Leben hinaus.
Wie das technisch funktionieren soll,
weiß ich auch nicht,
aber die Bibel ist da ganz klar:
Weil Christus uns angenommen hat,
haben
- der Tod
- und das Böse
keine Macht mehr über uns.3
Da ist es kein Wunder,
dass die alten Choräle von Christus
und auch vom Abendmahl als „Manna“ reden.
Mit diesem Essen,
das Gott vom Himmel hat regnen lassen,
hat er das Leben der Israeliten erhalten.
Als er in Christus vom Himmel gekommen ist
hat er den Menschen angenommen.
Im Abendmahl,
das Christus uns reicht am Altar reicht,
erhält er unser Leben, hier und jetzt.
Weihnachten kommt Christus auf die Welt.
Hier am Altar kommt er zu dir persönlich.
Am zweiten Weihnachtstag im letzten Jahr
habe ich in Tarmstedt gepredigt.
Die Tarmstädter haben für ihr Krippenspiel
einen großen Stall über ihren Altar stehen.
Ich habe gepredigt über das Abendmahl,
betrachtet von Weihnachten aus.
Heute, am 7. Sonntag nach Trinitatis,
geht es um das heilige Abendmahl.
Ihr kriegt also heute,
ein halbes Jahr später,
quasi das Gegenstück:
Ich rede vom Abendmahl aus über Weihnachten.
Wenn der Apostel schreibt:
13,1Bleibt fest in der brüderlichen Liebe.
Dann meint er damit nicht:
„Seid nett zueinander“.
Natürlich sollen wir nett zueinander sein!
Die Pointe ist aber,
dass es brüderliche Liebe ist,
weil Christus unser Bruder geworden ist.4
Er hat unser Fleisch und Blut angenommen.5
Jesus gehört zur Familie; – bzw:
Wir gehören zu seiner.
Für die antiken Beobachter des Christentums
war es sehr überraschend,
dass Christen sich nicht nur als „Bruder“ und „Schwester“ anredeten,
sondern sich auch mit dem Bruderkuss begrüßten.
Die umarmen sich,
als gehörten sie zu einer Familie.
Jetzt mal unabhängig von der Frage,
wie das ist,
wenn man ständig umarmt werden soll,
obwohl man das gar nicht möchte:
Dieser familiäre Umgang ist für Menschen,
die Jesu Brüder und Schwestern sind,
sehr angemessen.
Ganz ähnlich schreibt der Apostel:
3Denkt an die Gefangenen,
als wärt ihr Mitgefangene,
und an die Mißhandelten,
weil ihr auch noch im Leibe lebt.
Es gibt eine gewisse Diskussion,
ob sich diese Mahnung nur auf Christen bezieht,
oder auf alle Menschen.
Das ist eine moralische Frage.
Historisch meint der Briefschreiber wahrscheinlich
die wegen des christlichen Glaubens Gefangenen
und die wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinde Misshandelten.
Viel wichtiger ist mir die Begründung:
Jesus Christus hat hier auf der Welt gelebt,
als einer von uns,
als sei er ein Sünder.
Durch Christus erkennt Gott in uns seinen Sohn,
auch wenn wir Sünder sind.
Wenn wir leiden an unserem Leib,
erkennt Gott das Leiden wieder,
das Jesus am eigenen Leib erlitten hat.
Genau so erkennen wir uns selbst
in Menschen, die leiden
in Menschen, die gefangen sind.
Das ist von Moral unabhängig,
aber es verändert unser Verhalten in einem konkreten Moment.
Liebe Brüder und Schwestern,
der Apostel mahnt uns
- zu brüderlicher Liebe,
- zu Gastfreundschaft
- und er möchte, dass wir uns mit Gefangenen und Misshandelten identifizieren.
Er will dies,
weil Jesus Christus sich mit uns identifiziert hat.
In ihm ist Gott selbst aus dem Himmel herabgekommen,
um unser Bruder zu sein.
Und wie er an Weihnachten die Welt beschenkt hat,
so beschenkt er uns am Altar mit dem Abendmahl.
Er kommt so zu uns,
dass wir ihn fassen können,
ein himmlisches Essen,
wie das Manna in der Wüste.
1 1.Kor 1,3
2 Nach https://www.hansetagebrilon.de/infos/brilon
3 Vgl. Heb 2,14.
4 Vgl. Heb 2,11: Christus, „der, der heiligt“ schämt sich nicht, die „Brüder“ zu nennen, „die geheiligt werden“.
5 Ebd. Vers 14.
Weitere Predigten zu Christfest I:
Geschwister Jesu sind Kind und Erbe
Gal 4,1–7,
Christfest I
Die Predigt beginnt mit einer Geschichte, die uns die Lesung plastisch machen soll, und ich rede dann über Albrecht Dürers Selbstportrait.
Verwandlung: aus Feind mach Freund
Kol 1,15–21; 2,
Christfest I
Die ganze Welt, die Kirche und wir einzelne Menschen: Diese drei Ringe haben eine gemeinsame Mitte: Christus, den Mensch-gewordenen Gott. — Das ist die Bekenntnisgrundlage, von der Apostel ausgeht.
Jesu Geschwister sind Gottes Kinder
1.Joh 3,1–5,
Christfest I
Gott teilt sein Leben mit uns, indem er in Jesus Christus unser Bruder geworden ist. Das verdeutliche ich anhand einer Geschichte.
Gott, der Retter, rettet uns rettet der Retter, Christus
Tit 3,4–7,
Christfest I
Gott, unser Retter, rettet uns rettet, unser Retter, Christus. Das sind zwei Sätze in einem. Und man weiß nicht, wo der eine Satz aufhört und der andere Satz anfängt. — Das ist Absicht! Grammatikalisch mag das fragwürdig sein, aber theologisch ist es genau richtig.