Im Anfang steckt das Ganze
Predigt zu Joh 1,1–14
„Oben und Unten“, „Licht und Dunkel“, und „Weihnachten“.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist der Anfang des Evangeliums nach Johannes.
Ich werde die relevanten Verse
im Verlauf der Predigt vorlesen.
Lasst uns beten:
Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte
und ein Licht auf meinem Wege!2 — Amen
Liebe Schwestern und Brüder!
(Einleitung)
Im Anfang steckt das Ganze.
Wer Gedichte, Reden oder Geschichten schreibt,
investiert viel in einen guten Anfang.
Ein guter Anfang bleibt den Hörern im Gedächtnis
und wird zum Schlüssel für das Folgende,
manchmal sogar zur Kurzform.
Es war einmal …
Man erkennt sofort:
Was jetzt folgt ist ein Märchen.
In der Musik gibt es das auch:
Ta-da-da-daaa!
Da brauche ich im Manuskript nicht mal Noten dazuschreiben. Jeder weiß sofort,
was jetzt kommt
und wie es weitergeht.
Im Anfang steckt das Ganze. —
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Das ist der erste Vers
im ersten Kapitel
im ersten Buch der Bibel.
Mit diesem Anfang ist gesagt,
worum es in diesem Buch geht:
Alles kommt von Gott her,
denn sein schöpferischer Impuls
treibt alles an,
das wir sind und haben.
Alles Licht und Leben kommt – von ihm – zu uns.
Hier und jetzt stehen wir richtig,
wenn wir uns an diesem Anfang ausrichten.
Johannes wusste das,
als er seinem Evangelium von Jesus Christus
folgende Worte voranstellte:
1Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
2Das Wort war im Anfang bei Gott.
3Alle Dinge sind durch das Wort gemacht,
und ohne das Wort ist nichts gemacht,
was gemacht ist.
4In ihm war das Leben,
und das Leben war das Licht der Menschen.
5Und das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat’s nicht ergriffen. […]
9Das war das wahre Licht,
das alle Menschen erleuchtet,
die in diese Welt kommen.
10Er war in der Welt,
und die Welt ist durch ihn gemacht;
aber die Welt erkannte ihn nicht.
11Er kam in sein Eigentum;
und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
12Wie viele ihn aber aufnahmen,
denen gab er Macht,
Gottes Kinder zu werden,
denen, die an seinen Namen glauben,
13die nicht aus dem Blut
noch aus dem Willen des Fleisches
noch aus dem Willen eines Mannes,
sondern von Gott geboren sind.
14Und das Wort ward Fleisch
und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit,
eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater,
voller Gnade und Wahrheit. —
Was Johannes hier schreibt,
ist ein Gedicht –
nicht wegen Reim und Rhythmus,
sondern weil Johannes mit wenigen Worten zusammenfasst,
was er uns dann im Evangelium erzählt.
Ich habe drei Überschriften gewählt,
um das Folgende zu gliedern:
(1) „Oben und Unten“,
(2) „Licht und Dunkel“,
und (3) „Weihnachten“.
Zu jeder Überschrift habe ich ein Lied gewählt.
Was Johannes verdichtet hat,
wollen die Lieder entfalten,
mit Reim und Rhythmus und Musik.
Unter der ersten Überschrift
(1) Oben und Unten
singen wir „Es kommt ein Schiff geladen“.
1. Es kommt ein Schiff, geladen/ bis an sein’ höchsten Bord,
trägt Gottes Sohn voll Gnaden, / des Vaters ewig’s Wort.
2. Das Schiff geht still im Triebe, / es trägt ein teure Last;
das Segel ist die Liebe, / der Heilig Geist der Mast.
3. Der Anker haft’ auf Erden, / da ist das Schiff am Land.
Das Wort will Fleisch uns werden,/ der Sohn ist uns gesandt.
Das Schiff ist ein Mittel,
um von einer Welt in die andere zu gelangen. —
Für uns ist es selbstverständlich,
mit dem Flugzeug Kontinente zu überspringen.
Als das Lied geschrieben wurde,
war „Schiff“ genau so gut wie „Raumschiff“.
Es überbrückt das Unüberquerbare
und verbindet uns mit dem Unerreichbaren.
Johannes scheint es sehr wichtig,
das „Oben“ als ganz das ganze Andere darzustellen.
Dazu dienen wohl diese ersten Sätze,
die so kompliziert wirken:
Das Wort war bei Gott
und Gott war das Wort.
2Das selbe war im Anfang bei Gott.
3Alle Dinge sind durch das Wort gemacht,
und ohne das Wort ist nichts gemacht,
was gemacht ist.
Mit anderen Worten:
Das Wort gehört nicht zur Schöpfung,
sondern es gehört ganz auf die Seite Gottes.
Das Wort gehört nicht zu unserem Kontinent,
sondern zu der fremden Welt,
aus der das Schiff zu uns kommt.
Doch „der Anker haft’ auf Erden“.
Das Schiff liegt bei uns im Hafen
und das nicht nur ein bisschen,
sondern es hat richtig festgemacht.
„Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns“.
„Der Sohn ist uns gesandt“.
Beides ist gleich wahr:
- Das Christkind gehört ganz zur Sphäre Gottes
- und Jesus ist wirklich ein Kind,
mit Nöten
und Windeln
und allem, was dazugehört.
Er ist wirklich einer von uns.
„Oben“ und „Unten“ sind in ihm verbunden und „versühnt“.
Der Schluss dieses Liedes geht so:
5. Und wer dies Kind mit Freuden / umfangen, küssen will,
muss vorher mit ihm leiden / groß Pein und Marter viel,
6. danach mit ihm auch sterben / und geistlich aufersteh’n,
das ewig Leben erben, / wie an ihm ist gescheh’n.
Das bringt mich zur zweiten Überschrift:
(2) Licht und Dunkel
Johannes schreibt:
5Und das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat’s nicht ergriffen. […]
9Das war das wahre Licht,
das alle Menschen erleuchtet,
die in diese Welt kommen.
Mit anderen Worten:
„Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern“.
Mit anderen Worten:
1. Die Nacht ist vorgedrungen, / der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen / dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet, / der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet / auch deine Angst und Pein.
4. Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen / der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte, / hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte / kam euch die Rettung her.
5. Gott will im Dunkel wohnen / und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen, / so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute, / der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.
Weil Christus in die Welt gekommen ist,
leben wir in der Morgendämmerung des Himmelreiches.
In der Dämmerung ist gleichzeitig Tag und Nacht.
So ist ein Christenmensch gleichzeitig ein Sünder
und ein Gerechtfertigter.
Wo Christus ist,
das ist mitten in der Welt
das Himmelreich gegenwärtig.
Jochen Klepper hat diese Zeilen Gedichtet
als ihm Ende der 30er Jahre die Dunkelheit vor Augen trat.
Er war mit einer Jüdin verheiratet.
Der Rassenwahn der Nazis
war für ihn nicht ein politische Meinung unter anderen,
oder ein neues Gesetz,
das irgendwie Nachbarn oder Geschäftsleute betraf,
sondern es kam ihm ganz nahe.
Menschen, die er gut kannte
und die er lieb hatte,
wurden diskriminiert und gedemütigt.
Seine Liebe galt als entartetes Gräuel,
seine Ehe als „Rassenschande“.
Doch als er auf Jesus schaut,
sieht er Licht:
Auch wer zur Nacht geweinet, / der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet / auch deine Angst und Pein.
Natürlich ist dies ein Zuspruch,
den Klepper sich selbst sagt.
Doch schafft er es auch,
von sich selbst hochzuschauen für andere.
Er teilte das Evangelium mit anderen,
indem er das Lied schreibt.
Die Dämmerung ist für uns Menschen oft genug ein Zwielicht.
„Die Nacht ist vorgedrungen“
steht in unserem Gesangbuch bei den Adventsliedern.
Im Advent schauen wir in Richtung des Lichtes,
denn an Weihnachten bricht es durch.
Damit bin ich bei der letzten Überschrift:
(3) Weihnachten
Unter den Weihnachtsliedern
findet sich ein zweites Stück von Klepper:
„Du Kind, zu dieser heiligen Zeit“.
Das ist ein Lied voller Bilder,
die an die Passionszeit erinnern:
das Kreuz, das Grab, das Leid, das Jesus trug.
Das stellt einen Kontrast dar
zu den fröhlichen, jubilierenden Weihnachtsliedern.
Die Strophen enden mit „Kyrie Eleison“.
„Herr erbarme dich“ hat eine doppelte Funktion:
- Es ist ein Buß-Ruf
- und eine Begrüßung.
Am Anfang des Gottesdienstes bitten wir Gott,
auf uns zu schauen,
denn jetzt gerade ist er hier unter uns.
Das Kyrie ist gleichzeitig dunkel und hell.
Im Zwielicht der Welt
begrüßen wir Gott,
von dessen Angesucht
Licht und Leben zu uns kommt.
Die letzte Strophe spricht dann von der zukünftigen Welt –
und bricht mit dem „Kyrie Eleison“:
Wenn wir mit dir einst auferstehn
und dich von Angesichte sehn,
dann erst ist ohne Bitterkeit
das Herz uns zum Gesange weit.
Hosianna. — Hosianna. — Hosianna.
Durch den Kontrast wirkt dieser Freudenruf so hell!
Dieses Lied will einen Kontrast bieten
- zu den Freudenrufen der Weihnachtslieder im Gesangbuch
- und vielleicht auch einen Kontrast zum bunten Kommerz
vor der Kirche.
Aber die Weihnachtsfreude macht es dadurch nicht klein,
sondern hell.
Wir leben in der Welt
und manchmal ist sie dunkel und kalt!
[Doch] das Wort ward Fleisch
und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit,
eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater,
voller Gnade und Wahrheit.
Welt ging verloren / Christ ward geboren.
Christ ist erschienen / uns zu versühnen.
Freue dich,
freue dich,
o Christenheit.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!3 Amen.
1 1.Kor 1,3
2 Ps 119,105
3 Phil 4,7
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