Das Weltgericht
Predigt zu Jer 8,4–7
Die Zugvögel haben keinen Kalender, sie haben weder Karte noch Kompass und doch wissen sie, wann sie reisen müssen und kennen den Weg. Sie sind im Einklang mit dem, was Gott für sie vorgesehen hat. Und wir?
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift,
das diese Predigt auslegt,
ist die alttestamentliche Lesung für den vergangenen Sonntag,
aus dem Buch des Propheten Jeremia im 8. Kapitel:
Jer 8,4So spricht der HERR:
Wo ist jemand,
wenn er fällt,
der nicht gern wieder aufstünde?
Wo ist jemand,
wenn er irregeht,
der nicht gern wieder zurechtkäme?
5Warum will denn dies Volk zu Jerusalem irregehen für und für? Sie halten so fest am falschen Gottesdienst,
dass sie nicht umkehren wollen.
6Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden.
Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche:
Was hab ich doch getan!
Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst,
der in der Schlacht dahinstürmt.
7Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit,
Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein,
in der sie wiederkommen sollen;
aber mein Volk will das Recht des Herrn nicht wissen.
Lasst uns beten: Herr Gott, himmlischer Vater, wir bitten dich: Sende uns deinen Heiligen Geist, dass dein Wort an Jerusalem zu einem Wort an uns werde. — Amen
Liebe Brüder und Schwestern!
Gerade ist die Zeit um,
in der man die Zugvögel wieder beobachten kann.
Als hätten sie einen Kalender,
wissen sie, wann die richtige Zeit für ihre Reise ist.
Als hätten sie Karte und Kompass wissen sie,
welchen Weg sie nehmen müssen.
Die Vögel sind selbstverständlich im Einklang mit ihrer Natur,
mit der Natur, dem Lebensraum, der sie nährt
und der ihren Kindern das Zuhause ist.
Die Zugvögel sind da, wo sie hingehören,
pünktlich und zu der Zeit, die angemessen ist.
Sie Leben im Einklang mit Gottes Willen und Plan für sie.
Wie anders ist zur Zustand von uns Menschen!
Der Prophet schreibt:
Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit,
Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten ihre Zeit ein,
in der sie wiederkommen sollen;
aber mein Volk will das Recht des Herrn nicht wissen.2
Wir leben nicht im Einklang mit dem Recht Gottes.
Der Wille des Herrn ist uns fremd geworden.
Ich habe eine Szene erlebt bei einem Spaziergang:
Jemand hatte seinen Hund nicht an der Leine.
Das junge Tier lief übermütig herum,
erkundet neugierig seine Welt.
Weit offen stehen seine Augen,
die Ohren sind aufgerichtet,
die Rute geht wild hin und her,
so dass das ganze Hinterteil des Hundes mitwedelt.
So läuft er auf eine Frau zu und will sie kennenlernen.
Die Frau hat sichtlich Angst vor ihm.
Aufgebracht will sie sich vor dem Tier schützen,
wütend ruft sie den Besitzer heran,
er solle seinen Hund gefälligst an die Leine nehmen.
So entfremdet sind wir Gottes Schöpfung,
dass wir die Körpersprache eines Hundes nicht mehr lesen können.
So entfremdet sind wir von Gott selbst,
dass wir sein Recht und seinen Willen mit Füßen treten.
Der Prophet sagt:
Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst,
der in die Schlacht stürmt.3
Ungebremst rennen wir ins Verderben,
und kommen uns dabei noch mächtig und stark vor!
Pferde waren im damaligen Militär das,
was heute die Panzer sind.
Durch ihre schiere Kraft und Größe
waren sie ein echter Faktor auf dem Schlachtfeld.
Wie ein Panzer sind wir hart gegen unseren Nächsten.
Selbst vor den Menschen, die wir lieb haben,
nehmen wir selten die Verteidigungsschilde herunter.
Vielleicht müssen wir uns auch hart machen.
Man muss nur mal die Zeitung aufschlagen:
- Kämpfe zwischen Israelis und Palästinensern.
- In ganz Europa erstarken Nationalisten.
- Egoisten werden gewählt,
ganze Völker bekennen sich zu „Ich, ich, ich“. - Und selbst die, die „Gott, Gott, Gott“ schreien,
auch wenn es „Allah, Allah, Allah“ heißt,
und selbst manche, die „Jesus, Jesus, Jesus“ schreien,
tun dies ohne Demut und Milde.
Und sie fordern Opfer – immer von den anderen.
Nur die Wörter sind ausgetauscht:
Sie sagen „Gott, Gott, Gott“
und meinen „ICH, ICH, ICH“.
Jeremia sagt:
Sie halten so fest am falschen Gottesdienst,
dass sie nicht umkehren wollen.
6Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden.
Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche:
Was hab ich doch getan!
Hier steckt etwas drin, das Gott von uns erwartet,
ja etwas, das er sich von uns wünscht.
Wir leben in dieser Welt
und wir kommen auch nicht ’raus aus dieser Welt.
Natürlich passen wir uns an.
Natürlich werden wir in ihrem Strom mitgerissen.
Doch wir haben die Chance zurückzuschauen
und zu sagen:
„Was habe ich getan?
Es tut mir leid.“
Liebe Brüder und Schwestern,
die Beichte
und ihre kleine Schwester, das Rüstgebet,
stehen nicht von ungefähr am Anfang unserer Gottesdienste.
Sie stehen dort auch als Antwort,
auf prophetische Worte
wie unseren Predigtabschnitt heute Morgen.
Es ist eine Gnade Gottes,
dass der Herr Jesus Christus uns angerührt hat.
Auch wenn wir wie ein Schlachtross gelaufen sind,
hat er die Zügel in die Hand genommen:
Wir wissen, dass wir seiner Führung und Leitung bedürfen,
auch wenn das bisweilen heißt,
dass wir eine Kehrtwende in unserem Leben vollziehen müssen.
Er ist an unserer Seite und lässt uns nicht im Stich,
selbst wenn wir irren.
Wenn uns der Prophet fragt:
Wo ist jemand,
wenn er fällt,
der nicht gern wieder aufstünde?
Wo ist jemand,
wenn er irregeht,
der nicht gern wieder zurechtkäme?
…dann lasst uns gemeinsam rufen: „Hier! – Wir sind hier!“
Liebe Gemeinde,
der Glaube,
dass Gott uns dereinst als Richter gegenüber stehen wird,
hat einen schlechten Ruf.
Das Weltgericht,
so könnte man meinen,
ist die fromme Version von Nikolaus und Knecht Ruprecht:
Gott Vater ist der, der straft
und Jesus verteilt uns irgendwelche Geschenke. –
Das ist aber nur eine Karikatur.
Wenn das Himmelreich kommt,
wird Gott universale Gerechtigkeit aufrichten – überall.
Und wenn wir alle an seinem Willen scheitern,
wie soll das geschehen,
ohne uns mit unseren Fehltritten zu konfrontieren?
Wir müssen uns seinem Urteil über uns stellen.
Das kann durchaus unangenehm werden.
Doch wir treten dort nicht an,
wie vor einem menschlichen Gericht.
Ein Gericht hier in der Welt kann nur strafen,
indem es uns etwas nimmt: Freiheit oder Privilegien
oder eine Geldstrafe verhängt.
Das Gericht Gottes funktioniert anders.
Paulus schreibt an die Römer:
Weißt du nicht, daß dich Gottes Güte zur Buße leitet?4
Wenn Gott die Welt richtet,
ist sein Handeln schöpferisch.
Konstruktiv geht er mit uns um,
denn er liebt die Welt so sehr,
dass er seinen einziggeboren Sohn für uns gab.
In Christus ist Gott zu uns gekommen.
Hier ist er uns mit seiner erneuernden Kraft ganz nah:
Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.5
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!6 Amen.
Lied nach der Predigt: ELKG 14 „Die Nacht ist vorgedrungen“
1 1.Kor 1,3
2 Jer 8,7
3 Jer 8,6c
4 Röm 2,4b, aus der Epistel zum Buß- und Bettag.
5 ELKG 14,5 „Die Nacht ist vorgedrungen“
6 Phil 4,7
Weitere Predigten zu Vorletzter Sonntag:
Geisterbahn
Röm 14,1–10,
Vorletzter Sonntag
Manchmal fühlt sich die Welt an wie eine Geisterbahn: Schrecken um jede Ecke und tendenziell geht es bergab.
Der Herr wird den Erdkreis richten
Mt 25,31–46,
Vorletzter Sonntag
Wenn man nach einem Streit nach Hause kommt, muss es möglichst eine Aussprache geben. Damit wir das Himmlische Festmahl feiern können, gibt es das Letzte Gericht.
Jesus lehrt beten
Lk 18,1–8,
Vorletzter Sonntag
Gebet ist Bekenntnis. Mehr…