Krippe und Kreuz
Predigt zu Heb 11,24–12,2
Ich kam in die Situation, meiner Mutter zu erklären, warum es mir so wichtig ist, Krippe und Kreuz auf der Stola zu haben. Diese beiden Symbole, zusammen mit Alpha und Omega, hat die Bremer Bethlehemsgemeinde als ihr Siegel gewählt. Das finde ich sehr schön und sehr angemessen, denn es sagt aus, dass sie die Liebeserklärung Gottes gehört hat und sie für sich annehmen kann.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
steht im 11. und 12. Kapitels des Briefes an die Hebräer.
Ich werde es im Verlaufe der Predigt vorlesen.
Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege!2 — Amen
Liebe Gemeinde!
(Themenstellung)
Ich habe hier meine weiße Stola.
Die weiße Stola Farbe ist für die Christus-Feste:
Weihnachten, Ostern, Trinitatis.
Diese Stola hat meine Mutter angefertigt.
Ich habe die Symbole ausgewählt
und meine Schwester hat die Reinzeichnungen
am Computer gemacht.
Ich wollte gerne Krippe und Kreuz auf der weißen Stola haben,
– insbesondere auch,
weil es das Siegel der Bremer Gemeinde ist.
Die violette Stola,
die ich gerade trage,
trägt auch eine Bremensie:
Das Kreuz ist das Nagelkreuz,
das über dem Haupteingang zur Kirche hängt.
Auch, wenn ich bald weggehe,
nehme ich auf meiner liturgischen Gewandung
eine Bremer Prägung mit mir mit.
Da könnt ihr sehen,
wie viel ihr mir bedeutet.
Jedenfalls
haben Krippe und Kreuz meine Mutter
vor eine erhebliche handwerkliche Herausforderung gestellt.
Sie hatte nämlich beschlossen,
die Stolen aus Leinen anzufertigen
und für die Symbole Leinen auf Leinen zu applizieren.
Dabei muss man jede Kante
mit sehr feinen Stichen von Hand abnähen.
Als ich dann mit Krippe und Kreuz, Alpha und Omega ankam,
hat sie die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen
und mich gefragt:
Muss das sein?
Das Dreieck ist einfach,
aber Krippe und Kreuz?
Ich kam also in die Situation,
die Wahl dieses Symbols zu rechtfertigen.
Ich musste die Frage beantworten,
warum mir diese Symbolik so wichtig ist.
Der heutige Sonntag heißt Palmsonntag
wegen des Evangeliums.
Jesus zieht in Jerusalem ein
und die Menschen streuen Palmen.
Das Motiv ist Ankunft, „Advent“.
Deswegen haben wir als Eingangslied ein Adventslied gesungen.
Diese Ankunft bei uns
ist ein Schritt auf einem schweren Weg.
Der Predigtabschnitt betrachtet eine Seite
des schweren Weges,
den Gott auf sich genommen hat
zu uns Menschen.
Ich lege ihn uns aus als den Anfang einer Antwort auf die Frage,
warum mir die Verbindung von Krippe und Kreuz wichtig ist.
(Schriftlesung)
In seinem Brief an die Hebräer schreibt der Apostel:
11,24Durch den Glauben wollte Mose,
als er groß geworden war,
nicht mehr als Sohn der Tochter des Pharao gelten,
25sondern wollte viel lieber
mit dem Volk Gottes zusammen misshandelt werden,
als eine Zeitlang den Genuss der Sünde haben,
26und hielt die Schmach Christi für größeren Reichtum
als die Schätze Ägyptens;
denn er sah auf die Belohnung. […]
12,1Darum auch wir:
Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben,
lasst uns ablegen alles, was uns beschwert,
und die Sünde, die uns ständig umstrickt,
und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf,
der uns bestimmt ist,
2und aufsehen zu Jesus,
dem Anfänger und Vollender des Glaubens,
der, obwohl er hätte Freude haben können,
das Kreuz erduldete
und die Schande gering achtete
und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.
(Auslegung 1: Die Herablassung Gottes)
Das 11. Kapitel des Briefes an die Hebräer ist eine lange Liste von Figuren aus dem Alten Testament. Abel, Henoch, Noah, Abraham, Sara, Isaak, Jakob, Josef, Moses und die Hure Rahab:
Sie alle sind die „Wolke von Zeugen, die uns umgibt“.
Für die Menschen,
an die der Brief gerichtet ist,
sind diese Menschen jetzt und hier gegenwärtig.
Sie spielen eine so große Rolle,
wie es für uns vielleicht unsere Omas und Opas tun.
Selbst wenn sie tot sein sollten,
ist sie die Erinnerungen an sie lebendig und kräftig.
Manchmal sind sie uns so nahe,
dass sie die Gesprächspartner unserer inneren Stimme sind.
Ich habe für die Predigt den Abschnitt vorgelesen,
in dem es um Moses geht.
Moses hätte alles haben können.
Er galt als Sohn der Tochter des Pharaos.
Er hatte ein Leben in Luxus,
aber er hat das alles hinter sich gelassen.
Statt dessen hat er auf Gottes Auftrag gehört
und sich mit Sklaven auf eine Stufe gestellt.
Das ist eine starke Geschichte!
Das gilt noch mehr,
wenn man diese Geschichte
über die Oma oder den Opa erzählt,
oder über einen anderen Vorfahren,
der einem viel bedeutet.
Und noch mehr:
Dieser Verzicht auf Macht und Reichtum
macht Moses Jesus ähnlich.
Moses hat nicht an der Macht und dem Reichtum geklammert,
den er als Königssohn hatte.
Genau so wenig hat der Sohn Gottes
an seiner himmlischen Gestallt geklammert,
sondern:
- Er enthäußerte sich selbst
- nahm die Gestalt eines Knechtes an.
- Er nahm die Gestalt von uns Menschen an.
- Er erniedrigte sich selbst
- und war gehorsam bis zum Tod,
- ja bis zum Tod am Kreuz.3
So haben wir es heute in der Epistel gehört.
Dies ist ein Abschnitt aus dem Brief an die Philipper.
Das ist eines der ältesten Zeugnisse
für diese Grundidee des christlichen Glaubens:
Gott liebt uns Menschen so sehr,
dass er den Abgrund zwischen ihm und uns überwindet.
Er lässt sich das etwas kosten,
denn wir sind es ihm wert.
Daran sehen wir, wie lieb er uns hat.
Bildlich kommt diese Bewegung zum Ausdruck
in der Verbindung von Krippe und Kreuz:
- Gott wählt nicht den einfachen Weg,
sondern er wird Mensch. - Christus wählt nicht den einfachen Weg,
sondern er geht den Weg zum Kreuz.
Dies ist die Verbindung zwischen Krippe und Kreuz,
zwischen Weihnachten und Karfreitag:
Gott beweist seine Liebe zu uns darin,
- dass er göttliche Privilegien aufgibt
- und menschliche Gestalt annimmt.
Eine Kirchengemeinde,
die sich Krippe und Kreuz zum Symbol gibt,
bringt damit zum Ausdruck,
dass sie diese Liebeserklärung Gottes
gehört hat.
Wir nehmen Gottes Liebe dankbar an,
denn auf Gottes Liebe richtet sich unsere Hoffnung.
(Auslegung 2: Der Glaube des Menschen)
Ich stelle mir dazu eine Szene vor:
Ein kleines Kind sitzt auf dem Boden vor dem Fernseher.
Er schaut eine Zeichentrick-Serie.
Der Vater setzt sich zu ihm.
Genau wie das Kind setzt er sich im Schneidersitz auf die Erde
und guckt hoch auf die Mattscheibe.
Das Kind schaut zu seinem Vater rüber
und freut sich, dass er zu ihm auf die Erde gekommen ist.
Das Kind rutscht auf dem Hosenboden rüber zum Vater
und er setzt es sich vor den Bauch auf seine Beine.
Das Kind freut sich, dass der Vater seine Nähe gesucht hat.
Der Vater freut sich, dass das Kind seine Nähe sucht.
Das Kind fühlt sich geborgen.
Wenn das Kind am nächsten Tag in den Kindergarten
oder in die Schule geht,
dann geht diese Geborgenheit mit ihm.
Ein Mensch, der sich geborgen weiß in der Liebe des Vaters,
guckt ganz anders aus der Wäsche,
als ein Mensch, der das nicht kennt.
Das nennen wir „Glaube“.
Der Hebräerbrief formuliert:
Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das,
was man hofft,
und ein Nichtzweifeln an dem,
was man nicht sieht.4
Auch wenn der Vater nicht mit geht
in den Kindergarten oder in die Schule,
und das Kind ihn nicht sieht,
wirkt die Geborgenheit nach.
Dadurch findet das Kind in sich ungeahnte Kräfte.
Der Hebräerbrief nennt viele Helden beim Namen.
Über jeden von ihnen sagt er:
Durch den Glauben
haben sie dieses und jenes getan.
Durch den Glauben
hat Moses sich für Gottes Weg entschieden
und den Luxus hinter sich gelassen.
Durch den Glauben
hat er das Rote Meer geteilt.
Durch den Glauben
hat er das Volk aus der Sklaverei geführt.
Diese Helden sind den Lesern so gegenwärtig,
wie uns Oma und Opa gegenwärtig sein können.
Conclusio
Die Botschaft des Briefes ist:
- Was die können, kannst du auch!
- Gott hat dich genau so lieb, wie sie.
- Bei ihm bist du geborgen,
auch wenn du ihn nicht siehst. - Deswegen kannst du ablegen, was dich belastet,
denn nichts steht zwischen dir und deinem Vater. - Das macht dich stark –
für alles, was dir im Leben begegnet.
Am deutlichsten wird uns das,
wenn wir auf Jesus schauen.
Jesus ist der „Anfänger und Vollender des Glaubens“.
In ihm hat Gott überdeutlich gesagt,
wie sehr er uns liebt.
Damit macht er im Glauben den Anfang.
Und Jesus selbst macht uns vor,
wie man sich in die Hände des Vaters birgt.
So ist er der „Vollender des Glaubens“.
Das alles ist nicht theoretisch
oder historisch,
sondern es ist gegenwärtig.
Die Liebe Gottes entfaltete Wirkung in deinem Leben,
hier und jetzt.
Du bist das Kind eines Vaters,
- der dich liebt,
- der deine Nähe sucht
- und dir Geborgenheit schenkt.
Das macht dich stark, auch wenn du ihn gerade nicht siehst.
Diese Liebe kommt zum Ausdruck
im Bild von Krippe und Kreuz.
- Deswegen habe ich es für die Stola gewählt
und bin meiner Mutter dankbar, dass sie das umgesetzt hat,
auch wenn es viel Arbeit war. - Deswegen halte ich es für angemessen und schön,
dass die Bremer Gemeinde sich dieses Sigel gegeben hat.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!5 Amen.
1 1.Kor 1,3
2 Ps 119,105
3 Nach Phil 2, der Epistel.
4 Hebr 11,1
5 Phil 4,7
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