16:17

Das neue Jerusalem
Predigt zu Apk 21,1–7

202 Ewigkeitssonntag, 23. November 2025, Frankfurt

Das Himmelreich ist eine Zukünftige Wirklichkeit, die unter uns gegenwärtig ist.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist ein Abschnitt aus der Offenbarung des Johannes,
der Anfang des 21. Kapitels. Dort heißt es:

21,1Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde;
denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen,
und das Meer ist nicht mehr.
2Und ich sah die heilige Stadt,
das neue Jerusalem,
von Gott aus dem Himmel herabkommen,
bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

3Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her,
die sprach:

Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!
Und er wird bei ihnen wohnen,
und sie werden sein Volk sein, und
er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;
4und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen,
und der Tod wird nicht mehr sein,
noch Leid
noch Geschrei
noch Schmerz wird mehr sein;
denn das Erste ist vergangen.

5Und der auf dem Thron saß,
sprach:

Siehe, ich mache alles neu!

Und er spricht:

Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss!

6Und er sprach zu mir:

Es ist geschehen.
Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.
Ich will dem Durstigen geben
von der Quelle des lebendigen Wassers
umsonst.

7Wer überwindet, der wird es alles ererben,
und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.

Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege! — Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

(Einleitung)

neulich habe ich eine Geschichte gehört
von jemandem,
der sich ein Auto gekauft hat.
Das war ein modernes Fahrzeug,
aus einer neuen Baureihe,
und er hatte nur Ärger damit.
Erst ging die Elektronik hier nicht,
dann die Mechanik da nicht.
Das waren Sachen,
die gar nichts miteinander zu tun haben.
Das alles ging über ein halbes Jahr und länger.
Irgendwann war er vollkommen entnervt
und die Werkstatt ziemlich ratlos.
Dann hat der Händler gesagt:

Wissen sie was?
Wir erstatten Ihnen das Auto.
Sie können sich überlegen,
ob sie noch mal das gleiche Auto kaufen,
oder wir geben Ihnen das Geld zurück.

Er hat das Auto umgetauscht
in ein Exemplar des gleichen Typs. –
Und siehe da:
Alles gut, alles funktioniert, wie es soll.
Das alte Auto wurde,
so wie es war,
verschrottet.

Ich denke,
jeder,
der handwerklich oder künstlerisch arbeitet,
kennt die Situation:
und scheitert.
Man steht in der Werkstatt,
in der Küche
oder im Atelier,
hat sein Werkstück in der Hand
probiert und macht und tut
und versucht es auch noch irgendwie zu retten,
aber man kommt zu dem Schluss:

Ich muss das jetzt weglegen.
Ich fange lieber morgen noch mal an.

Oder im schlimmsten Fall:

Tonne auf – rein – Tonne zu.

Faszinierend an der Geschichte finde ich,
dass das auch
für so ein komplexes Gebilde wie ein Auto gelten kann.
Der Hersteller scheint auch zu wissen,
dass so etwas möglich ist,
sonst hätten die dieser Retoure ja nicht zugestimmt.
Ab und zu
läuft bei denen ein Exemplar vom Band,
da ist einfach der Wurm drin. —

Was heißt das eigentlich?

Da ist der Wurm drin?

Im Apfel findet man schon mal einen Wurm.
Ich glaube,
der „Wurm“, der hier gemeint ist,
das ist die Schlange aus dem Paradies.

In der ersten Schöpfung ist der Wurm drin.
Die Welt ist nicht so,
wie sie sein könnte.
Ich bin auch nicht so gut,
wie ich sein könnte.
Und das lastet auf mir
und darauf, wie ich mich (den anderen) gebe.

Die Antwort Gottes ist eine Verheißung, – 
die sich erfüllt
- in Christus,
- im Geist
- und im Letzten.

(Die Verheißung)

So spricht Gott der Herr durch den Propheten Jesaja:

17Denn siehe,
ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen,
dass man der vorigen nicht mehr gedenken
und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.[…]

Man soll in ihm nicht mehr hören
die Stimme des Weinens
noch die Stimme des Klagens.

20Es sollen keine Kinder mehr da sein,
die nur einige Tage leben,
oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen […]

25 […]Man wird weder Bosheit noch Schaden tun
auf meinem ganzen heiligen Berg,
spricht der
Herr.

Die neue Welt,
die der Prophet uns vor Augen malt,
trägt deutlich die Formen der Welt,
die wir kennen.
Die verheißene Welt ist ganz neu,
aber sie ist auch ganz für uns.

Für die Zeitgenossen des Propheten
war hohe Kindersterblichkeit Alltag.
Das Leben der antiken Menschen
stand bei jeder Krankheit in Frage.
Jede Verletzung kann sich entzünden
und der stärkste Mann
kann vom Wundbrand in die Knie gezwungen werden,
wenn nicht sogar in den Tod.

Die Stimme des Weinens und des Klagens
ist auch uns nicht unbekannt.
Einige von uns haben im vergangenen Jahr
einen lieben Menschen zu Grabe tragen müssen. – 
Viele von uns wissen,
wovon der Prophet redet,
weil sie Gesichter von Menschen vor Augen haben,
die Gesichter ihrer lieben.

Jesaja redet nicht von einer ausgedachten Welt
oder einer Plastik-Welt aus dem Computer,
sondern er redet von einer echten Welt,
in der uns die Fülle des Lebens jeden Tag begegnet
und uns umarmt.

Das ist ein großes Versprechen,
eine Verheißung Gottes.
Wie soll das zugehen?
1

(Erfüllung in Jesus Christus)

Johannes schreibt am Anfang seines Evangeliums:

Und das Wort ward Fleisch / und es wohnte unter uns.2

Das ist das selbe Wort,
das der Seher in unserem Abschnitt benutzt:

Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!
Und er wird bei ihnen wohnen,
und sie werden sein Volk sein,
und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.

Gott ist zu uns gekommen
- nicht als eine Idee,
- nicht als ein Prinzip,
- nicht als ein Gesetz,
sondern als ein konkreter Mensch,
zu einer konkreten Zeit
und an einem konkreten Ort. —

Manchmal haben wir das Gefühl,
Jesus wäre weit weg: Galiläa vor 2.000 Jahren.
Aber er ist uns ganz nah, weil er einer von uns geworden ist,
nicht etwas anderes.

Am Anfang habe ich von diesem Auto erzählt,
diesem einen Exemplar,
„da war der Wurm drin“.
Und die haben das verschrottet.

Manchmal hat man ein Werkstück in der Hand,
das man nicht retten kann.
Da muss man konsequent sein,
es in die Mülltone schmeißen
und am nächsten Tag neu anfangen.

So geht es Gott auch mit seiner Schöpfung.
Da ist der Wurm drin.
Er hat dich in der Hand
und überlegt:

Was mach’ ich denn jetzt?
Das ist ein Sünder,
da ist der Wurm drin.
Aber ich hab’ den doch lieb, diesen Menschen.

Aber Gott hat dich lieb.
Du bist ihm wertvoll.
Er würde dich nie wegschmeißen.

Was er macht ist dies:
Er stellt dich hin
und steigt selber in die Tonne.

Gott wird Mensch in Jesus Christus
und er nimmt alles auf sich,
was dich von ihm trennt.
Er nimmt es auf seine Schultern
und trägt es aus deiner Stadt heraus,
auf die Müllkippe.

Golgatha.

Er ist dort deinen Tod gestorben.

… hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten.

Denn wer gestorben ist,
der ist frei geworden von der Sünde.
Sind wir aber mit Christus gestorben,
so glauben wir,
dass wir auch mit ihm leben werden.
3

Jesus hat deinen Tod zu seinem Tod gemacht,
damit seine Auferstehung zu deiner Auferstehung wird. —

Das sind sehr drastische Bilder,
hoch emotionale Sprache.
Der Zuspruch,
dass Gott uns so sehr liebt,
ist stark. —
Doch wir sind trotzdem hier.

  • Wir trauern um unsere Lieben,
    den Ehemann,
    Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Sohn.
  • Unter uns werden Menschen krank;
    von Knochenbruch bis Krebs.
    Manche tragen schwer daran.
  • Wir werden verletzt in unserem Alltag
  • und wir greifen alle mal daneben
    und verletzen andere.

Wo ist dieses Himmelreich,
das der Prophet uns versprochen hat,
für das Jesus ans Kreuz gegangen ist?

(Erfüllung im Heiligen Geist)

Das Himmelreich ist eine Zukünftige Wirklichkeit,
die unter uns gegenwärtig ist.
4

Ein Dirigent ist dem Orchester immer voraus.
Wenn ich das richtig gelernt habe,
ist das abhängig von der Größe des Ensembles.

Ein Jazz-Trio braucht keinen Dirigenten.
Die sind zu dritt und hören aufeinander.

Bei einem Kammerorchester funktioniert das auch noch,
aber ab einer bestimmten Größe
braucht man jemanden,
der dirigiert. –
Und der ist dem Ensemble immer ein bisschen voraus.

Bei unserem Chor ist das bestimmt auch so, oder?
Elisabeth dirigiert
und der Chor braucht ja ein kleines bisschen Zeit,
um umzusetzen,
was sie signalisiert.

Ich habe gelernt:
Bei einem Symphonieorchester,
also, 60 Leute mit verschiedenen Instrumenten,
da ist das ungefähr ein Takt.

Das heißt:
Die zukünftige Musik ist in dem Dirigat schon Wirklichkeit.
Sie ist schon da, obwohl sie noch nicht gespielt worden ist.

Alle zusammen,
Orchester und Leitung,
haben das Musikstück bei den Proben erarbeitet.
Jetzt, wo sie es spielen,
öffnet der Dirigent sein Herz
und stellt dem Orchester seine Vision vor
durch seine Bewegungen.

Die Musiker öffnen ihrerseits ihr Herz,
nehmen die zukünftige Musik in sich auf.
Dann machen sie hörbar
durch ihre Instrumente.
Und der Dirigent hört das
und geht darauf ein. —
So sind Zukunft und Gegenwart
gleichzeitig da
und kommunizieren miteinander.

Gott schaut auf unser Leben
und er hört unser Gebet.
Sein zukünftiges Reich
ist mitten unter uns gegenwärtig,
denn er schenkt von Herzen uns Glaube, Hoffnung und Liebe.

  • Glaube ist, dass wir Gott vertrauen
    und den Zuspruch für uns annehmen,
    dass Gott uns liebt
    und dass wir ihm wertvoll sind.
  • Hoffnung ist,
    dass wir den Blick erheben über den Horizont der Ewigkeit
    und auf den Dirigenten schauen und nicht auf das Instrument,
    also auf Jesus Christus und nicht auf uns selbst.
  • Liebe ist die Kraft, die uns Vergebung schenkt
    und die uns bewegt zu Harmonie und Frieden.

In dieser Liebe bewahr uns der Herr Jesus Christus
von nun an
bis an den Tag, da wir das Reich ererben
in dem er unser Gott ist und wir seine Kinder. — Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.

1 Fragt Maria sich auch, siehe Lk 1,34.


2 Joh 1,14


3 Röm 6,7–8


4 Vgl. Lk 17,21.


Manuskript pdf, 320 KB)

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