16:55

Törichte und kluge Jungfrauen
Predigt zu Mt 25,1–13

1 Ewigkeitssonntag, 24. November 2019, 24.11.2019, Pella-Gemeinde, Farven & St. Andreas, Bremerhaven

In dieser Predigt werde ich Jesu Gleichnis von zwei Seiten betrachten: Erstens, glaube ich, 
 dass diese Geschichte einen bitter-witzigen Charakter hat. Zweitens, möchte ich das Gleichnis ganz bewusst unter der Überschrift des heutigen Sonntages lesen: „Die ewige Stadt“.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist Jesu Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen.
Es steht bei Matthäus, im 25. Kapitel:

1Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen,
die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus,
dem Bräutigam entgegen.
2Aber fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug.
3Die törichten nahmen ihre Lampen,
aber sie nahmen kein Öl mit.
4Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen,
samt ihren Lampen.
5Als nun der Bräutigam lange ausblieb,
wurden sie alle schläfrig und schliefen ein.

6Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen:

„Siehe, der Bräutigam kommt!
Geht hinaus, ihm entgegen!“

7Da standen diese Jungfrauen alle auf
und machten ihre Lampen fertig.
8Die törichten aber sprachen zu den klugen:

Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen.

9Da antworteten die klugen und sprachen:

Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein;
geht aber zum Kaufmann und kauft für euch selbst.

10Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam;
und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit,
und die Tür wurde verschlossen.

11Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen:

Herr, Herr, tu uns auf!

12Er antwortete aber und sprach:

Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.

13Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.

Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege!2 — Amen

Liebe Brüder und Schwestern!

In dieser Predigt werde ich Jesu Gleichnis von zwei Seiten betrachten:

  • Erstens, glaube ich,
    dass diese Geschichte einen bitter-witzigen Charakter hat.
    Es ist nicht ganz unser moderner Humor,
    aber Jesus erzählt das Gleichnis mit einem zwinkernden Auge.
  • Zweitens, möchte ich das Gleichnis ganz bewusst unter der Überschrift des heutigen Sonntages lesen: „Die ewige Stadt“.
    Der Seher Johannes hat uns in der Epistel-Lesung eine neue Sicht der Dinge gegeben:

„Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde…
Und ich sah die heilige Stadt,
das neue Jerusalem,
von Gott aus dem Himmel herabkommen…“

Das ist ein starkes Bild! –
Und ich frage mich, was es zu bedeuten hat für uns,
hier und jetzt?

(1) Das Gleichnis von den Jungfrauen erinnert mich
an Ereignisse aus meiner Schulzeit:

Ein Schüler läuft schnell die Treppe hinauf.
Es ist zehn nach acht.
Die erste Stunde ist schon zur Hälfte vorbei.
Im Treppenhaus begegnet ihm die Mathematik-Lehrerin
– ausgerechnet die Mathe-Lehrerin! –
Sie sagt:

Schon wieder spät dran!

Und er antwortet:

Macht nichts, ich auch!

Die Lehrerin findet das gar nicht witzig.
Der Schüler ist ständig zu spät.
Ganze Noten müssen ihm abgezogen werden,
weil er ständig zu spät kommt.
Dabei bringt er ansonsten ganz passable Leistungen.

Er steht inzwischen vor der Tür des Klassenraums.
Doch die ist abgeschlossen.

„Was soll das denn?“ Denkt er sich.

Und dann legt er das Ohr an die Tür und hört,
dass drinnen Unterricht läuft.

Er klopft.
Schweigen.
Er klopft mit Nachdruck
und hört die Klassenkameraden drinnen lachen.
Der Englischlehrer macht auf und sagt:

Wer bist du denn?
Kann ich dir helfen?

Ja, äh…
Ich will zum Unterricht.

Ach?
Ich hoffe, du hast nichts dagegen,
dass wir schon mal angefangen haben. –
Ich muss dir für heute ein Fehlstunde aufschreiben.

Muss das sein??

Ja, guck mal auf die Uhr!
Wenn du so weiter machst,
verpennst du noch deine eigene Auferstehung!
Weißt du, deine Noten sind nicht schlecht –
trotz der Fehlstunden.
Wenn du dich etwas mehr bemühen würdest,
könntest du ganz vorne mitspielen,
was die Leistungen betrifft.

Liebe Brüder und Schwestern,
die Geschichte,
die Jesus erzählt,
hat einen ganz ähnlichen bitter-witzigen Charakter.

Wenn damals in Israel auf dem Dorf Hochzeit war,
trafen sich die Männer erst mal untereinander.
Der Vater des Bräutigam hat den Vater der Braut eingeladen
und die haben untereinander den Brautpreis verhandelt.

Ich würde vermuten,
dabei wurde auch das ein oder andere Glas geleert.
Man hat sich also Zeit gelassen.
Diese Angelegenheit konnte sich bis zum späten Abend ziehen.

Waren die Väter übereingekommen,
war es üblich,
dass die unverheirateten Mädchen des Dorfes,
den Bräutigam begleiten:
von seinem Vaterhaus
zum Haus der Braut,
denn …

…der Mann wird Vater und Mutter verlassen
und seiner Frau anhangen.
3

Die Mädchen begleiten den schmucken jungen Mann
zu ihrer Freundin,
die heute die Braut ist.
Das ist
ihre Rolle.
Das ganze Dorf kommt zusammen,
um zwei ihrer Kinder in den Stand der Erwachsenen aufzunehmen.
Dabei haben die unverheirateten Mädchen
diese Aufgabe.

In der Geschichte, die Jesus erzählt,
sind die fünf „
törichten Jungfrauen“ schlecht vorbereitet.
Sie kommen zu spät
und der Bräutigam lässt sie an der Tür auflaufen:

Wer seid ihr denn?
Kenne ich euch?
Ich kenne euch nicht 😉

Es klingt fast, als wäre er gekränkt:
Immerhin ist es seine
Hochzeit.
Da
hätten sie sich Mühe geben können,
um seiner Braut und ihm die Ehre zu geben.

Jesus bezieht dieses Gleichnis auf uns:

13Darum wachet!
Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.

Das Himmelreich kommt

„wie ein Dieb in der Nacht“.4

Wir haben es nicht unter Kontrolle.
Es kommt von außen,

von Gott aus dem Himmel herab…

Und Jesus wünscht sich,
dass wir dem Bräutigam die Ehre geben,
dass wir uns bemühen,
das Unsere zu tun,
damit das Fest schön wird.

Der Englischlehrer,
der seinen Schüler an der Klassenraumtür auflaufen lässt,
wünscht sich ja auch von ihm,
dass er sich bemüht –
und zwar ganz um seinetwillen:

…deine Noten sind nicht schlecht –
trotz der Fehlstunden.
Wenn du dich etwas mehr bemühen würdest,
könntest du ganz vorne mitspielen,
was die Leistungen betrifft.

Aber was weiß der schon?
Vielleicht haben sich gerade die Eltern getrennt
von dem Jungen
und er musste zu Hause ausziehen.
Seine ganze Welt ist durcheinander geraten.
Und da kommen ihm die Lehrer mit Pünktlichkeit und Hausaufgaben.

(2) Das bringt mich zum zweiten Thema: Der ewigen Stadt.

Erwachsen werden ist eine schöne Sache:
Man gewinnt jede Menge Freiheit.
Auf der anderen Seite steht aber auch ein Verlust:
Man verliert Geborgenheit.

Erinnert ihr euch an euer Kinderzimmer?
Wenn man zu Hause ausgezogen ist
und kommt zurück,
dann stehen da irgendwelche Kisten drin –
weil es jetzt eine Abstellkammer ist.
Oder es ist fremdes Bettzeug aufgezogen –
weil es jetzt ein Gästezimmer ist.

Wenn man ein Kind ist,
gibt es regelmäßig Frühstück, Mittagessen, Abendessen;
meistens mit immer gleichbleibender Gesellschaft:
Mama, Papa, Geschwister,
oder einer Untermenge davon.

Wenn man zwischendurch Hunger hat,
geht man auf Nahrungssuche:
Man macht den Kühlschrank auf
und nimmt sich was.

Wenn man erwachsen ist,
muss man selber kochen.
Man macht den Kühlschrank auf – 
und gleich wieder zu:
- Wenn man 20 ist, weil er leer ist.
- Wenn man 40 ist, wegen der Kalorien.

Wir leben nicht in einer bleibenden Stadt.
- Wo früher eine Wiese war, ist jetzt ein Parkplatz.
- Wo früher die Disco war, ist jetzt ein Ärztehaus.
- Wo früher mein Kinderzimmer war, ist heute…
keine Ahnung, ehrlich gesagt:
Meine Eltern wohnen dort nicht mehr.

Bei Johannes sagt Jesus:

In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.
Wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt:
„Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten“?
5

Bei unserem Vater im Himmel haben wir ein Kinderzimmer.
Jesus sagt uns, dass wir werden sollen, wie die Kinder.
6
Damit meint er nicht, dass wir unmündig sind,
oder naiv
oder töricht.
Vielmehr spricht er uns zu,
dass wir geborgen sind.
Beim Vater gibt es ein Zuhause,
auf das wir uns verlassen können.

Das Leben dieser Welt
bringt immer Wachstum und Veränderung mit sich.
Wir
müssen alle zu Hause ’raus,
erwachsen werden müssen wir auch alle –
und Brüder und Schwestern:
Wir müssen auch alle sterben.

Dort aber, in der ewigen Stadt,
ist die Fülle des Lebens.
Diese Stadt ist nicht einfach statisch,
ohne Änderung,
sondern zuverlässig.
Ihr Wesen ist die Geborgenheit.

Die Ewige Stadt ist das Zuhause,
dass dem Schüler vom Anfang fehlt.
Sein Leben ist ins Schlingern geraten,
weil es einen festen Bezugspunkt verloren hat.

Dein Leben hat diesen festen Bezugspunkt.
Auch wenn wir weder Tag noch Stunde wissen,
eines wissen wir:
Sterben ist kein Verlust,
sondern ein Heimgang.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!7 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Ps 119,105


3 Gen 2,24


4 Mt 24,43; 1.Thess 5,1. Not to mention James Brown! „Don’t be late when your time comes…“


5 Joh 14,2


6 Vgl. Mt 18,3.


7 Phil 4,7


Manuskript zum Ausdrucken pdf, 173 KB)

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