Morgen, Gestern, Heute
Predigt zu Mt 6,25–34
Die „Vögel unter dem Himmel“ und die „Lilien auf dem Feld“ führen uns zu Überlegungen, die uns zeigen, wie Gottes Barmherzigkeit uns erreicht durch Schöpfung, Erlösung und Begleitung.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist der Abschnitt aus der Bergpredigt,
den wir gerade als Evangeliumslesung gehört haben.
Lasst uns beten:
Herr Jesus Christsus,
sprich zu uns durch das Wort dieser Predigt,
wie du zu den Menschen auf dem Berg geredet hast:
mit Vollmacht und mit Segen.
— Amen
Liebe Schwestern und Brüder!
(1) Morgen
Die Landwirtschaft
ist das einzige Gewerk,
das Boden vermehren kann.
Das erklärte mir,
nicht ohne Stolz,
der Ortslandwirt von Bad Homburg.
(Der übrigens Glied dieser Gemeinde ist.)
Was er damit meinte,
erkennt man gut am Wappen seiner Heimatstadt.
Bad Homburg von der Höhe
trägt auf ihrem Wappen-Schild zwei Rodehacken
gekrönt von gemauerten Burg-Zinnen.
Alles Land der Stadt,
jedes Baugrundstück,
jede Wiese,
jeder Acker,
jedes Feld
wurde mit diesem Werkzeug den Taunus abgerungen.
Bäume wurden gefällt,
Wurzeln ausgegraben,
Steine aufgelesen.
Es wurde gesät und geerntet.
Durch absichtsvolle Fruchtfolge
wurde der Waldboden entsäuert
und mit Nährstoffen angereichert.
Das Kulturland entstand.
„Wir rechnen nicht in Jahren oder Jahrzehnten,“
erklärt der Ortslandwirt,
„wir rechnen in Generationen“.
Ganz gleich, was dein Gewerk oder deine Kunst ist:
Wir müssen alle planen.
Überall braucht man Strategien und Voraussicht,
kurz-, mittel- und langfristig.
Das gilt heute,
das galt gestern
und das galt auch für das bäuerlich geprägte Publikum,
das auf dem Berg vor Jesus stand.
Sorgt nicht für morgen.2 —
Was Jesus hier sagt
ist nicht zu begreifen als Lebensweisheit,
als Gesetz.3 —
Lach doch mal!
Das ist nicht lustig, sondern Gesetz.
„Du sollst deine traurigen Gefühle niemandem zeigen“.
Alles wird gut!
Das ist nicht Hoffnung, sondern Gesetz.
„Du sollst deine Zweifel ignorieren und runterschlucken“.
Trage Sorge darum,
dass du dich nicht sorgst!
Das ist keine Erleichterung, sondern Gesetz.
Wenn man durch Sorge sorglos werden will,
ist das,
als wenn man sich mit Dreck wäscht
oder mit dem Teufel den Belzebub austreiben will.
Sorgt nicht für morgen. —
Das ist allein zu begreifen
als das Evangelium von Jesus Christus.
Der Nachfolgende,
der Jesus [als Sohn Gottes] erkannt hat,
empfängt aus diesem Wort die Zusage der Liebe
des Vaters Jesu Christi
und die Freiheit von allen Dingen.4
Deswegen zeigt Jesus auf die Schöpfung:
Seht die Vögel unter dem Himmel an:
sie säen nicht, sie ernten nicht,
sie sammeln nicht in die Scheunen;
und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. […]
Schaut die Lilien auf dem Feld an,
wie sie wachsen:
sie arbeiten nicht,
auch spinnen sie nicht.
29Ich sage euch,
dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit
nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.
Hier sehen wir,
dass der Vater die Welt nicht nur erschaffen hat,
sondern sie auch liebevoll erhält.
Das Gegenstück von Sorge ist nicht Planlosigkeit.
Das Gegenstück von Sorge ist nicht,
dass wir unsere
- Gefühle,
- Bedürfnisse
- und Zweifel
unterdrücken.
Das Gegenstück von Sorge ist Glaube, —
Glaube daran,
dass unser Vater im Himmel es gut mit uns meint
und der Schöpfung das Leben schenkt,
jeden Tag,
um unseretwillen.
Die Sorge opfert das Heute auf dem Götzenaltar des Morgen.
Sie meint, das sei von ihr gefordert.
Glaube empfängt den neuen Tag
aus der liebevollen Hand des Vaters
als ein Geschenk.
Siehe,
jetzt ist die Zeit der Gnade,
heute ist der Tag des Heils!5
(2) Gestern
Wo die Sorge auf das Morgen fixiert ist,
klammert das Bedauern am Gestern.
Man soll sich nicht vertun:
Es ist von uns gefordert,
Frieden zu machen zwischen uns und unserem Gott
und zwischen uns und unserem Nächsten.
In der Bergpredigt sagt Jesus:
Wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst
und dort kommt dir in den Sinn,
dass dein Bruder etwas gegen dich hat,
so lass dort vor dem Altar deine Gabe
und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder
und dann komm und opfere deine Gabe.6
Reue kann der erste Schritt zur Versöhnung sein.
Das kann ein schwerer Schritt sein.
Sorry seems to be the hardest word,
singt Elton John.
Und die Beatles schauen auf
Yesterday, „gestern“,
und wollen einen Tag zurück gehen
und noch mal alles ganz anders machen.
Wenn man einen Fehler gemacht hat,
muss man damit umgehen.
Es reicht nicht zu sagen:
Egal, Schwamm drüber!
Das ist keine Vergebung, sondern Gesetz.
Es wird von dir gefordert,
so zu tun, als sei nichts gewesen.
Stell dich nicht so an!
Das ist keine Reue, keine Vergebung,
sondern nur die Ansage,
dass das Leid,
das du erfahren hast,
nicht der Rede wert ist.
Die andere Seite dieser Münze sieht man da,
wo jemand auf die Vergangenheit fixiert ist.
„Hätte ich mal dieses-oder-jenes gemacht“.
„… oder gelassen“.
„Mein Leben wäre besser,
wenn ich bessere Eltern gehabt hätte!“
„Damals, als mir das passiert ist,
fing das ganze Elend an“.
Jesus Christus spricht:
Kommt her zu mir,
alle, die ihr mühselig und beladen seid;
ich will euch erquicken.7
Der Apostel Paulus schreibt:
Ist jemand in Christus,
so ist er eine neue Kreatur;
das Alte ist vergangen,
siehe, Neues ist geworden.8
Wenn wir auf Jesus Christus schauen,
und auf sein Wort hören,
dann wissen wir,
dass Gott die Welt nicht nur erschaffen hat
und sie auch liebevoll erhält,
sondern dass er uns auch erlöst hat von unseren Sünden.
ist nicht Leugnen.
Das Gegenstück von Bedauern ist nicht,
dass wir unsere
- Schuld,
- Verletzungen
- und Sünden
einfach ignorieren.
Das Gegenstück von Bedauern ist Glaube, —
Glaube daran,
dass Gott uns in Jesus Christus die neue Geburt schenkt,
jetzt, hier,
mitten in unserem Leben.
Bei dir ist die Vergebung,
dass man dich fürchte.9
Diese Vergebung hat Jesus zu unserer Vergebung gemacht,
so dass wir jetzt sinnvoll beten können:
Vater vergib uns,
wie auch wie vergeben unseren Schuldigern.
(3) Heute
Liebe Gemeinde,
- wir haben einen Vater im Himmel,
der uns geschaffen hat und uns erhält. - Wir haben einen Erlöser,
der uns angenommen hat
und uns Vergebung schenkt.
Da kann man gerne in Begeisterung ausbrechen,
so lange man nicht vergisst,
dass Gott nicht nur in den großen Gefühlen
und der lauten Musik gegenwärtig ist.
Vielmehr ist es oft nur ein sanftes Säuseln,
das wir spüren.
Gott kommt in ganz unscheinbaren Dingen zu uns
und auch in und unter einer bescheidenen Predigt. —
Wenn ich Jesus reden höre
über die Vögel unter dem Himmel,
wie sie essen,
und die Lilien auf dem Feld,
wie sie gekleidet sind,
dann muss ich an Beiträge in den sozialen Medien denken.
Ich sehe junge Leute vor mir,
die ihr Essen fotografieren und auf Instagram posten,
anstatt ein Dankgebet dafür zu sprechen.
Da ist mir auch ein Video begegnet von einer jungen Frau,
die ist Fashion Influencerin.
Sie macht also das,
was früher die Mode-Zeitschriften gemacht haben:
Was kann man attraktiv kombinieren mit was
und welche Farben passen zusammen
und so.
In dem Video hat sie ihren Freund – oder ihren Mann –
auf das Sofa gesetzt
und er soll ihre Outfits beurteilen,
Daumen hoch, Daumen mittel, Daumen runter.
Sie führt also ihre Outfits vor und er sagt auch ganz brav,
was er davon hält.
Als letztes sehen wir sie in einem alten T-Shirt
und ungeschminkt.
Da springt der junge Mann vom Sofa auf,
schnappt sich das Mädchen
und trägt sie auf Händen aus dem Bild heraus.
Wir müssen essen
und wir müssen uns kleiden.
Im Glauben an Gott sind wir trotzdem frei davon.
Was wichtig ist,
sind unsere Beziehungen,
- zu Gott,
- zu den Menschen, die wir lieb haben,
- zu den Menschen um uns herum.
Gerade in diesem Beziehungsgeflecht,
ja in unserer Bindung daran,
sind wir frei.
Hier spinnt Gottes Geist den Faden,
der reicht von gestern über heute und morgen
bis in das Reich Gottes.
Jesus sagt:
Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes
und nach seiner Gerechtigkeit,
so wird euch das Materielle einfach zufallen.10
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!11 Amen.
Predigtabschitt Mt 6,25–34, Christus spricht:
25Darum sage ich euch:
Sorgt nicht um euer Leben,
was ihr essen und trinken werdet;
auch nicht um euren Leib,
was ihr anziehen werdet.
Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung
und der Leib mehr als die Kleidung?
26Seht die Vögel unter dem Himmel an:
sie säen nicht, sie ernten nicht,
sie sammeln nicht in die Scheunen;
und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.
Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?
27Wer ist unter euch,
der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte,
wie sehr er sich auch darum sorgt?
28Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung?
Schaut die Lilien auf dem Feld an,
wie sie wachsen:
sie arbeiten nicht,
auch spinnen sie nicht.
29Ich sage euch,
dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit
nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.
30Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet,
das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird:
sollte er das nicht viel mehr für euch tun,
ihr Kleingläubigen?
31Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen:
Was werden wir essen?
Was werden wir trinken?
Womit werden wir uns kleiden?
32Nach dem allen trachten die Heiden.
Denn euer himmlischer Vater weiß,
dass ihr all dessen bedürft.
33Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes
und nach seiner Gerechtigkeit,
so wird euch das alles zufallen.
34Darum sorgt nicht für morgen,
denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.
Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.
1 1.Kor 1,3
2 Vers 30
3 DBW 4, „Nachfolge“, S. 172
4 DBW 4, ebd.
5 2.Kor 6,2
6 Mt 5,23f
7 Mt 11,28
8 2.Kor 5,17
9 PS 130,4
10 Nach Mt 6,33.
11 Phil 4,7
Weitere Predigten zu 15. So. n. Trinitatis:
Vermittlung
Es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus,
1.Tim 2,5,
15. So. n. Trinitatis
Wir folgen Gedanken Dietrich Bonhoeffers dazu, dass Christus der Mittler ist zwischen Gott und Mensch und dies ihn macht zum Mittler zwischen Mensch und Mensch.
Schöpfung
Gen 2,
15. So. n. Trinitatis
Als Lesung hören wir einen Abschnitt aus dem zweiten Schöpfungsbericht und die Erzählung von einem Speisewunde (1.Kön 17). Mehr…