Vermittlung
Predigt zu 1.Tim 2,5
Wir folgen Gedanken Dietrich Bonhoeffers dazu, dass Christus der Mittler ist zwischen Gott und Mensch und dies ihn macht zum Mittler zwischen Mensch und Mensch.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Für diese Predigt habe ich folgendes Schriftwort
als Überschrift und Leitmotiv gewählt,
aus dem 1. Brief an Timotheus im 2. Kapitel:
Es ist ein Gott
und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen,
nämlich der Mensch Christus Jesus.
Lasst uns beten:
Herr, Gott, Jesus Christus,
sprich zu uns durch das Wort der Predigt
und eröffne uns deines Vaters Herz,
indem du die Mauern des Missverstehens einreißt
und die Abgründe der Feindschaft überbrückst. — Amen
Liebe Brüder und Schwestern,
(1) Jan mag Katharina.
Er schaut sie sich gerne an,
ja,
aber er mag sie auch einfach so als Mensch.
Er würde sehr gerne Zeit mit ihr verbringen,
er wäre sehr gerne in ihrer Nähe,
er würde ihr vielleicht, ganz vielleicht auch gerne sagen,
wie sehr er sie mag –
aber er traut sich nicht.
Was hält ihn ab?
Vielleicht hat er Angst vor Zurückweisung.
Vielleicht kommt er sich nicht gut genug vor.
Vielleicht reitet ihn irgendein Bedenken,
hört er irgendeine Warnung,
bremst ihn irgendein altes Gewicht,
das ihm ans Bein gebunden wurde. –
Jan traut sich einfach nicht.
Was auch immer es ist:
Vor Jan tut es sich auf wie ein unüberwindlicher Abgrund
zwischen ihm und Katharina.
Sein Freund Kai schaut sich das Trauerspiel von weitem an
und eines Tages sind die beiden auf dem Weg in die Freistunde.
Da spricht Kai Katharina an:
„Wir gehen einen Kaffee trinken,
kommst du mit?“
„Ok!“
„Das ist übrigens Jan, ein Freund von mir“.
„Hallo Jan!“
„Hallo“
Ein Lächeln,
ein hochroter Kopf,
zwei Tassen Kaffee
und der Rest ist Geschichte.
So ist der Kai für Jan und Katharina zum Mittler geworden.
Er hat eine Beziehung hergestellt,
sie sonst unmöglich schien.
Er hat ein Gespräch ermöglicht
über einen scheinbar unüberwindlichen Abgrund hinweg.
Das ist, was Jesus Christus für uns tut.
Es ist ein Gott
und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen,
nämlich der Mensch Christus Jesus.
(2) Jan ist verliebt
und die Liebe macht etwas mit ihm.
Er strahlt von einem Ohr zum anderen
und die Freude am Leben ist ihm deutlich anzusehen.
Seine Arbeit fließt ihm aus der Hand
und nichts kann ihn betrüben.
Bei denjenigen unter uns,
die das Leben schon ein paar Semester länger studiert haben,
ruft das vielleicht ein müdes Lächeln hervor.
Verliebt sein ist etwas anderes als Liebe.
Lass uns noch mal reden,
wenn ihr 20 Ehejahre hinter euch habt!
Liebe ist viel tiefer als Verliebtheit
und hier in der Welt
viel schwieriger.
Manch ein Christenmensch
hatte ein Verliebtheit im Glauben,
ein Umkehrerlebnis
mit großen Gefühlen
und vielleicht sogar mit dem ein oder anderen Tränchen.
Manch ein Christenmensch meint,
jetzt sei alles gut,
weil er sich für Jesus entschieden hätte.
Dann stellt er fest,
dass er ein Sünder und Gerechtfertigter zugleich ist.
Der Alte Adam holt ihn ein
und die Enttäuschung ist groß.
Hier unterscheidet sich meine kleine Liebesgeschichte
von der großen Liebestat Gottes:
Jan und Katharina
haben haben nicht für ein ganzes Leben
den Freund Kai dabei,
der ihnen immer wieder zum Mittler werden will.
Trotzdem müssen sie die Herausforderungen ihrer Ehe meistern.
Zwischen dir und Gott gibt es aber immer einen Mittler,
nämlich den Herrn Jesus Christus.
Er hält zu dir,
auch, wenn es schwierig wird.
Er ist dein Freund,
auch wenn du von ihm mal eine Ansage hören musst.
Seine Freundschaft hat einen konkreten Anfang,
nämlich deine Taufe.
Seine Freundschaft hat aber kein Ende.
Sie reicht bis in die Ewigkeit hinein.
Freundschaften und Ehen können daran scheitern,
wenn Menschen Verliebtheit mit Liebe verwechseln.
Unser Glaubensleben wird dann schief,
wenn wir Christus links liegen lassen
zugunsten derjenigen Dinge,
die wir sehen und fühlen können.
- Gute Werke können wir sehen.
Sie sind eine Versuchung. - Harte Frömmigkeit,
auch Frömmigkeit, die hart ist gegen einen selbst:
Die kann man sehen.
Das ist eine Versuchung. - Flauschige Gefühle,
auch die im Gottesdienst,
die kann man fühlen.
Das ist eine Versuchung.
Ich rede nicht gegen gute Werke,
gegen gesunde Frömmigkeit
und ganz bestimmt nicht gegen schöne Gottesdienste.
Wichtig ist mir:
Es ist nicht unser Werk,
unsere Entscheidung
oder unser Gefühl,
das unsere Beziehung zu Gott heilt,
sondern es ist ein fremdes Werk,
das von außen,
von Gott her,
zu uns kommt.
Christ ist der Mensch,
der sein Heil, seine Rettung, seine Gerechtigkeit
nicht mehr bei sich selbst sucht,
sondern bei Jesus Christus allein.
Der Christenmensch weiß:
Gottes Wort in Jesus Christus spricht ihn schuldig,
auch wenn er nichts von eigener Schuld spürt,
und Gottes Wort in Jesus Christus
spricht ihn frei und gerecht,
auch wenn er nichts von eigener Gerechtigkeit fühlt.2
(3) Liebe Gemeinde,
Christus ist der Mittler zwischen Gott und Mensch.
Als solcher
ist er aber auch der Mittler zwischen Mensch und Mensch.
Eben habe ich darüber geredet,
dass unsere Gerechtigkeit
- nicht in guten Werken,
- in der Frömmigkeit
- oder in großen Gefühlen liegt.
Das sind natürlich Kerninhalte christlicher Theologie
lutherischer Prägung.
Alleine das macht sie aber nicht wahr oder relevant.
Der Grund dafür ist auch nicht Gott.
Gott ist souverän und barmherzig,
gnädig und von großer Güte.
Ich glaube ich sage nicht zu viel über ihn,
wenn ich behaupte,
dass Gott über Hybris hinwegsehen würde
wie ein Vater über das Geplapper eines Kindes
wenn es nur um ihn gehen würde.
Der heilige Gott mag sogar die Sünde gegen ihn ignorieren.
Doch die Sünde existiert nicht im luftleeren Raum,
sondern sie brennt hier in der Welt.
Gott ist gegen die Sünde,
weil die Sünde dein Leben zerstört.
(a) Ich rede nicht gegen gute Werke.
Doch welche Werke sind gut?
In der Welt
existiert alles Leben auf Kosten anderen Lebens.
So vegan kann niemand sein,
dass er keine Pflanzen töten muss,
um zu leben.
„Gute Werke“ – die heißen nur „gut“.
Wenn wir uns rechtfertigen könnten mit guten Werken,
belügten wir uns selbst.
Dann wären die „guten Werke“ plötzlich „heilige Werke“.
Und das geht von 0 auf hundert in 12 Sekunden:
So schnell wird aus „heiligen Werken“ „heiliger Krieg“.
Das Dichten und Trachten
des menschlichen Herzens ist böse
von Jugend auf.3
Jesus übernimmt unsere Rechtfertigung.
In jedem Konflikt,
bei allem Streit,
auch noch in den Verletzungen:
Bei Gott steht dein Wert nie in Frage.
Die Beziehung zu ihm wankt nicht,
denn sie ruht auf Christus.
Von diesem Ruhepol aus
kannst du mit deinem Nächsten umgehen.
So ist Christus
der Mittler
zwischen Mensch und Mensch.
(b) Ich rede nicht gegen Frömmigkeit.
In der Bibel ist Frömmigkeit fast immer etwas Gutes.
Religion und Kult,
selbst Extase und Rausch
sind der Bibel nicht fremd.
Doch im Diesseits sind diese Dinge immer
verflochten mit der Welt:
- Kirche und Politik,
- Religion und Geld,
- Priester und Macht.
Das sind nur einige Beispiele.
Ich stehe hier oben und rede
und du sitzt unten und musst zuhören.
Ich bin ein Mensch mit einer Geschichte –
und mit Verletzungen.
Du bist ein Mensch mit einer Geschichte –
und mit Verletzungen.
Wenn es gut läuft greifen unsere Verletzungen
und Kränkungen so ineinander,
dass wir uns gegenseitig helfen und schützen können.
Wenn es schlecht läuft,
tun sich Menschen untereinander weh –
und das Machtgefälle verbirgt es nur.
Jesus übernimmt unsere Rechtfertigung.
Wir müssen die Wahrheit nicht festhalten,
sondern Christus ist die Wahrheit
und er hält uns fest.
Deswegen hat die Kirche immer noch eine Lehre,
aber man kann im Einzelfall „Fünfe gerade sein lassen“,
ohne dass gleich alles in Frage steht.
Wenn Christus unser Leben ist,
können unterschiedliche Formen nebeneinander stehen.
Autoritäre Selbstversicherung wird lächerlich,
wenn Christus uns schuldig spricht und nicht die „Frommen“.
Menschenliebe findet einen angemessenen Ort
wenn Christus uns gerecht macht
und nicht das gute Benehmen
oder das Ducken unter irgendwelche Ansprüche.
So ist Christus
der Mittler
zwischen Mensch und Mensch.
(c) Ich rede nicht gegen Gefühle,
schon gar nicht gegen Gottesdienste,
in denen man sich wohlfühlt.
Ich predige ja auch mit einem gewissen Pathos
und ich weiß,
dass viele von euch die Musik im Gottesdienst sehr lieben.
Das ist auch angemessen und richtig.
Die Bibel beschreibt,
wie die Engel in Gottes Thronsaal den Lobpreis singen.
Mit unserem Gesang hier stimmen wir da mit ein.
Im Chor Gottes Lob zu singen
ist fast schon wie im Himmel.
Ich habe den Eindruck,
dass es in unserem Kirchenchor sehr harmonisch zugeht.
Aber ich bin sicher,
auch ihr wisst,
dass es in einem Chor „menscheln“ kann.
Da ist vielleicht jemand eitel.
Da kommt vielleicht jemand genervt oder müde
von der Arbeit zur Probe
und die Nerven liegen blank.
Dann hört das mit der himmlischen Harmonie schnell auf
und der Streit ist ganz irdisch.
In Christus haben wir Vergebung.
Vergib uns unsere Schuld
wie wir vergeben unseren Schuldigern.
Die geheilte Beziehung zwischen Mensch und Gott
heilt unsere Beziehungen untereinander.
Wo sonst das eigene Ich den Weg versperrt,4
ist die Vergebung die Brücke,
die Jesus uns schenkt.
So ist Christus
der Mittler
zwischen Mensch und Mensch.
(Conclusio)
Ihr lieben,
Jan und Katharina sind sehr glücklich,
sie haben sich gefunden
und träumen gemeinsam über ihre Zukunft.
Tief drinnen wissen sie beide,
dass es Krisen und Tiefen geben wird,
aber jetzt gerade schauen sie da erst mal nicht hin.
Ihre Träume feiern die Möglichkeiten,
die sich ihnen aufgetan haben;
nicht zuletzt auch wegen der Vermittlung durch Kai.
Die Beziehung zwischen dir und Gott ist kein Traum,
sondern eine geschenkte Wirklichkeit.
Hier ist ein Stück Himmel,
das in dein Leben hineinragt,
auch, wenn man es nicht immer sieht.
Dieses Stück vom Himmel
verbindet Mensch und Mensch,
selbst wenn unsere Sünde zwischen uns steht.
Wir haben einander nur durch Christus,
aber durch Christus haben wir einander auch wirklich,
haben wir uns ganz für alle Ewigkeit.5
Ihm, dem einen Mittler zwischen Mensch und Gott,
sei Lob und Ehre
von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!6 Amen.
1 1.Kor 1,3
2 DBW 5 „Gemeinsames Leben“, S. 18f.
3 aus Gen 8,21, vgl. Gen 6,5.
4 Vgl. DBW 5, S. 20.
5 DBW 5, S. 22, Kursivsetzung im Original.
6 Phil 4,7
Weitere Predigten zu 15. So. n. Trinitatis:
Morgen, Gestern, Heute
Mt 6,25–34,
15. So. n. Trinitatis
Die „Vögel unter dem Himmel“ und die „Lilien auf dem Feld“ führen uns zu Überlegungen, die uns zeigen, wie Gottes Barmherzigkeit uns erreicht durch Schöpfung, Erlösung und Begleitung.
Schöpfung
Gen 2,
15. So. n. Trinitatis
Als Lesung hören wir einen Abschnitt aus dem zweiten Schöpfungsbericht und die Erzählung von einem Speisewunde (1.Kön 17). Mehr…