13:14

Gottes kräftiges Wort
Predigt zu Jer 23,16–29

154 1. So. n. Trinitatis, 2. Juni 2024, Frankfurt

Jeremia und ich, ich und Jeremia. Was soll man predigen zu einem Propheten, der sagt: „Hört nicht auf die Worte der Prediger, die euch predigen, denn sie betrügen euch“?

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Der Abschnitt heiliger Schrift,
den diese Predigt auslegt,
findet sich beim Propheten Jeremia
im 23. Kapitel:

16So spricht der Herr Zebaoth:

Hört nicht auf die Worte der Propheten,
die euch weissagen!
Sie betrügen euch;
denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen
und nicht aus dem Mund des
Herrn.

17Sie sagen denen, die des Herrn Wort verachten:

Es wird euch wohlgehen –,

und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln,
sagen sie:

Es wird kein Unheil über euch kommen.

18Aber wer hat im Rat des Herrn gestanden,
dass er sein Wort gesehen und gehört hätte?
Wer hat sein Wort vernommen und gehört?

19Siehe, es wird ein Wetter des Herrn kommen voll Grimm
und ein schreckliches Ungewitter
auf den Kopf der Gottlosen niedergehen.
20Und des Herrn Zorn wird nicht ablassen,
bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat;
zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen.

21Ich sandte die Propheten nicht,
und doch laufen sie;
ich redete nicht zu ihnen,
und doch weissagen sie.

22Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten,
so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt,
um es von seinem bösen Wandel
und von seinem bösen Tun zu bekehren.

23Bin ich nur ein Gott, der nahe ist,
spricht der
Herr,
und nicht auch ein Gott, der ferne ist?

24Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne,
dass ich ihn nicht sehe? spricht der
Herr.
Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt?
spricht der
Herr.

25Ich höre es wohl, was die Propheten reden,
die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen:

Mir hat geträumt,
mir hat geträumt.

26Wann wollen doch die Propheten aufhören,
die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen
27und wollen,
dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen,
die einer dem andern erzählt,
wie auch ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal?

28Ein Prophet, der Träume hat,
der erzähle Träume;
wer aber mein Wort hat,
der predige mein Wort recht.

Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen?
spricht der
Herr.
29Ist mein Wort nicht wie ein Feuer,
spricht der
Herr,
und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?

Lasst uns beten:
Komm Heiliger Geist
und erfülle unsere Herzen,
damit die Träume, die uns täuschen,
und die Wünsche, die uns beirren
keinen Platz haben,
sondern dein Wort uns ganz erfüllt.
— Amen

Liebe Gemeinde,

Hört nicht auf die Worte der Prediger!

D Jeremia,
Was mache ich denn jetzt damit?

Ich soll eine Predigt halten
über einen Abschnitt heiliger Schrift,
der beginnt mit den Worten:

Hört nicht auf die Worte der Prediger,
die euch predigen!
Sie betrügen euch;
denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen
und nicht aus dem Mund des Herrn.

Aber Jeremia,
ich habe doch auch nur,
was in meinem Herzen ist.

  • Ich habe meine Bibel gelesen.
  • Ich habe Theologie studiert.
  • Ich bemühe mich redlich,
    meine Arbeit gut zu machen.

Aber am Ende des Tages bin ich ein Mensch unter Menschen
und wenn ich Visionen hätte,
würde ich zum Arzt gehen.

Da sagt Jeremia:
J Nun, du hast ein Leben gelebt
und hast gesehen und gehört
und vieles in die aufgenommen,
was Gott geschaffen und gewirkt hat.
Es geht hier um Propheten im Staatsdienst,
die dem Volk sagen, was es hören will.
Was ist das Erste,
das dir dazu einfällt?

D Bonhoeffer,
„billige Gnade“,
der Anfang der Nachfolge.

J Nimm das doch!

D Billige Gnade ist der Todfeind der Kirche.
Unser Kampf heute geht um die teuere Gnade.

Billige Gnade heißt Gnade als Schleuderware,
verschleuderte Vergebung,
verschleuderter Trost,
verschleudertes Sakrament;
Gnade als unerschöpfliche Vorratskammer der Kirche,
aus der mit leichtfertigen Händen
bedenkenlos und grenzenlos ausgeschüttet wird;
Gnade ohne Preis, ohne Kosten.

Das sei ja gerade das Wesen der Gnade,
dass die Rechnung im Voraus für alle Zeit beglichen sei.
Unendlich groß sind die aufgebrachten Kosten,
unendlich groß daher auch die Möglichkeiten des Gebrauches
und der Verschwendung.
Was wäre Gnade, die nicht billige Gnade ist?

Billige Gnade
heißt Gnade als Lehre,
als Prinzip,
als System;
heißt Sündenvergebung als allgemeine Wahrheit,
heißt Liebe Gottes als christliche Gottes
idee.
Wer sie bejaht, der hat schon Vergebung des Sünden.
Die Kirche dieser Gnadenlahre
ist durch sie schon der Gnade teilhaftig.
In dieser Kirche findet die Welt billige Bedeckung ihrer Sünden,
die sie nicht bereut
und von denen frei zu werden
sie erst recht nicht wünscht.
Billige Gnade
ist darum Leugnung des lebendigen Wortes Gottes,
Leugnung der Menschwerdung des Wortes Gottes.

Billige Gnade heißt Rechtfertigung der Sünde
und nicht des Sünders.
Weil Gnade doch alles allein tut,
darum kann alles beim Alten bleiben.
2

J „Das klingt doch super“,
meint Jeremia,
„worum geht’s?“

D Bonhoffer hat das 1934 geschrieben.
Dabei hatte er eine evangelische Kirche vor Augen,
die (in ihrer Breite) nicht in der Lage war,
sich vom Nationalsozialismus abzugrenzen.
Statt dessen war es den meisten wichtiger,
bürgerlich-anständig
auf gewohnten Wegen weiter zu machen wie bisher.
Bonhoeffers Buch ist (in weiten Teilen) eine Umkehrpredigt.

J Eine Umkehrpredigt!
Das ist genau das,
was ich mir gewünscht hätte
von den Prediger meiner Staatsreligion
damals am Tempel im Jerusalem.
Es kam zur Katastrophe.
- Wir haben den Krieg verloren
- und der Tempels in Jerusalem wurde erniedrigt
von fremden Götter.
Die offiziellen Propheten in Jerusalem haben immer gesagt:

Alles wird gut.

Dabei hätten die Leute hören müssen,
dass der Zorn Gottes über sie kommt,
wenn sie alles so weiter machen,
wie bisher.

D Aber Jeremia,
nicht jede Umkehrpredigt kommt aus Gottes Mund,
nur, weil sie Umkehrpredigt ist. –
Wir sind hier in der SELK.
Wir haben eine lange Tradition,
uns von den Großkirchen abzugrenzen.

Ich bin da selbst nicht frei von.

Man baut irgendwo eine Klatsche gegen die Landeskirche ein
und dann weiß man wieder,
dass man in der einzig-wahren-und-rechtgläubigen Kirche ist.

Das ist quasi billiger Zorn:
Zorn Gottes,
der über die anderen ergeht.
Solche Rede gibt uns das Gefühl,
wir würden alles richtig machen.
Wir müssen uns nicht bewegen.
Statt dessen suhlen wir uns in Selbstzufriedenheit
und freuen uns,
was besseres zu sein,
als irgendwelche andere.

Jeremia ist sich sicher:
J Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen?
spricht der
Herr.

D Wir haben das Wort Gottes als Bibel in der Hand.
Wir haben die reine Lehre in den Bekenntnissen der Kirche.
Trotzdem mischen sich unsere Eitelkeiten und Begehrlichkeiten
unter das,
was Gott uns schenkt.
Wir mischen unter Weizen, den wir essen,
das Stroh, mit dem wir den Stall der Tiere säubern.

Dabei ist es ganz egal,
ob wir uns für konservativ oder liberal halten.
Wir färben und verunreinigen,
was von Gott ist.
Die Sünde stellt sich zwischen uns und Gott.

Jeremia hat eine andere Hoffnung:

J29Ist mein Wort nicht wie ein Feuer,
spricht der
Herr,
und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?

Das Wort Gottes selbst ist die treibende Kraft.
Gott ist mit seinem Wort
und in seinem Wort.
Er ist es,
der unter uns wirkt,
nicht wir selbst.

Schau die Bibel an.
Sie ist die heilige Schrift,
das Gesetz
und die Propheten
und die Schriften
und das Neue Testament.
Und im Buch eines Propheten
sagt uns die Bibel:

Hört nicht auf die Worte der Propheten,
die euch weissagen!
Sie betrügen euch.

Die Bibel enthält nicht einfach ein Lehre,
eine tote Wahrheit,
eine sterile Idee.
Die Bibel
ist das Wort Gottes,
mit dem er uns anspricht
und uns aus der Ruhelage bewegt.
Die Bibel ist spannend,
denn die Spannung macht sie lebendig und kräftig.

  • Gebe Gott,
    dass wir die Umkehrpredigt hören,
    die uns anstößt,
    damit wir den richtigen Weg gehen.
  • Gebe Gott,
    dass wir die Trostpredigt hören,
    die uns in seiner Wahrheit hält.
  • Gebe Gott,
    dass sein schöpferisches Wort und uns ist
    und uns am Leben erhält. — Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Bis hierhin: Dietrich Bonhoeffer: „Nachfolge“, DBW 4, S. 29.


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