Im Dippe haben wir den Schatz
Predigt zu 2.Kor 4,6–10
Nicht auf uns kommt es an, sondern auf Gott. Um das zu beschreiben, benutzt Paulus den Kontrast zwischen dem zerbrechlichen Gefäß und dem göttlichen Inhalt.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist aus dem 2. Brief des Paulus’ an die Korinther
im 4. Kapitel.
Der Apostel schreibt:
6Denn der Gott, der sprach:
„Aus Finsternis wird Licht leuchten“,
der ist es,
der in unseren Herzen aufgeleuchtet ist
zum Lichtglanz der Erkenntnis
der Herrlichkeit Gottes
im Angesicht Jesu Christi.2
7Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen,
damit die überschwengliche Kraft von Gott sei
und nicht von uns.
8Wir sind von allen Seiten bedrängt,
aber wir ängstigen uns nicht.
Wir zweifeln, aber wir verzweifeln nicht.3
9Wir werden verfolgt, aber nicht im Stich gelassen.
Wir werden niedergestreckt, aber nicht getötet.4
10Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leib,
damit auch das Leben Jesu
an unserm Leib offenbar werde.
Lasst uns beten: Herr Gott, himmlischer Vater, sende deinen Heiligen Geist auf diese Gemeinde, damit wir die Worte des Paulus nach Korinth als Worte an uns hören. — Amen
Liebe Brüder und Schwestern,
(0) mein Musiklehrer am Gymnasium
erfand seinerzeit den Begriff der
Profi-Christen.
Das bezog sich wohl auf einige Mitglieder des Kollegiums,
aber auch auf den ein oder anderen unserer Mitschüler.
Damals, in den 90er Jahren,
war es bei uns auf dem Land noch „normal“,
dass „alle“ zumindest eine Fördermigliedschaft
bei der EKD
oder bei den Römern hatten.
Wer gesagt hat,
er sei Christ,
zog sich schnell den Verdacht zu,
er wolle etwas Besonderes sein,
eben ein
Profi-Christ
und nicht ein normaler.
Und es ist ja nicht so,
als ob es solche Christen nicht geben würde:
- Solche,
die immer mit einem strahlenden Lächeln
durch die Gegend laufen
und erzählen, wie gut es ihnen heute geht. - Solche,
die immer die immer die passenden Antwort haben.
Sie meinen,
ihre Privatmeinung sei genau so unfehlbar wie die Schrift –
und mindestens genau so schriftgemäß, wie das Bekenntnis. - Solche,
die immer genau wissen,
was davon zu halten ist,
was andere so tun oder lassen.
Ich frage mich,
was mein Musiklehrer sagen würde,
wenn er wüsste,
dass ich inzwischen zum
Berufs-Christ
geworden bin.
Uns Pastoren haftet unter Umständen
ein ähnliches Klischee an:
Ich war in einem Restaurant
– im Kollarhemd –
und da brachte mir der Kellner den Kaffe mit den Worten:
Bitteschön, Hochwürden,
und hatte dabei so ein süffisantes Lächeln aufgesetzt.
Da musste ich mich erst mal gegen die Anrede wehren, –
aber ich verstehe:
Von uns Pfarrern wird erwartet,
geistlich-moralisches Vorbild zu sein.
Mancher meine Kollegen geben sich große Mühe,
- besonders heilig,
- besonders geistlich
- und besonders gebildet
daherzukommen.
Bei den einen löst es Abwehr aus
und bei den anderen macht es großen Eindruck.
Das ist genau das,
was in Korinth geschehen war.
Paulus war weitergezogen,
um seine Missionsarbeit fortzusetzen
und in der Gemeinde in Korinth traten Prediger auf,
- die hatten Empfehlungsschreiben dabei,
- die konnten besser reden als Paulus,
- und machten überhaupt einen viel stärkeren,
saubereren
und gelackteren Eindruck als er.
In dieser Situation schreibt Paulus seinen Brief.
Er schreibt nach Korinth:
(1)6Denn der Gott, der sprach:
„Aus Finsternis wird Licht leuchten“,
der ist es,
der in unseren Herzen aufgeleuchtet ist
zum Lichtglanz der Erkenntnis
der Herrlichkeit Gottes
im Angesicht Jesu Christi. —
Als Gott die Welt geschaffen hat,
rief er das Licht aus der Dunkelheit.
Mit dieser schöpferischen Macht
blitzte er auch in unseren Herzen auf.
Was dunkel war, ist jetzt erleuchtet.
Paulus redet hier mit dem „Wir“ der Apostel,
denn dieses Licht in ihren Herzen hatte keinen Selbstzweck.
Es diente dazu,
den anderen Menschen,
– uns! –,
die Erkenntnis zu bringen,
wie groß und herrlich Gott ist.
Wie sehr Gott uns liebt
können wir sehen,
wenn wir Jesus ins Gesicht schauen.
In ihm ist erschienen
die Freundlichkeit
und die Menschenliebe Gottes.5
Dieses Licht,
die Schöpferische Kraft Gottes,
ist natürlich nicht beschränkt auf die Apostel,
sondern ein jeder Christenmensch
ist neu geschaffen in der Taufe.
Deswegen sind Oberflächlichkeiten auch nicht wichtig.
Worauf es ankommt ist nicht draußen,
wo man es sehen kann,
sondern innen drin,
wo Gott uns immer wieder neu macht.
Niemand muss der perfekte Muster-Christ sein,
- gelackt,
- poliert
- und unfehlbar.
Christus ist der perfekte Heiland –
für dich.
Wenn wir auf ihn blicken,
sehen wir Gottes Gnade.
Dann brauchen wir nichts mehr verstecken,
was dunkel an uns ist.
Nicht, wenn wir die Oberfläche sauber halten,
handeln wir richtig und Gott gemäß,
sondern wenn Gott selbst unser Inneres,
unser Herz erleuchtet.
(2) Das heißt:
Nicht auf uns kommt es an, sondern auf Gott.
Um das zu beschreiben,
benutzt Paulus einen Kontrast.
Er schreibt:
7Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen,
damit die überschwengliche Kraft
von Gott sei
und nicht von uns.
Der Schatz ist wertvoll und heilig,
eine „überschwengliche Kraft“,
aber das Gefäß ist ganz irdisch
und zerbrechlich.
Der Dippe geht zum Brunnen,
bis er bricht.
Nichts bleibt für die Ewigkeit.
Manchmal ist das auch gut so.
Die Bibel beschreibt ganz am Anfang,
wie der Mensch ist.
Adam und Eva
- haben keinen Druck,
- keine Verpflichtungen,
- keine Bedürfnisse.
Trotzdem brechen sie die Beziehung mit Gott.
Und Gott der Herr sprach:
Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner
und weiß, was gut und böse ist.
Nun aber,
dass er nur nicht ausstrecke seine Hand
und breche auch von dem Baum des Lebens
und esse und lebe ewiglich!6
Der Mensch ist geworden wie Gott.
Er ist stark und mächtig,
kreativ und gestaltend.
- Die Wissenschaft verschafft uns Erkenntnis.
- Die Ingenieurskunst gibt uns Maschinen an die Hand,
um die Welt zu verändern. - Malerei und Poesie machen uns die Schönheit zugänglich.
Doch mit der Erkenntnis manipulieren wir unseren Nächsten,
mit den Maschinen bringen wir uns gegenseitig um
und ein Absolvent des Bauhaus
schuf die Architektur des Konzentrationslagers in Auschwitz.
Wir sind mächtig, aber wir sind blind.
Im Großen und Ganzen
wie im Einzelnen und Privaten:
Wir sind angewiesen darauf,
dass der lebendige Gott uns an die Hand nimmt.
Er muss unseren Blick leiten
und unseren Willen lenken.
Deswegen blicken wir im Gottesdienst auf Gottes Gnade
und bekennen,
dass wir Sünder sind.
Da kommt niemand drumherum:
- die nicht, die meinen, ihr eigenes Gesetz sei gut genug,
denn sie scheitern an Gottes Anspruch, - und die nicht, die meinen, sie hielten Gottes Gesetz,
denn dieser Gehorsam bleibt an der Oberfläche.
David betet so:
Schlachtopfer willst du nicht,
ich wollte sie dir sonst geben,
und Brandopfer gefallen dir nicht.
Die Opfer, die Gott gefallen,
sind ein geängsteter Geist,
ein geängstetes, zerschlagenes Herz
wirst du, Gott, nicht verachten.7
Dabei geht es nicht darum,
sich selbst niederzumachen,
sondern für sich selbst klar zu haben:
Den Schatz, den ich habe,
habe ich in einem Dippe.
Ich selbst halte nichts,
sondern ich werde gehalten von Gott.
(3) Liebe Gemeinde,
dieser Kontrast
zwischen dem heiligen Schatz
und dem zerbrechlichen Dippe
ist in unserem Leben spürbar.
Paulus beschreibt das in seiner Erfahrung so:
8Wir sind von allen Seiten bedrängt,
aber wir ängstigen uns nicht.
Wir zweifeln, aber wir verzweifeln nicht.
9Wir werden verfolgt, aber nicht im Stich gelassen.
Wir werden niedergestreckt, aber nicht getötet.
10Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leib,
damit auch das Leben Jesu
an unserm Leib offenbar werde.
Das Leben der Apostel
war ein Sprung ins Ungewisse.
Sie waren durch nichts gehalten
als durch Gottes Hand.
Ich glaube,
viele von uns können diese Sätze
auf unsere eigene Lebenserfahrung anwenden.
Es ist nicht immer einfach –
auch im Glauben nicht.
Für manchen einen Christenmenschen auf der Welt
ist das Leben auch gerade wegen des Glaubens nicht einfach.
Doch Paulus lenkt unseren Blick darauf,
dass Christus in unser Leben gekommen ist
und unseren Weg mit uns geht. —
Nein, es ist nicht leicht,
aber Paulus spürt Gottes Liebe
in der Bewahrung vor dem Schlimmsten.
Und Paulus geht noch einen Schritt weiter:
Er zieht eine tiefe Verbindung
zwischen seinem eigenen Leben
und dem Leben von Jesus Christus.
Paulus meint:
Das Leben, das er lebt,
ist dem Leben von Jesus ähnlich.
Und das heißt:
Es läuft alles richtig.
Menschen sehen an Paulus’ Leben, wie Jesus ist.
Jesus ist mit den Schwachen und Verletzten.
Jesus führt dich in der Dunkelheit und er trägt dich im Leid.
Das wahre Zeugnis von Christus
geben nicht die gelackten Glücklichen,
die perfekten christlichen Hausfrauen
oder die strahlenden Helden der Frömmigkeit.
Christus wird offenbar
an denen,
bei denen Gott in ihrem Herzen aufleuchtet,
an denen,
die ihr Leben führen
unter seiner Gnade
und in seiner lieben Hand.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!8 Amen.
1 1.Kor 1,3
2 Elberfelder Bibel 2006. Vgl. „Exegese für die Predigt“ z.St. A) 1. c)
https://www.bibelwissenschaft.de/ressourcen/efp/reihe6/4-nach-epiphanias-2-korinther-4
3 ἀπορούμενοι ἀλλʼ οὐκ ἐξαπορούμενοι – Vgl. Art. ἐξαπορέω im Bauer/Aland z.St.
4 διωκόμενοι ἀλλʼ οὐκ ἐγκαταλειπόμενοι, καταβαλλόμενοι ἀλλʼ οὐκ ἀπολλύμενοι – Die Sätze sind ganz einfach, punchy, und das sollen sie m.E. in der Übersetzung auch sein.
5 Nach Tit 3,4.
6 Gen 3,22
7 Ps 51,18f
8 Phil 4,7
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Johannes schildert in unserem Abschnitt eine Vision, die er hatte. Er hat den himmlischen Jesus gesehen. Welch ein extatisches Erlebnis! Ich behaupte, Extase gibt es auch bei uns im Gottesdienst. Ernsthaft!