Gnade, Liebe und Gemeinschaft
Predigt zu 2.Kor 14,11–13
Diese Predigt legt den Schluss des zweiten Briefes aus, den Paulus an die Korinther geschrieben hat. Er endet mit einem Segen, in dem von Jesus Christus, Gott und dem Heiligen Geist die Rede ist. Ich glaube, dass hier ein Geheimnis aufblitzt aus dem Inneren Gottes, das ich in der Predigt zu umreißen versuche.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Diese Predigt legt den Schluss des zweiten Briefes aus,
den Paulus an die Korinther geschrieben hat.
Der Apostel endet sein Schreiben mit den Worten:
11Zuletzt, liebe Brüder,
freut euch,
laßt euch zurechtbringen,
laßt euch mahnen,
habt einerlei Sinn,
haltet Frieden!
So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.
12Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss.
Es grüßen euch alle Heiligen.
13Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des heiligen Geistes
sei mit euch allen!
Lasst uns beten: Herr Gott, Jesus Christus, segne dieses dein Wort an uns und lass Paulus’ Brief nach Korinth zu einem Brief an uns werden. — Amen
(1) Hinführung
Liebe Festgemeinde!
Die Lesungen unseres Gottesdienstes heute morgen
behandeln alle das große Geheimnis, das Gott umgibt:
Jesaja schaut in einer Vision den Thronsaal Gottes.
Er sieht Gott wie einen König,
umgeben von einem Hofstaat aus Engeln.
Die singen so gewaltig, dass die ganze Bude wackelt.
Aber der Prophet sieht dann auch nicht so viel.
- Der Saum von Gottes Gewand füllt den Tempel.
- Alles ist voller Rauch.
- Und das ist auch besser so,
denn Jesaja muss als sündiger Mensch fürchten,
dass er in Gottes Herrlichkeit verbrennt.
Paulus schreibt an die Römer von der Tiefe und des Reichtums der Erkenntnis Gottes, wie „unbegreiflich“ seine „Gerichte“ sind und wie „unerforschlich seine Wege“.
Jesus verweist den Schriftgelehrten Nikodemus höflich aber bestimmt an den Heiligen Geist.
In der Geschichte der Menschheit
hat man immer wieder versucht,
eine Lehre von Gott aufzustellen.
Was können wir überhaupt wissen von Gott?
Und auf diese Frage wurde oft genug geantwortet:
Gar nicht so viel!
Die Naturwissenschaft hat es schwer mit Gott,
weil man ihn nicht
- sehen,
- anfassen
- oder messen kann.
Die Religion befürchtet schnell die Irrlehre.
Auch in den Religionen, die davon ausgehen,
dass Gott redet,
dass er sich offenbart,
werden schnell hellhörig,
wenn das Innere Gottes zur Sprache kommt.
Das gilt nicht nur für den Islam.
Dort gehört für viele schon die Frage nach dem Inneren Gottes
in die Nähe der Gotteslästerung.
Das gilt auch für alte und neue Religionen
in der Nähe des Christentums.
Sollte Gott uns wirklich sein Herz geöffnet haben?
Sollte Jesus von Nazareth wirklich von sich behauptet haben,
er sei Gottes Sohn, – ja er sei Gott selbst?
Johann Wolfgang von Goethe dichtete vor genau 200 Jahren:
„Jesus fühlte rein und dachte
Nur den Einen Gott im Stillen;
Wer ihn selbst zum Gotte machte
kränkte seinen heil’gen Willen.1
Also, zu gut deutsch:
Wir, die wir bekennen,
dass Jesus Christus wahrer Mensch und wahrer Gott ist,
dass das Kind in der Krippe
und der Herr auf dem Thron
unter dem Jubel der Serafim
das selbe Wesen ist,
wir tun Jesus Unrecht.
Denn in „Wirklichkeit“ dachte Jesus von Gott
genau wie Herr Goethe von Gott dachte!
Ich glaube fest daran,
liebe Brüder und Schwestern,
dass Gott der Herr in Jesus Christus Mensch geworden ist!
Und gerade deswegen halte ich es für wichtig,
im Auge zu behalten,
wie geheimnisvoll
und verborgen Gott ist.
Wer das aus dem Auge verliert,
steht in der Gefahr,
dem Hochmut zu verfallen.
Vor Gott kann es aber nur eine Haltung geben: die Demut.
(2) Gesetz
Bei dem Brief, den Paulus nach Korinth geschrieben hat,
steht ein Streit im Hintergrund –
ein Streit um Meinungen,
aber auch ein Streit um Personen.
Es geht insbesondere um die Person des Paulus:
Warum sollte die Meinung,
die Paulus vertritt,
mehr wert sein,
als die Meinung von einem anderen?
Paulus besteht inhaltlich und persönlich auf seinem Standpunkt. Doch er endet seinen Brief mit einer Mahnung zur Demut.
Er schreibt den Korinthern:
Lasst euch zurechtbringen.
Lasst euch ermahnen.
Andere können dir was zu sagen haben.
Du kannst von ihnen eine Korrektur,
eine Berichtigung,
ja ein lebensveränderndes Gotteswort hören.
Das gilt innerhalb der eigenen Familie
und von deinen Freunden,
aber auch in der Gemeinde und der ganzen Kirche.
„Liberal“ und „konservativ“ sind nur Worte.
Was hat dir jemand zu sagen,
der an einer ganz anderen Stelle im kirchlichen
oder politischen Spektrum steht?
In unserer Gesellschaft scheint es so zu sein,
dass man bei bestimmten Themen
nur dafür oder dagegen sein darf:
- Klimawandel,
- Flüchlingskrise,
- Abtreibung.
Leicht fallen einem weitere Beispiele ein.
Bei welchen dieser Themen hast du eine feste Meinung, vielleicht sogar eine, die ganz auf „ja“ oder „nein“ setzt?
Gilt auch hier Paulus’ Mahnung,
sich „zurechtbringen“ und „ermahnen“ zu lassen?
Wir sollen „einerlei Sinn haben“, sagt Paulus.
Doch das ist leichter gesagt als getan.
Die Welt ist kompliziert
und keiner durchschaut sie ganz.
Die, die ganz einfache und klare Antworten haben,
sind die mit den größten Illusionen.
Das gilt in der Politik,
das gilt aber auch in der Theologie.
Wer durchschaut die Welt schon ganz? Niemand!
Und wer durchschaut das letzte Geheimnis Gottes?
Nur Gott selbst!
Jesaja fürchtet zu sterben, weil er Gott gesehen hat.
Ein Mensch kann Gott nicht durchschauen.
Sollte Goethe also recht haben,
wenn er Jesus für nichts, als ein menschliches Vorbild hält?
Sollte der Islam recht haben,
wenn er darauf besteht,
dass das Innere Gottes nichts als ein Geheimnis bleibt?
(3) Evangelium
Liebe Gemeinde,
das Geheimnis,
die Macht
und die Gottheit Gottes
sind unberührt.
Wir glauben Gott im höchsten Thron.2
Wir glauben an den einen Gott,
den allmächtigen Vater,
den Schöpfer Himmels und der Erden,
all des, das sichtbar und unsichtbar ist.3
So hat die Christenheit immer bekannt.
Und wenn wir davon reden,
dass wir Gottes inneres Wesen kennen,
dann behaupten wir nicht,
dass das an unserer Klugheit läge (unserer Philosophie),
oder daran, dass wir so doll beten oder meditieren,
sondern es liegt daran,
dass Gott uns seine Gnade erwiesen hat.
(3.1) Gnade
Paulus endet seinen Brief mit diesem Wunsch für die Korinther:
13Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des heiligen Geistes
sei mit euch allen!
Gott ist in Christus Mensch geworden
und eine seiner wichtigsten Botschaften ist:
„Fürchtet euch nicht!“
Habt keine Angst!
Gott ist keine black box,
keine Wunderkiste,
aus der entweder ein Kobold springt oder eine Blume.
Vielmehr ist Gott wie ein Vater zu uns.
Ein Vater, der uns liebt.
Wenn wir in unserem Leben Leid erfahren,
Schmerzen,
und am Ende den Tod,
dann liegt das nicht daran,
dass wir Gott egal sind.
„Allmacht“ bedeutet nicht,
dass Gott willkürlich mit seinen Geschöpfen umgeht.
Auch in unserem Leid
steht seine Gnade nicht in Frage.
Das gilt selbst in unserer Sünde,
an der Gott leidet!
Auch wenn wir meinen,
wir stünden unter Gottes Zorn,
behält seine Gnade den Sieg.
Dies ist ein Geheimnis aus dem Inneren Gottes:
Gottes Gnade ist viel größer als sein Zorn.
Gottes Zorn währet einen Augenblick,
aber lebenslang seine Gnade.4
Gottes Zorn ist ein Tropfen,
seine Gnade ein Ozean.
(3.2) Liebe
Um dies zu beweisen,
hat Gott sich neben uns gestellt in das Leid.
Er „wurde für uns gekreuzigt
unter Pontius Pilatus“,
gelitten, gestorben und begraben.
Er hat sich neben uns gestellt in die Sünde.
Er, der von keiner Sünde wusste,
ist für uns zur Sünde geworden.5
Und das alles nicht theoretisch,
nur in der Erkenntnis oder im Wissen,
sondern real und körperlich.
„Das Wort wurde Fleisch“,6
schreibt Johannes.
Gott-Sohn hat
am eigenen Leib
erfahren was es heißt, zu leiden.
Wenn du leidest,
wenn du krank bist oder schwach
und du betest zu Gott,
dann kannst du dich darauf verlassen,
dass er weiß,
was das heißt,
wie sich das anfühlt.
Deswegen wissen wir auch,
dass unser Leben einen Sinn hat.
Wenn wir leiden,
fragen wir oft nach dem Warum
und kriegen keine Antwort.
Doch es gibt einen Sinn.
Wir sind Gott nicht egal.
Dies ist ein Geheimnis aus dem Inneren Gottes:
Er, der uns erschaffen hat,
ist für uns und nie gegen uns.
Wir, die wir seine Geschöpfe sind,
dürfen uns verlassen auf ihn,
an ihn glauben,
denn er ist wie ein Vater für uns,
der uns liebt.
Jesus selbst erklärt es Nikodemus so:
Joh 3,14Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat,
so muß der Menschensohn erhöht werden. […]
16Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt,
dass er seinen eingeborenen Sohn gab,
damit alle, die an ihn glauben,
nicht verloren werden,
sondern das ewige Leben haben.
Gott hat eine Geschichte mit den Menschen,
die auf Jesus zuläuft;
und durch Jesus, sein Kreuz und sein Auferstehen,
hat Gott vollends klar gemacht,
dass wir an ihn glauben
und uns auf ihn verlassen dürfen.
(3.3) Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
Ich habe uns vorhin an die Mahnung des Paulus’ erinnert,
- Demut zu üben,
- sich zurechtrücken und ermahnen zu lassen,
- eines Sinnes zu sein
- und Frieden zu halten.
Ich bin der Meinung:
Die Demut wird aus dem Glauben geboren.
Wenn ich an Gott glaube,
wenn ich mich auf ihn verlasse,
dann muss ich mich nicht mehr
auf die eigene Meinung verlassen.
Ich muss mich nicht mehr hart machen gegen andere.
Ich muss die Wahrheit nicht durchsetzen,
sondern die die Wahrheit setzt sich selber durch.
„Ich bin die Wahrheit“, spricht Christus.7
Das passiert nicht irgendwie,
sondern Jesus hat uns zugesagt,
dass er uns den Heiligen Geist sendet.
Der wird uns alles lehren und an alles erinnern,
was Jesus gesagt hat.
Auf diese Weise stiftet er eine Gemeinschaft unter uns,
die aus Gott kommt…
…eine heilige, christliche Kirche,
die Gemeinde der Heiligen,…
Wo es „Vergebung der Sünden“ gibt
und wo Gott, Jesus Christus, mitten unter uns ist.
Das ist der Gleichklang des Sinnes, von dem Paulus redet.
Der Apostel wünscht uns diesen Frieden mit seinem Gruß.
Dies ist ein Geheimnis aus dem Inneren Gottes:
Zu Gottes Wesen gehört die Gemeinschaft.
Vater, Sohn und Heiliger Geist
sind sich so nahe,
wie dir deine innere Stimme nahe ist,
deine Liebe,
deine Freude,
deine Zuneigung.
Gott will, dass wir daran teilhaben.
Deswegen sendet er uns einen Heiligen Geist,
damit wir mit ihm
und untereinander
solche Gemeinschaft haben.
(4) Schluss
Liebe Gemeinde,
Paulus’ Gruß an die Korinther
hat uns angeleitet,
drei Geheimnisse aus dem Inneren Gottes
zu betrachten:
- dass Gottes Gnade größer ist –viel größer!– als sein Zorn,
- dass Gottes Liebe zu uns ungebrochen ist –
er ist immer für uns, nie gegen uns - und dass Gott sich von Herzen Gemeinschaft wünscht –
eine Gemeinschaft, die er uns schenkt.
Ich habe gewagt, über diese Dinge zu reden,
weil Gott uns in Christus sein Herz geöffnet hat.
Blicken wir auf ihn, Jesus,
dann können wir erkennen,
wie Gott ist. — Amen.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des heiligen Geistes
sei mit euch allen!8 Amen.
Gottesdienstgestaltung:
Diese Predigt geht davon aus, dass es die drei agendarischen Lesungen im Gottesdienst gibt, die für Trinitatis vorgesehen sind.
Die Evangeliumslesung sollte um den direkt folgenden Vers erweitert werden: Joh 3,16 –
16Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt,
dass er seinen eingeborenen Sohn gab,
damit alle, die an ihn glauben,
nicht verloren werden,
sondern das ewige Leben haben.
Liedvorschlag nach der Predigt:
Cosi 430: „Gott des ganzen Weltalls“
1 Johann Wolfgang von Goethe: „West-östlicher Diwan“, 1819; schamlos zitiert nach https://www.deutschlandfunk.de/goethe-und-sein-verhaeltnis-zum-christentum.886.de.html?dram:article_id=219186
2 ELKG 133,1 – Credolied an dem Sonntag
3 Nicaenum (ELKG S. 17f)
4 Ps 30,6; vgl. Ex 20,5b–6.
5 Nach 2Kor 5,21.
6 Joh 1,14
7 Joh 14,6
8 2Kor 13,13
Weitere Predigten zu 11. So. n. Trinitatis:
Christus lebt in mir
Gal 2,16–20,
11. So. n. Trinitatis
Britta ist die perfekte Hausfrau und Tobias ein harter Kerl, in den Augen der Nachbarn, der Freunde, der Stadt, der ganzen Welt – und vor Gott?
Jesus und die Sünderin
Lk 7,36–50,
11. So. n. Trinitatis
Jesus lässt sich berühren. Dein Leben, dein Tanzen, dein Singen und Beten, Jesus will das alles, denn sein Wort und seine Berührung machen dich heil.
Sicherheit ist keine
Es ist nicht unser Tun, unser Lassen oder unser Gesetz, das uns rettet.,
Mt 7,24–29,
11. So. n. Trinitatis
Hartes Urteil, harter Verzicht, harte Maßnahmen – und doch auf Sand gebaut. Es ist paradox: Sicher ist der Mensch, der alles loslässt, und sein Leben Jesus übergibt.