Einladung zum Gottesdienst
Predigt zu Jes 55,1–5
Jesaja ruft eine leidenschaftliche Einladung zum Gottesdienst. Was haben wir unseren Zeitgenossen zu bieten, so dass sie ihr folgen würden?
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist ein Abschnitt aus dem Buch des Propheten Jesaja,
der Anfang des 55. Kapitels.
So spricht Gott der Herr durch den Propheten:
1Wohlan, alle, die ihr durstig seid,
kommt her zum Wasser!
Und die ihr kein Geld habt,
kommt her, kauft und esst!
Kommt her und kauft ohne Geld
und umsonst Wein und Milch!
2Warum zählt ihr Geld dar für das,
was kein Brot ist,
und sauren Verdienst für das,
was nicht satt macht?
Hört doch auf mich,
so werdet ihr Gutes essen
und euch am Köstlichen laben.
3Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir!
Höret, so werdet ihr leben!
Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen,
euch die beständigen Gnaden Davids zu geben.
4Siehe, ich habe ihn den Völkern zum Zeugen bestellt,
zum Fürsten für sie und zum Gebieter.
5Siehe, du wirst Heiden rufen,
die du nicht kennst,
und Heiden, die dich nicht kennen,
werden zu dir laufen um des Herrn willen, deines Gottes,
und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat.
Lasst uns beten:
Herr Gott, Heiliger Geist,
komm herab auf diese Gemeinde,
segne du alles Reden und Hören.
— Amen
Liebe Schwestern und Brüder,
(Einleitung)
was der Prophet uns heute Morgen sagt
ist eine Einladung zum Gottesdienst.
Ich hatte neulich eine Situation,
die kennen vielleicht einige von euch.
Wenn Menschen mitkriegen,
dass man in die Kirche geht,
dann erzählen sie einem ungebeten,
warum sie nicht gehen.
Als Pastor steht man unter einem besonderen Druck,
dazu was sagen zu wollen.
Im Nachhinein habe ich mich gefragt,
wie sinnvoll es gewesen wäre,
meinen Gesprächspartnern
Jesajas Einladung zu zitieren.
Die Idee ist weniger abwegig als man erst meint.
Jesaja sieht sich einer Gruppe von Menschen gegenüber,
die uns in manchen Beziehungen ähnlich sind:
- Sie sind im Ausland, im Exil.
Die Alten haben Erinnerungen an eine „gute alte Zeit“,
als Glaube angeblich noch selbstverständlich war. - Ihre Kinder haben Schwierigkeiten,
das nachzuvollziehen. - Heidnische Mütter haben auch hübsche Töchter
und deren Statts- und Natur- und Kulturgötter
sind auch irgendwie ok.
Was hat der Gott Israels zu bieten,
was er den Menschen sagen lässt?
Der Propheten Jesaja
redet von Essen,
von Beziehung,
von Entgrenzung
und in alledem
ist diese Einladung
eine Liebeserklärung Gottes
an sein Volk.
(1) Essen
Wo Gottes Wort ist,
da ist Leben und Freude,
da geht es einem gut
und die Gemeinschaft ist intakt.
Ein Bundeswehr-Kamerad
erzählte von seinem Einzelkämpferlehrgang.
Da wirst du an deine körperlichen Grenzen geführt
und die Soldaten müssen über drei Tage Abschlussmarsch
mit dem Essen für einen Tag hinkommen.
Und der erzählte,
dass er sich die Schokolade
bis zum Schluss aufbewahrt hat.
Die letzten Stunden,
die letzten Kilometer,
hat er immer mal wieder ein Stück Schokolade essen können.
Und er erzählt,
wie er gemerkt hat,
dass ein Stück Schokolade
den Körper mit Energie erfüllt.
Es hat seine „Lebendgeister wieder geweckt“,
wie man so sagt.
Jedes Stück Schokolade
hat ihn einen Stück des Weges
weitergetragen.
Hört doch auf mich,
so werdet ihr Gutes essen
und euch am Köstlichen laben.
spricht der Herr,
solche Schokolade will ich euch geben
für euer ganzes Leben.
Da kommt man in die Kirche
und was man kriegt ist ein trockener Keks
und warmer Wein
mit deutlichen Beigeschmack von Sakristei-Muff.
„Ah,“
sagt der unbedarfte Gottesdienst Gast,
„das ist symbolisches Essen.“
„Aber nein!“
antwortet der SELKi,
„Wir sind Bekenntnis-Lutheraner.
Das ist der wahre Leib des Herrn Jesus Christus!“
„Aha…“
Ich frage mich,
ob der Prophet Jesaja und sein Jüngerkreis
in Babylon ein Festmal haben auffahren können.
Die konnten nicht einfach auf den Fleischmarkt gehen,
wer weiß,
ob die Tiere nach jüdischer Sitte geschlachtet wurden?2
Seine Einladung
richtet sich außerdem an Leute,
die es nicht dicke haben
und für die Geld für Nahrungsmittel ein Thema war.
Was hatte der Prophet denen zu bieten?
Gottes Wort. —
Gottes Wort –
und es war ihnen so wertvoll,
dass sie es aufgeschrieben haben.
Es gibt eine breite Diskussion,
wie weit die Bibel als historische Quelle taugt.
Wie auch immer man das im Einzelnen einschätzt,
ich glaube,
für eine Sache ist sie uneingeschränkt ein historisches Zeugnis:
Dass die Worte der Propheten den Menschen wichtig waren.
Sie haben unter erheblichem Aufwand
und eigenen Kosten
das Wort der Propheten aufgeschrieben
und abgeschrieben,
von Hand,
von hochgebildeten und hochbezahlten Spezialisten,
auf Pergament,
das aus Tierhaut gemacht wurde.
Der Aufwand für Schriftkultur
ist nicht zu vergleichen mit dem,
wie wir es heute erleben.
Die Worte der Propheten
haben sie sich richtig was kosten lassen.
Warum?
Ich glaube,
der Wert dieser Worte
ist inhaltlich bestimmt.
Diese Worte sind nicht Schall und Rauch,
Autorität und Argument,
sondern sie sind Versprechen und Eid.
Sie sind der Unterpfand,
der seine Zuverlässigkeit in sich selber trägt,
denn in seinem Wort
ist Gott
unter uns
gegenwärtig.
Die Hostie mag sein, was sie ist,
nämlich Brot.
Und sie mag schmecken,
wie sie schmeckt,
nämlich nach Brot.
Doch, wenn das Wort zum Element kommt,
dann ist Sakrament.
Das Brot trägt das lebendige Wort in sich,
leiblich,
denn wir sind Leib.
Das weckt den Glauben in dir
und trägt dich einen Stück deines Weges weiter.
Mit dem Stichwort „Glauben“
komme ich zum zweiten Abschnitt:
(2) Beziehung
3Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir!
Höret, so werdet ihr leben!
Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen,
euch die beständigen Gnaden Davids zu geben.
Gott hat David zum König erwählt
und David hat die Gnade beantwortet mit Glauben,
wie kaum ein anderer Mensch,
über den die Bibel berichtet.
Der zweite Psalm ließt sich wie ein Eid,
den ein Vater sagen würde
bei der Adoption eines Kindes:
Ich aber habe meinen König eingesetzt
auf meinem heiligen Berg Zion. […]
Du bist mein Sohn,
heute habe ich dich gezeugt.
Bitte mich,
so will ich dir Völker zum Erbe geben
und der Welt Enden zum Eigentum.
Selbst in seinen dunkelsten Stunden,
ob er den Feinden gegenüberstand,
oder ob er es selbst war,
der die Dunkelheit von Sünde und Schuld
über sich gebracht hatte:
David hat immer zuerst an Gott gedacht
und auf ihn geschaut.
Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte,
und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit. Wasche mich rein von meiner Missetat,
und reinige mich von meiner Sünde;
denn ich erkenne meine Missetat,
und meine Sünde ist immer vor mir.
An dir allein habe ich gesündigt
und übel vor dir getan.3
Wer Psalmen betet,
der möchte beten wie David.4
David ist in der Bibel Beispiel und Ideal für Glauben.
Dabei wird er nie als gelackter Held beschrieben,
sondern die Bibel zeigt uns seine menschlichen Abgründe.
Die Beziehung zwischen Gott und David
ruht nicht auf Davids Stärke,
sondern auf Gottes Gnade.
Weil die Beziehung des Glaubens auf Gottes Gnade ruht,
ist sie offen für alle.
Das Versprechen,
dass Gott die „ewigen Gnaden Davids“
auch uns geben will,
fordert von uns nichts,
sondern Gott schafft Tatsachen.
Er nimmt uns an
und seine Gnade und Liebe
stehen als Vorzeichen vor unserem Leben.
Es ist diese Wirklichkeit,
die wir im Gottesdienst feiern,
dieses Geschenk,
das wir greifen, fassen und zu uns nehmen
am Altar.
Zu diesem Festmahl sind wir eingeladen,
ja berufen.
Klingt super!
Warum schmecken Hostien trotzdem trocken?
und der Wein warm?
Warum ist die Kirchengeschichte voller Streit?
Warum schweben wir nicht
als perfekte Geistwesen durch die Welt,
sondern sind erdensschwer,
in diesem Gemenge aus Glaube und Zweifel,
Sünde und Rechtfertigung?
Weil Gott eben diese Welt liebt
und nicht die,
die wir uns denken.
Weil es eben auf diese Beziehung ankommt
und nicht auf Äußerliches
und Vergängliches.
Die „beständigen Gnaden Davids“
nehmen wir nicht
und stecken sie uns in die Tasche,
sondern der lebendige Gott schenkt sie aktiv,
hier und jetzt,
immer wieder aufs Neue.
Man sagt,
die neue Generation würde in Erlebnisse investieren,
nicht mehr in Immobilien und Autos.
Gott investiert sich in Beziehung,
denn sein inneres Wesen ist Liebe und Beziehung.
Damit komme ich zum letzten Abschnitt:
(3) Entgrenzung
Jesaja prophezeit Israel:
5Siehe, du wirst Heiden rufen,
die du nicht kennst,
und Heiden, die dich nicht kennen,
werden zu dir laufen um des Herrn willen, deines Gottes,
und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat.
Gott ist in sich Beziehung.
Vater, Sohn und Heiliger Geist
sind nicht drei Module des einen Produkts,
sondern sie sind in sich der eine Gott,
wie der eine Gott in sich Vater, Sohn und Geist ist.
Die lebendige Beziehung fließt über nach außen
in Schöpfung, Gnade und und Leben,
Essen, Beziehung und Liebe.
Für uns Christen ist Mission ganz selbstverständlich.
Für die alten Israeliten war das eine neue Idee:
Die Erwählung Gottes ist so voll von Gottes Leben,
dass sie überläuft auf die nicht-erwählten Völker,
auf die Heiden.
Die Grenze wird von innen überholt.
Und damit verlieren sie sich nicht,
sondern im Gegenteil:
Gerade darin zeigt sich,
dass Gott sie liebt
und zu seinem Volk steht.
Liebe Gemeinde,
ich bete um mehr Mut,
zum Gottesdienst einzuladen,
für mich selbst
und auch für uns als Gruppe.
Der Herr ist unter uns gegenwärtig
und spricht:
Höret, so werdet ihr leben!
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.
1 1.Kor 1,3
2 Das ist ein Problem von Judenchristen aus dem späteren römischen Reich, wie es in der ntl. Briefen vorkommt. Ich projiziere diese Situation (mit einem gewissen Recht) auf den viel älteren Text.
3 Ps 51,3–6a
4 Da zitiere ich mich selbst: „Gottes Bund mit David, Israel und uns“.
Weitere Predigten zu 2. So. n. Trinitatis:

„Europa ist ein geiles Land“
Eph 2,11–22,
2. So. n. Trinitatis
Wie gehört man wirklich dazu? Gerade unter diesen Bedingungen: Alles wird anders, aber das Leben geht weiter.

Die Einladung
Mt 11,25–30,
2. So. n. Trinitatis
Nicht die Klugen und Weisen, nicht die, von denen man es erwartet, werden von Gott angesprochen.