Gebote, Lehre und Stellvertretung
Predigt zu Joh 14,15–27
Der heutige Predigtabschnitt ist gut geeignet für eine Konfirmation, denn die Jünger stehen vor einer Lebenswende, einem Schritt in unbekanntes Territorium. Was gibt Jesus ihnen mit für die Zeit, da die Welt ihn nicht mehr sehen wird?
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
steht geschrieben beim Evangelisten Johannes
im 14. Kapitel. Christus spricht:
15Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.
16Und ich will den Vater bitten,
und er wird euch einen andern Tröster geben,
dass er bei euch sei in Ewigkeit:
17den Geist der Wahrheit,
den die Welt nicht empfangen kann,
denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht.
Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch
und wird in euch sein.
18Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen;
ich komme zu euch.
19Es ist noch eine kleine Zeit,
dann wird mich die Welt nicht mehr sehen.
Ihr aber sollt mich sehen,
denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. […]
23bWer mich liebt, der wird mein Wort halten;
und mein Vater wird ihn lieben,
und wir werden zu ihm kommen
und Wohnung bei ihm nehmen.
24Wer aber mich nicht liebt,
der hält meine Worte nicht.
Und das Wort, das ihr hört,
das ist nicht mein Wort,
sondern das Wort des Vaters,
der mich gesandt hat.
25Das habe ich zu euch geredet,
solange ich bei euch gewesen bin.
26Aber der Tröster, der heilige Geist,
den mein Vater senden wird in meinem Namen,
der wird euch alles lehren
und euch an alles erinnern, was
ich euch gesagt habe.
27Den Frieden lasse ich euch,
meinen Frieden gebe ich euch.
Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.
Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.
Lasst uns beten:
Komm, Heiliger Geist,
und erleuchte unsere Herzen,
damit das Wort der Predigt
uns lehre und erinnere an das,
was Jesus uns gesagt hat. — Amen
Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Konfis,
(1) Einleitung
unser Predigtabschnitt heute Morgen
ist sehr gut geeignet für eine Konfirmation.
Jesus redet mit seinen Jüngern
und alle wissen,
dass er bald nicht mehr da sein wird.
Die Jünger wollen es nicht wahr haben,
aber im Grunde wissen sie,
dass Ereignisse bevorstehen,
die ihr Leben grundlegend verändern werden. –
Die Konfirmation steht am Ort einer Lebenswende.
Kirchlich gesehen sind die Konfis ab heute Erwachsene.
Wenn man über die Schwelle tritt
in eine neue Lebensphase,
weiß man vielleicht schon theoretisch,
was einen erwartet.
Praktisch weiß man das erst nachher.
Wie es wirklich ist,
erwachsen zu sein,
weiß man erst,
wenn man eine Weile erwachsen ist.
Und auch das hat ja noch Stufen und Phasen!
(2) Im Folgenden möchte ich mich drei Themen zuwenden:
Jesu Stellvertreter,2 dem Heiligen Geist,
seinen Geboten,
und seiner Wahrheit.
(a) Jesus sagt seinen Jüngern zu:
Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen.
Für ihren Weg ohne seine leibliche Gegenwart
verspricht Jesus uns,
dass er anders bei uns sein wird.
Ich habe eine bewusste Erinnerung daran,
als meine Eltern zum ersten Mal
ohne uns Kinder in den Urlaub gefahren sind.
Wir waren noch recht jung;
ich glaube,
für meine Schwestern waren Windeln noch ein Thema.
Um uns beiden Kleinen zu versorgen,
kam unsere Oma zu Besuch.
Tränen wurden vergossen,
Zusicherungen wurden gemacht,
aber am Ende wurden emotional verunsicherte Kinder
in Omas Fürsorge zurückgelassen.
Damit nun die Kinder
in dieser neuen Situation
vertraute Dinge erleben,
möchte Oma ein Abendessen machen
„wie immer“.
Was esst ihr denn gern?
fragt Oma den Großen – also mich.
Ravioli!
„Au ja, Ravioli“ stimmt meine Schwester mit ein. —
Schon die bunt bedruckte Dose war meiner Oma suspekt.
Wie macht man das denn jetzt?
fragt Oma.
Mama macht die im Mikro!
antwortet der Große wahrheitsgemäß.
Natürlich war der vielleicht siebenjährige Diedrich
nicht hinlänglich vertraut
mit der Wirkung elektromagnetischer Wellen
auf Blechdosen.
Er hat nicht ahnen können,
welche Katastrophe er in Gang gesetzt hatte.
Der mechanische Teil war noch vollkommen unproblematisch.
Meine Oma suchte sich einen Dosenöffner.
Ratsch, ratsch, ratsch, ratsch, machte sie die Dose auf,
warf den Deckel in den Müll.
Darauf stellte sie die Dose in die Mitte des Mikrowellenherdes
und stellte das Gerät auf volle Leistung,
schloss die Tür
und drückte auf „Start“. —
Es gab an dem Abend dann keine Ravioli.
Mikrowellenherde waren für meine Oma zeitlebens
neumodisches Zeug,
mit dem sie nichts zu tun haben möchte. —
So ist das mit den Stellvertretern.
Auch, wenn man mit den allerbesten Absichten handelt
und sich nur auf wahre Informationen stützt,
verursacht man schon mal eine große Sauerei.
(b) So ähnlich ist das in der Kirche auch.
Wir versuchen,
Gottes Wahrheit zum Ausdruck zu bringen,
und scheitern.
Im Konfi-Unterricht haben wir viel über Lehre geredet.
- Wir ist Gott?
- Wer ist Jesus Christus?
- Was hat es auf sich mit dem Heiligen Geist?
Wir haben über das Glaubensbekenntnis geredet
und es auswendig gelernt.
Am Ende muss man aber einsehen:
Konfi-Unterricht ist der Anfang der Auseinandersetzung,
nicht das Ende.
Wie es Lebensphasen gibt,
gibt es auch Glaubensphasen.
Zweifel gehören zum Glauben dazu
und zu unserem Leben gehören Krisen. —
(c) Auch die Gebote Gottes
haben im Konfi-Unterricht breiten Raum eingenommen.
Ich bin der Herr, dein Gott.
Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Du sollst den Feiertag heiligen.
Du sollst nicht stehlen.
Du sollst nicht stehlen.
Jesus fasst zusammen:
Du sollst den Herrn, deinen Gott,
lieben von ganzem Herzen,
von ganzer Seele
und von ganzem Gemüt.
Dies ist das höchste und größte Gebot.
Das andere aber ist dem gleich:
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
In diesen beiden Geboten
hängt das ganze Gesetz und die Propheten.3
Macht es die Zusammenfassung uns das leichter,
die Gebote zu halten?
⊙ Jesus Christus spricht:
15Wenn ihr mich liebt,
so werdet ihr meine Gebote halten.
16Und ich will den Vater bitten,
und er wird euch einen andern Tröster geben,
dass er bei euch sei in Ewigkeit:
17den Geist der Wahrheit,
den die Welt nicht empfangen kann,
denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. […]
23bWer mich liebt, der wird mein Wort halten;
und mein Vater wird ihn lieben,
und wir werden zu ihm kommen
und Wohnung bei ihm nehmen.
c’) Natürlich haben die Jünger Jesus geliebt;
das steht nicht in Frage.4
Das war doch einfach für sie! —
Und dann haben sie verstanden:
Genau so einfach ist es,
Jesu Gebote zu halten.
Der Anspruch Gottes ist real.
„Du sollst“ und „du sollst nicht“ –
das ist nicht nur daher gesagt,
sondern Gott meint das ernst.
Doch Gottes Gebote sind für uns
und nicht gegen uns.
Ihr Ernst liegt nicht im Buchstaben,
sondern im Geist.5
Die Gebote sollen uns zu Gott führen.
Sie rufen uns zu seiner Gnade und Barmherzigkeit.
Die Liebe,
die die Gebote erfüllt,
ist der Glaube.6
Glaube ist,
sich in jeder Sekunde seines Lebens
daran zu erinnern:
Dir sind deine Sünden vergeben.
Gott hat dich angenommen,
denn:
Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt,
so erbarmt sich der Herr über die,
die ihn fürchten.7
„Fürchten“ heißt hier nichts anderes,
als dass wir zu Gott aufschauen als dem,
der uns herausholt,
wenn wir wirklich in der Patsche sind.
Er erlöst uns
uns gibt sein Alles für seine Kinder.
Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben,
Kusch und Seba an deiner Statt,
weil du in meinen Augen
so wertgeachtet und auch herrlich bist
und weil ich dich liebhabe.8
Das ist das Evangelium.
b’) Die Aufgabe der Dogmatik ist es,
diese Liebeserklärung Gottes neuzusprechen.
Konfi-Unterricht ist nicht damit getan,
wenn die Konfis die dogmatischen Texte,
also die alten Bekenntnisse und Formeln,
auswendig lernen
und aufsagen können.
Viel mehr müssen wir uns zusammensetzen,
Konfis, Teamer und Pastoren,
und gemeinsam die Frage beantworten:
Was hat das mit uns zu tun?
Wie sprechen Jesu Worte und Jesu Lehre
in das Leben, das wir leben?
Genau dafür haben wir Jesu Zusage:
26Aber der Tröster, der heilige Geist, […]
der wird euch alles lehren
und euch an alles erinnern, was
ich euch gesagt habe.
„Lehren“ und „Erinnern“
ist nicht Gottes Hilfe beim Auswendig lernen.
Vielmehr ereignet sich
in unseren Gesprächen über den Glauben
ein Wunder.
Christus ist unter uns im Heiligen Geist
und er selbst ist der Autor
unseres Verständnisses
seines Lebens,
seines Todes,
seiner Auferstehung
und seiner Gegenwart unter uns.9
a’) Damit bin ich wieder am Anfang.
Meine Oma hat unsere Eltern ja
im Großen und Ganzen erfolgreich vertreten
während ihres Urlaubs. –
abgesehen von dem Feuerwerk in der Mikrowelle.
Das ist menschlich:
Fehler passieren halt,
auch bei allen guten Absichten.
Die Kirche in ihrem Wesen
ist nicht getragen von menschlicher Stellvertretung.
Der Geist,
den die Kirche an Pfingsten empfängt,
ist Gott selbst.
Die Kirche mit Leben zu erfüllen,
ist Chefsache.
Da schickt er nicht den Prokurist,
denn es geht um dich
und um dein Leben.
So wichtig ist ihm,
dass du ein Glied am Leib Christi bist.
Für dich hat er das Predigtamt eingesetzt,
damit sein Wort dich erreicht,
wenn du müde10 oder beladen11 bist.
Er will dich erquicken.
Er wird dich neu schaffen mit dem Wort,
das einst die Welt erschaffen hat.
Für dich hat er die Sakramente gestiftet,
damit du gestärkt wirst und bewahrt im Glauben.
Jesus Christus spricht:
27Den Frieden lasse ich euch,
meinen Frieden gebe ich euch.
Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.
Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!12 Amen.
1 1.Kor 1,3
2 Vgl. Jörg Frey, „Exegese für die Predigt“ zu Anlass und Stelle, unter „Beobachtungen zur literarischen Gestaltung“. Die Vokabel „Stellvertreter“ ist theologisch „geladen“ (Sölle, Bonhoeffer, u.a.) und es wäre sys.-theol. Überlegungen wert, in welchem genauen Sinne man sie mit Frey hier gebraucht. Das ist aber nicht im Horizont dieser Predigt, sondern „Stellvertreter“ steht hier als Gegenfolie für die trinitätstheologische Pointe des letzen Abschnittes.
3 Mt 22,37
4 Vgl. Frey, ebd.
5 Vgl. 2.Kor 3,6.
6 Vgl. Bultmann, „Das Evangelium des Johannes“, 14. Auflage, Göttingen 1956, S. 474f.
7 Ps 103,13
8 Jes 43,3b–4
9 Vgl. Frey, ebd. Bei Frey ist der hl. Geist „Autor des johanneischen Verständnisses Jesu und seiner Geschichte“. Der Neutestamentler muss da stehen bleiben; der Prediger darf es nicht.
10 Vgl. Jes 50.4.
11 Vgl. Mt 11,28.
12 Phil 4,7
Weitere Predigten zu Pfingstsonntag:

Das Schlaraffenland ist’s auch nicht
Num 11,
Pfingstsonntag
Das Volk hat materielle Sicherheit und soll sich an Gottes Gegenwart genügen lassen. Trotzdem meckern sie. Ich kenne das von mir selber auch. Wie geht Gott damit um?

Stilfragen
1.Kor 2,12–16,
Pfingstsonntag
Gott hat dich angenommen in Jesus Christus und dich neu geschaffen im Heiligen Geist, – dich, nicht eine Barbie-Puppe mit frommen Idealmaßen oder einen Ken, der ein angeblich christliches Männerbild verkörpert.

Gesetz, Gestalt, Geist
Röm 8,1–11,
Pfingstsonntag
„Nimm hin den Heiligen Geist, Mehr…