Stilfragen
Predigt zu 1.Kor 2,12–16
Gott hat dich angenommen in Jesus Christus und dich neu geschaffen im Heiligen Geist, – dich, nicht eine Barbie-Puppe mit frommen Idealmaßen oder einen Ken, der ein angeblich christliches Männerbild verkörpert.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist aus dem 1. Brief des Paulus an die Korinther im 2. Kapitel:
12Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt,
sondern den Geist aus Gott,
dass wir wissen können,
was uns von Gott geschenkt ist.
13Und davon reden wir auch nicht mit Worten,
wie sie menschliche Weisheit lehren kann,
sondern mit Worten, die der Geist lehrt.
Wir deuten geistliche Dinge
für geistliche Menschen.
14Der natürliche Mensch aber
vernimmt nichts vom Geist Gottes;
es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen,
denn es muss geistlich beurteilt werden.
15Der geistliche Mensch aber beurteilt alles
und wird doch selber von niemandem beurteilt.
16Denn:
„Wer hat des Herrn Sinn erkannt,
oder wer will ihn unterweisen?“2
Wir aber haben Christi Sinn.
Lasst uns beten:
Komm, Heiliger Geist,
und mache die Worte des Apostels nach Korinth
zu einem Brief nach Christi Sinn,
so dass er unseren Sinn neu macht. — Amen
Liebe Brüder und Schwestern,
(1) Die Gemeinde in Korinth
was waren das für Menschen
in dieser ersten Gemeinde in Korinth?
Nicht viele Weise,
nicht viele Mächtige,
nicht viele Angesehene3
schreibt Paulus.
Das ist für ihn ein Beleg für Authentizität.
Er habe unter ihnen nichts gewusst,
„als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten“.4
Paulus ist nach Korinth gegangen,
hat er Jesus Christus verkündigt.
Er hat die Geschichte erzählt
von seinem Leben,
Tod
und Auferstehung.
Und das ohne rhetorische Tricks
und aufwendige Show,
sondern
in Schwachheit
und in Furcht
und mit großem Zittern;5
nach menschlichen Maßstäben nicht überzeugend.
Doch das Evangelium hat in Korinth Menschen angesprochen.
Nach den Maßstäben der Welt
mag die Gemeinde unter Durchschnitt sein,
aber das macht überhaupt nichts,
denn diese Gemeinschaft
basiert nicht auf einem weltlichen Anliegen,
sondern ihr Glaube steht auf Gottes Kraft.6
Der Geist,
der hier herrscht,
ist Gott selbst.
Dies ist der Geist, „der lebendig macht“7
und der weiß,
wie Gott in seinem Innersten wirklich ist.8
Paulus schreibt den Korinthern diese Dinge,
weil es Streit gegeben hat in der Gemeinde.9 –
Da geht es um sehr menschliche Dinge,
wie sie in jeder Gemeinschaft
und jeder Kirchengemeinde vorkommen. –
Bevor Paulus seinen Standpunkt darstellt,
erinnert er seine Gemeinde:
12Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt,
sondern den Geist aus Gott,
dass wir wissen können,
was uns von Gott geschenkt ist.
Paulus spricht kein Machtwort.
Statt dessen bestärkt er seine Gemeinde
im Hinblick auf ihre eigene Urteilsfähigkeit im Heiligen Geist.
Und er macht uns Mut,
zu unserer Meinung zu stehen:
15Der geistliche Mensch aber beurteilt alles
und wird doch selber von niemandem beurteilt.
Christus hat sich uns geschenkt.
Er hat uns angenommen
und obwohl wir Menschen sind,
ganz normal, in dieser Welt,
sind wir doch mit Gott verbunden.
„Wir haben Christi Sinn“,
schreibt Paulus.
Für den Konflikt in Korinth
wünscht er sich,
dass die Gemeinde auf Christus schaut
und nicht auf Menschen.
(2) Die Gemeinde in Frankfurt
Liebe Gemeinde,
im Kirchenblatt
„Evangelisches Frankfurt und Offenbach“
findet sich in der Mai-Ausgabe
eine ganze Seite über die Frage,
ob es angemessen sei,
zur Konfirmation bauchfrei oder in Jogginghose zu gehen.10
Die einen sagen dazu:
Die Kirche ist etwas besonderes.
Gerade bei der Konfirmation soll das zum Ausdruck kommen
und deswegen sollen die Konfis besonders angezogen sein.
Das war schon immer so.
Die anderen entgegnen:
Ich will mich nicht verkleiden.
Jesus geht die ganze Woche mit mir,
nicht nur am Sonntag
und nicht nur am Tag der Konfirmation.
Das ist ein geistliches Argument.
Ich kann beiden Standpunkten etwas abgewinnen.
Paulus schreibt über die Gnade,
die uns Gott geschenkt hat:
13Und davon reden wir auch nicht mit Worten,
wie sie menschliche Weisheit lehren kann,
sondern mit Worten, die der Geist lehrt.
Wir deuten geistliche Dinge
für geistliche Menschen.
Viel von dem,
was hier in der Kirche gesagt wird,
macht nach weltlichen Maßstäben nicht viel Sinn:
- „Der Herr sei mit euch“ –
„und mit deinem Geist“. - Kyrie eleison. – Herr, erbarme dich.
- So sehr hat Gott die Welt geliebt,
dass er seinen einzigen Sohn für sie gegeben hat. - „Dir sind deine Sünden vergeben“.
- „Dies ist der wahre Leib
und das wahre Blut
deines Herrn und Heilandes Jesus Christus
für dich dahingegeben
am Stamm des Kreuzes
zur Vergebung
aller deiner Sünden.
In diesem einen Satz steckt sehr viel Theologie,
aber ich glaube,
für unsere Alltagsplausibilität ist er so unverständlich,
da könnte ich Latein reden.
Diese Worte und Phrasen haben sich erhalten,
weil Menschen durch lange Zeiten hindurch
spezielle Worte für „geistliche Dinge“ angemessen fanden.11
Es gibt im Gottesdienst
alt-griechische,
hebräische
und aramäische Worte,
weil er geistlich ist.
Für geistliche Dinge
gebrauchen geistliche Menschen
solche Worte.
Das schließt andere ein Stück weit aus.
Wenn man neu in den Gottesdienst kommt
muss man eine Schwelle überwinden
und mit einem gewissen Maß an Fremdheit
und sogar an Frust umgehen.
Der Gottesdienst ist halt etwas Besonderes
und unterscheidet sich von der Welt.
Man kann es für passend halten,
sich besonders anzuziehen,
gerade bei der Konfirmation.
Wir sind aber alle Menschen
und als solche immer noch in der Welt.
Und das bedeutet,
dass wir dazu neigen,
weltliche Dinge für geistlich zu erklären.
Der Konfirmationsanzug
und das schicke Kleidchen sind –an sich–
nicht geistlich
oder biblisch.
Das gilt für die Musik in der Kirche auch:
In der Bibel steht keine einzige Note.
Es zählt nicht,
was bürgerlich schön oder schick ist,
weder bei der Kleidung
noch bei der Musik.
Im Einzelnen können die Lebensäußerungen des Glaubens
sehr unterschiedlich aussehen.
„Geistliche Worte für geistliche Menschen“
erkennt man daran,
dass sie Christus verkündigen.
(3) Der Frankfurter Christenmensch
Lieber Frankfurter Christenmensch,
du hast den Heiligen Geist!
Für viele Christen ist der Glaube mit Umkehr verbunden,
einer radikalen Lebenswende,
einer neuen privaten und öffentlichen Identität.
Christus reißt uns aus zerstörerischen Zusammenhängen –
die nennen wir „Sünde“ –
und pfropft uns in lebensförderliche Zusammenhänge ein.12
Das nennen wir „Gnade“.
Das ist ein geistlicher Vorgang.
Wie sich Gottes Gnade im Leben eines Menschen zeigt,
kann sehr unterschiedlich aussehen.
- Bei dem einen ist es äußerlich deutlich zu sehen.
Er änder seinen Lebensstil,
seine Kleidung,
seinen Umgang - Bei anderen sieht man an der Oberfläche nichts davon.
Er ändert viel mehr Gewohnheiten,
Haltungen
oder Perspektiven
Dein Glaube
findet in deinem Leben statt.
Gott hat dich angenommen in Jesus Christus
und dich neu geschaffen im Heiligen Geist, —
dich,
nicht eine Barbie-Puppe mit frommen Idealmaßen
oder einen Ken,
der ein angeblich christliches Männerbild verkörpert.
Als lutherische Christen glauben wir daran,
dass in und unter dem Brot und dem Wein
Christus real gegenwärtig ist.
Es ist ganz Brot
und es ist ganz Wein,
aber weil Christus uns zugesagt hat,
dass er so bei uns sein will,
glauben wir,
dass er im Sakrament leiblich unter uns ist. —
Genau so ist der „geistliche Mensch“,
von dem Paulus redet,
ganz Mensch, hier in dieser Welt.
Das kann uns zum Problem werden,
wenn man sich ganz an der Welt orientiert.
Dann redet Paulus davon,
dass wir „fleischlich“ seien.13
Damit meint er aber nicht unsere Leiblichkeit.
Die ist uns von Gott gegeben
und zu unserem Leib gehört auch,
was uns prägt und formt.
Unsere Prägungen und Herkunft bestimmen,
wie wir unseren Glauben zum Ausdruck bringen.
In der Gemeinde kann das schon mal zu Konflikten führen.
- Ich weiß,
dass in alten Zeiten
schon mal Briefe an den Pfarrer geschrieben wurden,
- weil Röcke für zu kurz
- und Absätze für zu hoch
erachtet wurden.
Die Verletzungen saßen tief. - Der Konfirmand aus meinem Beispiel
hätte sich mit seiner Jogginghose
unter Umständen eine Provokation ausgelöst,
ob absichtlich oder nicht.
Ich denke, man muss abwägen für sich.
Es ist geistlich legitim zu entscheiden:
- Ich ziehe mich (zur Konfirmation) so an,
dass ich keinen Anstoß errege. - Ich warte mit dem Comming Out,
bis meine frommen Großeltern tot sind.
Ein schwuler Enkel passt einfach nicht in ihre Welt.
Geistlich ist dies ein Ausdruck der Liebe,
die wir schenken,
weil Christus es uns befielt.14
Genau so legitim ist es, zu entscheiden:
Nein, ich stehe dazu,
wer ich bin und wie ich bin.
- Die Wahl meiner Klamotten,
- mein Lebensstil
- und die lackierten Fingernägel:
Das ist nicht verhandelbar.
Geistlich ist dies ein Ausdruck für die Liebe,
die Gott uns schenkt in Christus.15
Wer will verdammen?
Christus Jesus ist hier,
der gestorben ist,
ja vielmehr, der auch auferweckt ist,
der zur Rechten Gottes ist
und uns vertritt.16
Ihm sei Ehre und Preis, Lob und Anbetung im Heiligen Geist
von nun an bis in Ewigkeit. — Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.
1 1.Kor 1,3
2 Jes 40,13
3 Nach 1.Kor 1,26.
4 1.Kor 2,2
5 1.Kor 2,3
6 Vgl. 1.Kor 2,5.
7 Nicaenum, ELKG² S. 35.
8 Vgl. 1.Kor 2,11.
9 Vgl. 1.Kor 1,10ff.
10 Ausgabe 3, 21. Mai 2023, 47. Jahrgang, S. 4.
11 „Die geprägten Formen der Verkündigung, die vielen Menschen gerade in individualistisch dekomponierten Kulturen oft anstößig erscheinen, haben darin ihren Grund, dass die Verkündigung eben nicht aus den Kraftfeldern, die der Geist generiert, heraustreten kann [zitiert 2.Petr 1,21]“ – Michael Welker: „Gottes Geist“, Neukirchen 1993, S. 228.
12 Nach Röm 11,17ff.
13 Vgl. Schweizer: Art. ψυχικός, ThWNT Bd. IX, S. 664, z.St.
14 Vgl. Mt 22,37–40, par.
15 Vgl. Joh 3,16.
16 Röm 8,34
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Num 11,
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Gesetz, Gestalt, Geist
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Pfingstsonntag
„Nimm hin den Heiligen Geist, Mehr…