14:55

Das Schlaraffenland ist’s auch nicht
Predigt zu Num 11

153 Pfingstsonntag, 19. Mai 2024, Frankfurt

Das Volk hat materielle Sicherheit und soll sich an Gottes Gegenwart genügen lassen. Trotzdem meckern sie. Ich kenne das von mir selber auch. Wie geht Gott damit um?

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Der Abschnitt Heiliger Schrift,
den diese Predigt auslegt,
ist das 11. Kapitel des Buches Numeri.
Ich werde das Kapitel nacherzählen
und im Verlauf der Predigt einige Verse zitieren.

Lasst uns beten:
Herr Gott, Heiliger Geist,
komm in unserer Mitte
und sprich zu uns durch das Wort der Predigt,
denn du bläst das Alte davon
und schaffst das Neue
wo du atmest. — Amen

Liebe Schwestern und Brüder,
diese Predigt hat vier Teile.

(1) Erster Teil:
Weltmeister im Meckern

Das 11. Kapitel des Buches Numeri
hat einen starken Anfang:

1Das Volk beschwerte sich beim Herrn,
wie schlecht es ihm gehe.
Als der
Herr das hörte, geriet er in Zorn.
Sein Feuer brach unter ihnen aus.
Es setzte den Rand des Lagers in Brand.
2Da schrie das Volk zu Mose,
Mose betete für sie zum
Herrn,
und das Feuer erlosch.

Wir Deutschen sagen über uns gerne,
wir seien die Weltmeister im meckern.
Da kann man sich mit dem Volk Israel in der Wüste
richtig gut identifizieren:
Da haben sie die Rauchsäule Gottes vor Augen.
2
Gottes Anwesenheit unter ihnen ist sinnlich verbrieft.
Sie brauchen nur hingucken:

Da steht die Rauchsäule.
Gott ist mit uns!

Sie haben einen mehrfach
- bewährten
- und erwiesenen Propheten
in ihrer Mitte.
Wie schön wäre es,
wenn ab und zu,
- zur Bestätigung meiner Ordination durch die Kirche
- und meiner Berufung durch die Trinitatisgemeinde
ein kleines Wunder geschehen würde.
Vielleicht nicht gleich die Sache mit dem Zorn Gottes
und dem Feuer,
aber ich würde gerne mit meinem Stab
an einen Felsen klopfen
und es fließt Wasser.
Die Israeliten hatten das –
und sie meckern trotzdem.

Was ist es, was ihnen fehlt?

5Wir denken an die Fische,
die wir in Ägypten umsonst aßen,
und an die Kürbisse,
die Melonen,
den Lauch,
die Zwiebeln
und den Knoblauch.
6Nun aber ist unsere Seele matt,
denn unsere Augen sehen nichts als das Manna.

Die Bibel stellt klar:
Da waren Ausländer mit dem Volk mitgezogen.
Die waren „lüstern“, wie Luther schreibt,
und haben das Volk angestachelt zur Unzufriedenheit.
Die Botschaft ist klar:
Richtige Israeliten lassen sich an Gottes Gegenwart genügen.
Meckern tun die anderen.

Den Anspruch, der hier formuliert ist,
den kann ich 1:1 für uns übersetzen:

Richtige SELKies
lassen sich an Wort und Sakrament genügen.

Hier hast du die Gegenwart Gottes,
- hörbar,
- sichtbar,
- greifbar,
- essbar.
Das ist es, was dein Leben ausmacht.

Theologisch weiß ich,
dass das stimmt,
aber mir geht es trotzdem genau wie den Israeliten.
Ich lebe in der Gegenwart Gottes
und habe die materielle Sicherheit noch dazu.

  • Ich bin in der SELK.
    Hier gibt es rechtgläubige Predigt
    und der Einsetzung entsprechendes Sakrament.
  • Ich bin Deutscher.
    Hier gibt es keinen Hunger
    und ich habe auch im Leben noch nicht gefroren,
    weil es nicht anders ging.

Trotzdem frage ich mich mit den Toten Hosen:
„Warum werde ich nicht satt?“

Die Antwort ist theologisch klar:
Weil ich ein Sünder bin.

  • Der Wille Gottes in meinem Leben ist halbherzig umgesetzt.
  • Ich bin blind für Gott.
  • Ich bin tief drinnen
    nicht
    d’accord mit dem,
    was Gott für mich will.

Und jetzt?
Wie gehe ich damit um?
Wie geht Gott damit um?

(2) Zweiter Teil:
Eine Lösung

Moses betet zu Gott
und zwar um seiner selbst willen:
Das alles sei ihm zu schwer,
er kann das Volk nicht mehr alleine tragen.
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Das geht so weit,
dass Moses den Wunsch formuliert,
er wolle lieber sterben.
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Gott antwortet mit einer zweifachen Lösung:

(1)Erstens weist er Moses an,
70 Älteste aus dem Volk zu wählen.
Die Gemeinde Israel
bekommt einen Kirchenvorstand.

(2)Zweitens verspricht Gott,
das Volk mir Fleisch zu versorgen.

Moses folgt Gottes Anweisungen
und tritt mit dem Führungsgremium zusammen vor Gott.

In der Bibel heißt es:5

25Da kam der Herr hernieder in der Wolke
und redete mit ihm.

Und er nahm von dem Geist, der auf Moses war,
und legte ihn auf die siebzig Ältesten.

Und als der Geist auf ihnen ruhte,
gerieten sie in Verzückung wie Propheten
und hörten nicht auf.

26Es waren aber noch zwei Männer im Lager geblieben;
der eine hieß Eldad,
der andere Medad.
Und der Geist kam über sie,
denn sie waren auch aufgeschrieben,
jedoch nicht hinausgegangen zu der Stiftshütte,
und sie gerieten in Verzückung im Lager.

27Da lief ein junger Mann hin
und sagte es Mose und sprach:
„Eldad und Medad sind in Verzückung im Lager“.

28Da antwortete Josua, der Sohn Nuns,
der dem Mose diente von seiner Jugend an,
und sprach:
„Mose, mein Herr, wehre ihnen!“

29Aber Mose sprach zu ihm:
„Bist du um
meinetwillen empört?6
Wollte Gott, dass alle im Volk des
Herrn Propheten wären
und der
Herr seinen Geist über sie kommen ließe!

Gottes Lösung ist,
dass er die Kontaktfläche seines Geistes vergrößert.
Nicht mehr Moses allein trägt den Geist,
sondern siebzig weitere.

Die Frucht des Geistes ist
Liebe,
Freude,
Friede,
Geduld,
Freundlichkeit,
Güte,
Treue,
Sanftmut,
Enthaltsamkeit.
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Mit diesen Fähigkeiten ausgestattet
kann man es in der Wüste aushalten,
auch wenn es „nur“ Manna zu essen gibt.
Gott selbst schenkt die Erfüllung seiner Gebote.

Dabei bleibt Gott derjenige, der handelt.

  • Die beiden Männer,
    die zu Hause bleiben,
    kriegen den Geist,
    ob sie wollen,
    oder nicht.
  • Die Wirkung des Geistes
    ist gegen alle Erwartungen.

Von wegen lutherischer Hauptgottesdienst
mit harmlosen Chorälen:
Die siebzig geraten in Exthase.
Menschen, die sich für wichtig halten,
verlieren die Kontrolle.
Gott bewegt Menschen so, wie er das will.

Josua kriegt kalte Füße:

Moses,
mach,
dass sie sich wieder anständig benehmen!

„Ne“, sagt Mose, der Gott so nahe ist,

Wollte Gott, dass alle im Volk des Herrn Propheten wären
und der Herr seinen Geist über sie kommen ließe!

Wenn Gott seinen Geist über alle ausgießen würde,
würden die Früchte des Geistes uns regieren.

(3) Dritter Teil:
Das Schlaraffenland tut’s freilich auch nicht.

Das Märchen vom Schlaraffenland erzählt,
dass man sich durch einen Berg von Haferschleim essen muss,
um an einen Ort zu gelangen,
an dem es nur Fleisch und Faulenzen gibt.
Haferschleim ist Arme-Leute-Essen aus dem Mittelalter.
Man muss sich durch den Berg des faden Alltags fressen,
und darf am Ende seiner Tage
mit unendlichen (kulinarischen) Freuden rechnen.

In so einer Situation sehen sich die Israeliten.
Sie müssen sich durch den Berg an Manna fressen,
bis sie im gelobten Land angekommen sind.
Deshalb wollen sie
- das Fleisch
- und die Gewürze
- und das Gemüse aus Ägypten.

Da gibt Gott ihnen Fleisch
und zwar in Massen.

Wachteln kommen über das Lager,
in solch großer Menge,
dass das Volk überfordert ist.
Sie haben keine Kapazitäten,
das viele Fleisch zu konservieren.

Die Bibel berichtet,
dass eine Plage über das Volk kam,
„als aber das Fleisch noch zwischen ihren Zähnen war“.
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Es ist,
als wären die „Lüsternen“ im Volk
an Lebensmittelvergiftung gestorben.

Das Schlaraffenland ist nicht der Himmel.
Das Schlaraffenland ist die Hölle.

Das Fleisch,
das der Inbegriff von Leben und Lebensfreude sein soll,
bringt den Tod.
Das dicke essen ist nur ein billiger Ersatz für Leben.

Das wirkliche Leben ist im Geist.

Durch ihn wirst du satt,
- im Berg aus Haferschleim,
- im immer gleichen Manna
- und im grauen Alltag.

Genau deswegen betet Moses:

Wollte Gott, dass alle im Volk des Herrn Propheten wären
und der Herr seinen Geist über sie kommen ließe!

(4) Damit komme ich zum vierten Teil:
Sünder und Gerechtfertigter in Gottes Hand

Liebe Gemeinde,

Moses’ Gebet ist wahr heute geworden.

Apg 2,17Es soll geschehen in den letzten Tagen,
spricht Gott,
da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Volk
9;
eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen,
und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen,
und eure Alten sollen Träume haben;
18und auf meine Knechte und auf meine Mägde
will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen,
und sie sollen weissagen.

Wir sind Gottes Knecht und Mägde.
Über
uns hat er seinen Geist ausgegossen.
Wir
sind getauft.
Die Gemeinde hat gebetet um den Heiligen Geist
- bei deiner Konfirmation,
- bei deiner Einsegnung als Kirchenvorstand.
- Wir beten um den Heiligen Geist für die ganze Kirche.

Trotzdem gehöre ich zu beiden:

  • den Israeliten,
    die sich
    genügen lassen an Gottes Gegenwart
    und Manna.
  • Und ich gehöre zu denen,
    die Fleisch wollen,
    weil sie nicht satt werden
    und Mangel fühlen.

Die Bibel erzählt die Geschichte von Gottes Volk
als eine Geschichte von Menschen,
die immer wieder hadern mit ihrem Schicksal.
Immer wieder fallen sie ab von Gott.
Doch Gott lässt sie nicht.

Auch als Christenmenschen leben wir noch nicht im Himmel.
Viele finden sich schwer ab mit dem,
was Gott ihnen zugeteilt hat.

Wir sind beides:

  • Gerechtfertigt durch Christus,
    beschenkt mit dem Heiligen Geist,
  • und Sünder,
    die der Erlösung bedürfen.

Doch Gott lässt uns nicht.

Der sich den Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.
10

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!11 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Vgl. Kap 10,34.


3 Vers 14.


4 Vers 15.


5 Num 11, LUT 84.


6 Basis Bibel z.St.


7 Gal 5,22


8 Vers 33.


9 „Fleisch“ ruft im Zusammenhang dieser Predigt die falschen Bilder auf.


10 ELKG² 322,5 „Die Nacht ist vorgedrungen“


11 Phil 4,7


Manuskript zum Ausdrucken pdf, 859 KB)

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