13:31

„Tröstet euch untereinander“
Predigt zu 1.Thess 4,13–18

184 Osternacht, 19.4.2025, Frankfurt

Das letzte Wort bei einer Bestattung am Grab ist nicht an den Verstorbenen gerichtet, sondern an die „Übriggebliebenen, die Lebenden“. Dieser Predigtabschnitt verkündigt dort am Grab das Evangelium der Auferstehung.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist ein Abschnitt aus dem 1. Brief des Paulus
an die Thesselonicher im 4. Kapitel.
In der Übersetzung der Basis Bibel ließt sich das so:

13Brüder und Schwestern,
wir wollen euch nicht darüber in Unkenntnis lassen,
was mit den Verstorbenen geschieht.
Denn ihr sollt nicht um sie trauern
wie die anderen, die keine Hoffnung haben.

14Wir sind doch davon überzeugt,
dass Jesus gestorben und auferstanden ist.
Ebenso gewiss wird Gott die Verstorbenen
durch Jesus und gemeinsam mit ihm
aus dem Tod herausführen.

15Denn das sagen wir euch mit einem Wort,
das vom Herrn kommt:
Wir, die noch leben, wenn der Herr wiederkommt,
haben den Verstorbenen nichts voraus.

16Der Herr selbst wird vom Himmel herabsteigen,
wenn der Befehl ergeht,
die Stimme des Erzengels erklingt
und die Trompete Gottes ertönt.

Dann werden zuerst die Toten auferweckt,
die zu Christus gehören.
17Und danach werden wir, die dann noch am Leben sind,
zusammen mit ihnen weggeführt.

Wir werden auf Wolken in die Höhe emporgetragen,
um dem Herrn zu begegnen.
Dann werden wir für immer beim Herrn bleiben.

18So tröstet euch mit diesen Worten untereinander.2

Lasst uns beten:
Herr Jesus Christus,
lass dein Wort leuchten unter uns,
damit uns das Licht deiner Auferstehung scheint
und uns den Weg nach hause leuchtet.
— Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

(1) gedanklich stehen wir heute Morgen an einem Grab;
einem leeren Grab zwar,
aber an einem Grab.

Der Abschnitt,
den mir die Leseordnung auszulegen aufgibt,
lese ich normalerweise an einem offenen Grab.
Gerade wurde der Sarg eingesenkt.
Die Konduktleute haben sich ein letztes mal verbeugt
vor dem Entschlafenen.
Ich habe

Erde zu Erde,
Asche zu Asche
und Staub zu Staub

gesagt
und den letzten Segen über ihn gesprochen
auf dieser Seite der Ewigkeit:

Friede sei mit dir
von Gott + dem Vater
und dem Sohn
und dem Heiligen Geist.

Dann wende ich mich den Hinterbliebenen zu.
Der Schluss der Veranstaltung
ist ausschließlich uns gewidmet,
den Übriggebliebenen,
den Lebenden.

Ich zitiere uns die Paulusstelle,
die dieser Predigt zugrunde liegt.
Innerhalb dieser Liturgie am Grab
hat sie die Rolle des Evangeliums.
Der Osterglaube gibt den Hörern Kraft,
die sie brauche,
um sich gegenseitig zu stärken.

So tröstet euch mit diesen Worten untereinander.

Auf dieses Evangelium
antwortet die Gemeinde mit dem Glaubensbekenntnis:

Wer den Glauben der Christenheit teilt,
möge mit mir zusammen bekennen,
mit den Worten des apostolischen Glaubensbekenntnisses,
wie es auf dem Liedblatt abgedruckt ist:

Ich glaube an Gott,
den Vater, den Allmächtigen… —

Immer mal wieder,
wenn ich meine Mappe für eine Bestattung zusammenstelle,
überlege ich,
ob ich diesen Abschnitt für seine Rolle wirklich geeignet finde.
Die Stärke des Abschnitts ist,
dass er seinen starken Zuspruch
am Osterglauben der Christen festmacht.
Doch selbst mit Blick auf diejenigen Hinterbliebenen,
die eine christliche Bestattung wollten,
ist es oft gewagt,
den Osterglauben einfach vorauszusetzen.
Dabei ist der Abschnitt gekürzt
um die apokalyptische Vision.
Die würde wohl auch bei frommen Hörern
Fragen aufwerfen.

(2a) Liebe Gemeinde,
die Christen in Thessaloniki
erwarten die Wiederkunft des Herren
bald.
Also – „bald“, wie:
„Es könnte diese Woche noch passieren“. —

In manchen Familien
wird bei einem Familienfest
ein Platz mehr eingedeckt,
als Gäste erwartet werden.
Das ist der Platz für Jesus.
Sollte Jesus wiederkommen
während des Festes,
hat er einen Platz an unserem Tisch.
Nun ist kaum zu erwarten,
dass bei der Wiederkunft des Herrn
unser Leben einfach so weiter geht,
wie gewohnt.
Doch, erstens, ist Jesus bei uns willkommen,
und zweitens, leben wir in ständiger Erwartung,
dass dieses Wunder wirklich geschieht.
Wenn wir in jedem Moment damit rechnen,
dass Jesus gleich wiederkommen könnte,
setzt das alles in unserem Leben
in eine neue Perspektive.

Wenn wir nicht mit Jesus rechnen, gilt:

Lebe dein Leben so,
dass dein Aktion-Portfolio
den nächsten Börsen-Crash überstehen kann.

Wenn wir jeden Tag rechnen mit der Wiederkunft des Herrn,
dann

Lebe lebe so,
dass du jeden Moment Rechenschaft ablegen kannst
über deine Taten,
über dein Reden
und über dein Denken.

Wir müssen alle offenbar werden
vor dem Richterstuhl Christi.
3

Das Leben ist schön.
Jede Begegnung und jede Umarmung ist ein Geschenk.
Doch Sünde und Tod durchdringen unsere Wirklichkeit.
Jede Begegnung ist der Gefahr ausgesetzt,
im Streit zu enden.
Die Hände, die umarmen,
lassen sich zu Fäusten ballen.
Die Finger, die einen freundschaftlichen Händedruck schenken,
sind die selben,
die am Abzug abkrümmen.
In dieser Gemengelage
aus Freund’ und Leid,
Liebe und Hass,
scheint der Herr Christus.
Wenn wir jeden Tag mit der Wiederkunft des Herren rechnen,
heben wir unseren Blick über den Horizont der Welt
und es scheint uns das Licht des neuen Tages.

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.
Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom
Herrn,
der Himmel und Erde gemacht hat.
4

(b) Vor diesem Hintergrund fragen sich die Thessaloniker,
was denn mit denen sei,
die vor der Wiederkunft Christi verstorben sind.

Der Hintergrund scheint ein gewisser Kult um die „Übriggebliebenen“ zu sein.
In der Apokalyptik gab es die Erwartung,
dass die Welt mit schlimmen „Wehen“ zu Ende gehen werde.
Diejenigen aber, die bis zum Schluss durchhalten,
die „Übriggebliebenen“,
werden von Gott belohnt werden
und in sein Reich eingehen.
5
Darin ist eine Logik von einem himmlischen Lohn
für irdisches Selbstopfer versteckt.
Unser Leiden
nimmt den Platz ein
von Gottes Gnade.
Menschen nehmen mit dieser Logik Gottes Platz ein
und sehen dabei sehr fromm aus.
Sie schauen nicht auf das Licht hinter dem Horizont,
sondern senken den Blick auf die eigenen Füße.

Für die Christen in Thessaloniki
ergab sich daraus die Frage,
was mit ihren Verstorbenen sei.
Sie sorgen sich also um
Vater, Mutter, Onkel, Tante
und vielleicht schon um Geschwister.

Paulus weiß sie zu beruhigen:
Durch die Auferstehung Jesu
werden die Toten aus dem Tod gerissen
und den Lebenden gleichgestellt.

(c)

16Der Herr selbst wird vom Himmel herabsteigen,
wenn der Befehl ergeht,
die Stimme des Erzengels erklingt
und die Trompete Gottes ertönt.

Dann werden zuerst die Toten auferweckt,
die zu Christus gehören.
17Und danach werden wir, die dann noch am Leben sind,
zusammen mit ihnen weggeführt.

Wir werden auf Wolken in die Luft emporgetragen,
um dem Herrn zu begegnen.
Dann werden wir für immer beim Herrn bleiben.

Der aufgeklärte Mensch hält sich für klug,
zumindest für klüger
als die antiken Menschen vor der Aufklärung.
Damit haben wir auch in vielerlei Hinsicht recht:

  • Wolken sind kondensiertes Wasser.
    Niemand kann auf einer Wolke reisen.
  • Die Luft ist ein Gasgemisch,
    das die Atmosphäre bildet.
    Die wird nach oben immer dünner
    und dann kommt der Weltraum.
    Ist doch klar!

Für die ersten Hörer von Paulus’ Worten
markierten „Wolken“ und „Luft“
den Bereich des Unverfügbaren.
Gott hat das Kommando.
- Er erteilt den Befehl,
- seine Posaune gibt das Signal,
- die Stimme des Erzengels wiederholt seine Kommandos.
Es ist Gottes Reich,
das da kommt,
nicht unser Reich.
Was ist sein Reich für uns?

Dann,
[wenn das kommt],
werden wir für immer beim Herrn bleiben.

Begegnung und Gemeinschaft
mit Christus.

Das ist,
worauf das Himmelreich hinausläuft:
Gemeinschaft,
ohne Streit,
ohne Missverständnis
und ohne Hass.
Das ist für uns unverfügbar,
sondern wir können es nur geschenkt bekommen,
wenn ein Wunder geschieht
und der Herr vom Himmel kommt
auf einer Wolke.

(3) Ihr lieben,

14Wir sind doch davon überzeugt,
dass Jesus gestorben und auferstanden ist.

Die Auferstehung reicht aus der Vergangenheit
in unsere Gegenwart
und leuchtet noch für uns in der Zukunft.

Weder ist die Gegenwart bedeutungsloses Vorspiel der Zukunft,
noch die Zukunft Fortsetzung der Gegenwart ins Unendliche.
Die Gegenwart lebt von der Zukunft her,
die Zukunft empfängt aus der Gegenwart ihre Bedeutung.
6

Jesus Christus:
gestern
und heute
und derselbe auch in Ewigkeit.
7

Sein Leben, sein Tod und seine Auferstehung
reichen von der Vergangenheit in dein Leben jetzt und hier
und sie tragen dich und deine Lieben in die Zukunft –
und darüber hinaus.

So tröstet euch mit diesen Worten untereinander.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!8 Amen.

1 1.Kor 1,3


2Den letzten Satz übernehme ich aus LUT86 bzw. aus „meiner“ Bestattungsliturgie.


3 2.Kor 5,10


4 Ps 121,1–2


5 Vgl. Traugott Holtz, EKK 1.Thess, Zürich/Einsiedeln/Köln, Neukirchen 1986, S. 195.


6 Traugott Holtz, EKK 1.Thess, Zürich/Einsiedeln/Köln, Neukirchen 1986, S. 183, Einführung z.St.


7 Heb 13,8


8 Phil 4,7


Manuskript zum Ausdrucken pdf, 1.1 MB)

Weitere Predigten zu Osternacht:
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Joh 5,19–21, Osternacht

Jesus sagt, er gucke sich bei seinem Vater ab, wie er handelt. In der Predigt geht es um das Band der Liebe zwischen Vater und Sohn, das so stark ist, dass es bis zu uns reicht.

Mehr als heiße Luft
Jes 26,13–19, Osternacht

Der Herr Jesus Christus geht mit uns, wenn wir vom Alten ins Neue gehen: neue Situationen, neue Lebensumstände und Lebensabschnitte. Er ist uns in Allem vorausgegangen, sogar durch Leiden und Tod – und seine Auferstehung ist deine Auferstehung.