12:53

Mehr als heiße Luft
Predigt zu Jes 26,13–19

111 Osternacht, 8.4.2023, Frankfurt

Der Herr Jesus Christus geht mit uns, wenn wir vom Alten ins Neue gehen: neue Situationen, neue Lebensumstände und Lebensabschnitte. Er ist uns in Allem vorausgegangen, sogar durch Leiden und Tod – und seine Auferstehung ist deine Auferstehung.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Dieser Predigt liegt zu Grunde ein Wort des Propheten Jesaja,
aufgeschrieben in seinem Buch,
im 26. Kapitel:

13Herr, unser Gott,
es herrschen wohl andere Herren über uns als du,
aber wir gedenken doch allein deiner und deines Namens.

14Tote werden nicht lebendig,
Schatten stehen nicht auf;
denn du hast sie heimgesucht
und vertilgt und jedes Gedenken an sie zunichte gemacht.

15Du, Herr, mehrst das Volk,
du mehrst das Volk,
beweist deine Herrlichkeit
und machst weit alle Grenzen des Landes.

16Herr, wenn Trübsal da ist, so suchen wir dich;
wenn du uns züchtigst, sind wir in Angst und Bedrängnis.

17Gleich wie eine Schwangere, wenn sie bald gebären soll:
Sie ängstigt sich und schreit in ihren Schmerzen.
So geht’s uns auch,
Herr, vor deinem Angesicht.

18Wir sind auch schwanger,
und uns ist bange. —
Und wenn wir gebären,
so ist’s Wind.

Wir können dem Lande nicht helfen,
und Bewohner des Erdkreises können nicht geboren werden.

19Aber deine Toten werden leben,
deine Leichname werden auferstehen.
Wachet auf und rühmet, die ihr liegt unter der Erde!
Denn ein Tau der Lichter ist dein Tau,
und die Erde wird die Toten herausgeben.

Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege!2 — Amen

Liebe Brüder und Schwestern!

(1) Svetlana ist Kassiererin bei einer großen Kaufhaus-Kette.
Kaufhäuser sind nicht mehr
en vougue.
Es geht durch die Medien,
dass der Konzern strauchelt
und die Schließung ihrer Filiale steht im Raum.

Svetlana ist alleinerziehende Mutter.
Sie hat zwei Kinder im Teenager-Alter.
Die sind schon sehr selbständig,
denn das müssen sie auch sein.

Sie fragt sich,
wie es weitergehen soll,
wenn sie ihren Job verliert.
Wird sie ihren Dienstplan weiter so gestalten können,
dass sie das Leben mit ihren Kindern
auf die Reihe kriegt?
Wird das Geld reichen für drei Personen?

Und in alle dem ist sie wütend.
Es ärgert sie,
dass sie keine Kontrolle hat über ihr Leben.
Immer sind es andere Menschen und Kräfte,
die ihr Leben beherrschen:

  • die alten, weißen Männer in der Filialleitung
    und in der Konzernspitze;
  • die allgegenwärtige Macht des Marktes,
    dass alles immer billiger und immer schneller sein muss.
    Ihre Erfahrung und Expertise sind nichts mehr wert.

Für Svetlana ist es gut zu wissen,
dass es einen Herren gibt,
der über allen diesen Kräften und Gewallten steht.
Sie glaubt an einen Gott,
der im Himmel die Macht hat
und ihr in Christus ganz nahe ist.

13Herr, unser Gott,
es herrschen wohl andere Herren über uns als du,
aber wir gedenken doch allein deiner und deines Namens.

Die Menschen,
für die der Prophet Jesaja einst gesprochen hat,
waren die Verlierer eines Krieges.
Sie wurden von den Siegern als Arbeiter verschleppt.
Sie haben jeden Tag am eigenen Leib erfahren,
was es heißt,
machtlos zu sein
und ausgeliefert zu sein.
Für sie war es Evangelium zu hören,
dass Gott der Herr über das Leben ist
und über den Tod:

14Tote werden nicht lebendig,
Schatten stehen nicht auf;
denn du hast sie heimgesucht
und vertilgt und jedes Gedenken an sie zunichte gemacht.

Für sie heißen diese Worte:
Gott war es, der diese Niederlage zugelassen hat.
Unser Gott schenkt Sieg und Niederlage,
Tod und leben.
Die Mächte dieser Welt – 
sie kuschen, wenn er seine Stimme erhebt.

(2) In der Konzernzentrale
von Svetlanas Arbeitgeber
finden Verhandlungen statt.
Ein alter, weißer Mann zu sein,
wird landläufig überschätzt.
Wenn man mit noch älteren,
noch weißeren,
noch mächtigeren Männern zusammen sitzen muss,
macht das alles keinen Spaß.

Das Lebenswerk des Konzernchefs
wird in einer Excel-Tabelle
als eine einzelne Zahl dargestellt:
in rot.
Sein Leben ist ein Defizit.

Die Gehälter von Svetlana und ihren Kollegen, –
ihre Lebensgrundlage, –
sind auch eine Zahl in dieser Tabelle:
in rot,
ein Kostenpunkt.

Aber Lebenswerk und Lebensgrundlage sind hier kein Thema.
Die Männer,
die hier das Sagen haben,
dienen nur einem Herren:
dem Profit.
Sie sind die Priester nur einer Göttin:
der Dividende.

Die Verhandlungen dauern bis tief in die Nacht.
Irgendwann springt der Konzernchef auf und ruft:

Wir reden schon seit sechs Stunden,
aber alles, was dabei herauskommt,
ist heiße Luft!

Als die Israeliten in Babylon im Exil saßen,
haben sie mit Sicherheit auch zusammengesessen.
Irgendwann hatte man sich eingerichtet
und traf sich abends zum Stammtisch.
Da ging es dann hoch her.
Die Menschen hatten ein Trauma zu verarbeiten:
- einen verlorenen Krieg,
- Trauer über gefallene Angehörige,
- die Verschleppung,
- ein Neuanfang in der Fremde.
Sie sitzen zusammen und träumen von früher:

Man hätte damals mal besser… 

Wenn wir das anders gemacht hätten,
dann
wäre es bestimmt gut ausgegangen… 

Würde man dieses oder jenes… 

Schmerz und Klage spricht aus diesen Worten.
Doch viel mehr als heiße Luft
entsteht am Stammtisch auch nicht.

Jesaja weiß um diese Gefühle seiner Mitmenschen.
Doch dem Propheten reicht die Bestandsaufnahme nicht aus.

17Gleich wie eine Schwangere, wenn sie bald gebären soll:
Sie ängstigt sich und schreit in ihren Schmerzen.
So geht’s uns auch,
Herr, vor deinem Angesicht.

18Wir sind auch schwanger,
und uns ist bange. —
Und wenn wir gebären,
so ist’s Wind.

Wir können dem Lande nicht helfen,
und Bewohner des Erdkreises können nicht geboren werden.

19Aber deine Toten werden leben,
deine Leichname werden auferstehen.

Gott ist der Herr über Leben und Tod
und wenn wir neues Leben suchen,
finden wir es bei ihm.

Als Christen glauben wir,
dass Gottes Treue auch für uns gilt.
Viele Christen haben Jesajas Worte gehört
und darin Jesus Christus wahrgenommen.
Deswegen kommt der Prophet noch heute ganz oft
in unseren Gottesdiensten vor.

Wenn Jesaja zu Gott betet:

19Deine Toten werden leben,
deine Leichname werden auferstehen.

Dann will er seinen Zeitgenossen Mut zusprechen.
Er tut das im Namen Gottes.

Vielleicht redet er in-und-unter diesen poetischen Gedanken
von Jesus Christus,
- der gestorben ist
- und auferstanden
- und der lebt,
- hier mitten unter uns.
Ganz sicher aber dürfen wir wir an diesem Glauben teilhaben,
dass Gott der Herr des Lebens ist.
Er schenkt uns Hoffnung und neues Leben, —
gerade dann,
wenn wir es am nötigsten brauchen.

(3) Für Jesaja und seine Zeitgenossen
bedeutete das,
neue Formen des Gottesdienstes zu finden.
Sie konnten nicht mehr nach Jerusalem zum Tempel pilgern.
Doch sie fanden in Gottes Wort
sein Gegenwart
und neues Leben.
Gottes Wort ist eben nicht nur heiße Luft. —

Die Verhandlungen für den Kaufhaus-Konzern gehen gut aus.
Der Konzernchef steht weiter zu seinem Lebenswerk
und Svetlana und ihre Kollegen
bleiben angestellt.
Ein „Rettungsschirm“ heißt das heutzutage.

Svetlana ist aber auch klar,
dass sie für neue Wege offen sein muss.
Sie wird nach einem neuen Arbeitsplatz umschauen
und gucken,
ob und wie sie sich weiterbilden kann.
Ihr Gaube gibt ihr Kraft für ein neues Leben –
- in einer neuen Situation
- und unter neuen Bedingungen.

Wir sind auf unserem Weg nicht allein.
Der Herr Jesus Christus geht mit uns
und er ist uns in allem vorausgegangen:
- Er hat gelitten,
- er wurde gekreuzigt,
- er ist gestorben.
Durch seine Auferstehung hat er das Leben wiedergebracht.
3
Dieses Leben trägt uns schon hier in der Welt,
wenn wir neu werden
und uns entwickeln.

Auf diese Weise
haben wir jetzt schon das Leben der kommenden Welt,
wo der Vater selbst
und alle Tränen abwischt
und es keinen Tod mehr gibt.

Amen.

P: Der Herr ist auferstanden.
G: Er ist wahrhaftig auferstanden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Ps 119,105


3 Vgl. Präfation zum Osterfest, Agende I, S. 88.