16:22

David verschont Saul
Predigt zu 1.Sam 24

156 4. So. n. Trinitatis, 23. Juni 2024, Frankfurt

Davids Herz ist auf Gott ausgerichtet. Deswegen tut er gut daran, auf sein Herz zu hören und den König zu verschonen; den König, dessen Thron er nach Gottes Willen einst besitzen wird.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
das 24. Kapitel des 1. Buch Samuel.
Ich werde das Kapitel als Predigt vorlesen
und abschnittsweise erläutern.

Lasst uns beten:
Herr Gott, himmlischer Vater, sende deinen heiligen Geist,
damit wir in Davids Geschichte mit dir
unsere Lebensgeschichte wiederfinden. — Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

(Einleitung)

mir fällt heute morgen die Aufgabe zu,
eine Geschichte aus der Bibel zu besprechen.
Die Geschichte ist so lang,
dass ich normalerweise sagen würde:

Ich habe die halbe Predigt fertig.

Deshalb habe ich mich entschlossen,
die Geschichte vorzulesen –
und zwar mit Pausen,
in denen ich etwas dazu sage. —

Der 4. Sonntag nach Trinitatis
ist überschrieben mit:

Die Gemeinde der Sünder.

Diese Überschriften kommen vom Evangelium her.
Christus spricht:

Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge,
aber den Balken in deinem Auge siehst du nicht.

In der Gemeinschaft der Sünder
sind wir alle gleich –
und gleich blind.
Deswegen sagt uns Jesus:

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.

Da stecken zwei Dinge drin:
(1) Barmherzigkeit und Milde sollen uns untereinander leiten,
(2) denn am Ende sind wir alle auf Gottes Gnade angewiesen.

Die Geschichte heute Morgen handelt von David und Saul.
Die passen beide gut unter „Die Gemeinde der Sünder“.

  • Saul ist der erste König Israels.
    Von Gott erwählt, aber glücklos.
    Er hat auch so etwas wie eine Begabung,
    sich das Leben schwer zu machen.
  • David wird sein Nachfolger als König werden.
    Ihm sagt Gott zu, dass er eine Dynastie aufbauen wird.
    Alle Könige Israels,
    auch noch König Herodes,
    hat für sich reklamiert, Sohn Davids zu sein.

Unsere Geschichte findet die beiden in einer Situation,
in der Saul schon weiß,
dass sein Königtum an David gehen wird.

Er weiß,
was Gott für ihn vorgesehen hat.
Doch wie jeder Sünder kämpft er gegen Gott an.

Wir fallen immer in die selben Muster.
In Sauls Fall ist das Muster Gewalt.
Er hat sich in den Kopf gesetzt,
dass er seinen eigenen Willen durchsetzen kann,
wenn er nur David aus dem Weg räumt.

Saul stellt David nach, um ihn zu ermorden.

David flieht vor Saul.
Er wird begleitet von einer Gruppe kampferprobter Söldner.

So berichtet uns das 1. Buch Samuel im 24. Kapitel:

(1)

1Und David zog (von dort) hinauf
und blieb in den Bergfesten bei En-Gedi.
2Als nun Saul zurückkam von der Verfolgung der Philister,
wurde ihm gesagt:

Siehe, David ist in der Wüste En-Gedi.

3Und Saul nahm
3.000 auserlesene Männer aus ganz Israel
und zog hin,
David samt seinen Männern zu suchen,
in Richtung auf die Steinbockfelsen.

4Und als er kam zu den Schafhürden am Wege,
war dort eine Höhle,
und Saul ging hinein, um seine Füße zu decken.
David aber und seine Männer saßen hinten in der Höhle.

5Da sprachen die Männer Davids zu ihm:

Siehe, dies ist der Tag, von dem der Herr zu dir gesagt hat: „Siehe, ich will deinen Feind in deine Hände geben,
dass du mit ihm tust, was dir gefällt“. —

Was eine Situation!
David und seine Leute
müssen sich in der Höhle verborgen haben,
als sie den Heerestross Sauls haben kommen sehen.
3.000 Mann,
die kann man in der Wüste auch nicht verstecken.

David,
ein geschickter Stratege,
hat gesehen, dass er da nichts gewinnen kann.
Er wollte die an sich vorbeiziehen lassen.

David und seine Leute sitzen also in dieser Höhle
und schaut sich das Heer vom Eingang aus an.
Da sehen sie Saul auf sich zukommen.
Eine kleine Abordnung seiner Leibgarde begleitet ihn. —

Im Film wäre diese Szene hoch-spannend!
Saul geht einige Schritte in die Höhle.
Der König guckt sich um.
Er sieht die Rücken seiner Leibgarde als Silhouetten
gegen das Sonnenlicht draußen.
Er wirft einen Blick in die Dunkelheit der Höhle.
David greift das Heft seines Schwertes.

Doch der König denkt, er wäre allein.
Er fängt an,
sein Gewand zu reffen und zu ordnen.
Er geht in die Hocke
und beginnt zu tun,
was er zu tun gekommen ist:
Er will seine menschliche-allzu-menschliche Notdurft verrichten.

Für uns als Publikum,
die das erzählt kriegen,
hat diese Szene einen komischen Beigeschmack.
Irgendwie ist es schon witzig,
aber es ist auch viel Gewalt im Spiel. —
Darf man an dieser Stelle lachen?

Davids Leuten ist das egal.
Sie sehen ihre Chance,
der Schlange den Kopf zu zertreten.
Die stupsen David in die Seite:

Los, los!

Siehe, dies ist der Tag, von dem der Herr zu dir gesagt hat: „Siehe, ich will deinen Feind in deine Hände geben,
dass du mit ihm tust, was dir gefällt“.

Das heißt:

Es ist doch offensichtlich, was hier passiert:
Gott will, dass du ihn tötest!
Er hat dir den Sieg in deine Hände gegeben!

(2) So erzählt die Bibel weiter:

Und David stand auf
und schnitt leise einen Zipfel vom Rock Sauls.

6Aber danach schlug ihm sein Herz,
dass er den Zipfel vom Rock Sauls abgeschnitten hatte,
7und er sprach zu seinen Männern:

Das lasse der Herr ferne von mir sein,
dass ich das tun sollte
und meine Hand legen an meinen Herrn,
den Gesalbten des
Herrn;
denn er ist der Gesalbte des
Herrn.

8Und David wies seine Männer von sich mit harten Worten
und ließ sie sich nicht an Saul vergreifen.

David schneidet ein Stück von Sauls Gewand ab.
Aber dieser Schatten von Gewalt reicht schon,
um eine körperliche Reaktion bei ihm auszulösen.
Sein Herz fängt an wild zu schlagen.
Das heißt,
sein Herz, seine Mitte, sein Zentrum,
ist so nah bei Gott,
dass er sich nicht am Gesalbten Gottes vergreifen kann.

Saul ist König.
Er ist von Gottes Gnaden.
David hat das zu respektieren,
auch wenn er längst weiß, dass er einst König sein wird.
Seine Zeit wird kommen, aber sie ist jetzt noch nicht.
Das gilt selbst dann,
wenn es ihn etwas kostet.
Immerhin trachtet dieser König Gottes
David nach dem Leben.

Wir Menschen laufen unseren Weg,
jeder einzelne von uns mit dem Stachel im Auge.
Da kann es natürlich passieren,
dass wir unseren Willen
mit dem Willen Gottes in Konflikt bringen.

David hat aber nicht seinem Auge vertraut
und nicht seiner Hand:

„Siehe, ich will deinen Feind in deine Hände geben“,

David hat auf sein Herz gehört.
Sein Herz war auf Gott eingestellt.

Das macht David zum Helden dieser Geschichte
und zu einem Vorbild im Glauben.
Er ist ein Sünder, wie wir alle,
und auch einer, der ab und zu
richtig daneben greift.
Doch am Ende des Tages bleibt er auf Gott ausgerichtet.

Die Frage ist nicht, ob wir Sünder sind, oder nicht.
Die Frage ist, wie gehen wir damit um, dass wir Sünder sind.
Schauen wir dann auf Gott,
finden wir Barmherzigkeit und Gnade,
Barmherzigkeit, die wir weitergeben
und Gnade, die uns die Augen öffnet.

(3) Die Geschichte Endet mit diesem Dialog
zwischen David und Saul.
Das ist der letzte und der längste Abschnitt:

Als aber Saul sich aufmachte aus der Höhle
und seines Weges ging,
9machte sich auch David auf ihm nach.
Er ging aus der Höhle
und rief Saul nach
und sprach:

Mein Herr und König! —

Saul sah sich um.
Und David neigte sein Antlitz zur Erde und fiel nieder.

10Und David sprach zu Saul:

Warum hörst du auf das Geschwätz der Menschen,
die da sagen:
„David sucht dein Unglück?“

11Siehe, heute haben deine Augen gesehen,
dass dich der
Herr in meine Hand gegeben hat
in der Höhle,
und man hat mir gesagt,
dass ich dich töten sollte.
Aber ich habe dich verschont;
denn ich dachte:
„Ich will meine Hand nicht an meinen Herrn legen;
denn er ist der Gesalbte des
Herrn“.

12Mein Vater,
sieh doch hier den Zipfel deines Rocks in meiner Hand!
Ich schnitt den Zipfel von deinem Rock
und tötete dich nicht.
Daran erkenne und sieh,
dass meine Hände rein sind
von Bosheit und Empörung [wider dich].

Ich habe mich nicht an dir versündigt;
aber du jagst mir nach, um mir das Leben zu nehmen.

13Der Herr wird Richter sein zwischen mir und dir
und mich an dir rächen,
aber meine Hand soll dich nicht anrühren;
14wie man sagt nach dem alten Sprichwort:
„Von Bösen kommt Böses“;
aber meine Hand soll dich nicht anrühren.

15Wem zieht der König von Israel nach?
Wem jagst du nach?
Einem toten Hund, einem einzelnen Floh!

16Der Herr sei Richter und richte zwischen mir und dir
und sehe darein
und führe meine Sache,
dass er mir Recht schaffe wider dich!

17Als nun David diese Worte zu Saul geredet hatte,
sprach Saul:

Ist das nicht deine Stimme, mein Sohn David?

Und Saul erhob seine Stimme und weinte
18und sprach zu David:

Du bist gerechter als ich,
du hast mir Gutes erwiesen;
ich aber habe dir Böses erwiesen.
19Und du hast mir heute gezeigt,
wie du Gutes an mir getan hast,
als mich der
Herr in deine Hände gegeben hatte
und du mich doch nicht getötet hast.
20Wo ist jemand, der seinen Feind findet
und lässt ihn mit Frieden seinen Weg gehen?
Der
Herr vergelte dir Gutes für das,
was du heute an mir getan hast!

21Nun siehe, ich weiß,
dass du König werden wirst
und das Königtum über Israel
durch deine Hand Bestand haben wird.
22So schwöre mir nun bei dem Herrn,
dass du mein Geschlecht nach mir nicht ausrotten
und meinen Namen nicht austilgen wirst
aus meines Vaters Hause.

23Und David schwor es Saul.
Da zog Saul heim.
David aber mit seinen Männern zog hinauf auf die Bergfeste.

Welch ein starkes Echo besteht zwischen dieser Geschichte
und der Epistel, die wir heute gehört haben:

17Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.
Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. […]
19Rächt euch nicht selbst, meine Lieben,
sondern gebt Raum dem Zorn Gottes [.]

Vielmehr,
„wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen;
dürstet ihn, gib ihm zu trinken.
Wenn du das tust,
so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln“.
2

21Lass dich nicht vom Bösen überwinden,
sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Das ist genau das, was David tut.

Paulus,
der eigentlich Saulus hieß,
wird unter seinen jüdischen Freunden
diesen Namen mit Stolz getragen haben.
David hat sich an sein Versprechen gehalten.
Noch heute nennen Menschen ihre Söhne Saul.
Der Name des erste Königs Israels,
ist nie zu einem Schimpfwort geworden.
Und das, obwohl er oft glücklos geblieben ist
und keine Dynastie hat gründen können,
wie David.

Paulus predigt Jesus Christus,
Davids Sohn.
In ihm hat Gott uns sein Herz geöffnet.
Auf ihn sollen wir vertrauen. —

Ja, das ist gleichzeitig das Leichteste
und das Schwerste im Leben.

Deswegen sagt Jesus auch zu uns:

Ich aber habe für dich gebeten,
dass dein Glaube nicht aufhöre.
3

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!4 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Sprüche 25,21–22.


3 Lk 22,32


4 Phil 4,7


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