11:49

Schlachtschiff und Walzer
Predigt zu Mt 27,33–54

146 Karfreitag, 29.3.2024, Frankfurt

Es ist schon verkehrte Welt: Wir suchen die Wahrheit da, wo es weh tut. Wir vermuten Authentizität da, wo es nicht zu schön ist. Doch Gott lässt sich auf uns ein. Er kommt in unsere verkehrte Welt und redet so, dass wir es verstehen.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Diese Predigt legt das Evangelium aus,
das wir gerade gehört haben,
die Todesszene bei Matthäus.

Lasst uns beten:
Herr Gott, himmlischer Vater,
mit Schrecken schauen wir auf das Kreuz,
mit Grusel gehen wir nach Golgatha.
Geh du mit uns.
Öffne uns die Augen,
damit wir glauben,
dass dein Werke gut sind.
Öffne uns die Ohren,
dass wir dein Evangelium hören.
— Amen

Liebe Brüder und Schwestern,

(1) Der österreichische Schauspieler Christoph Waltz
hatte einigen Erfolg in Hollywood.
Nun wurde er in eine Talkshow eingeladen
und der amerikanische Talkmaster fragt ihn,
was der Unterschied sei
zwischen einem Deutschen und einem Österreicher.
2
Waltz antwortet,
das sei der selbe Unterschied
wie zwischen einem Schlachtschiff und einem Walzer.

Wir Deutschen sind das Schlachtschiff.

Waltz meint,
die Deutschen seien immer so direkt,
wie gepanzert,
aber ohne Anmut,
ohne Melodie und Rhythmus.

Die Österreicher dagegen,
machen sich das Leben angenehm.
Erstens: Sie sind sehr, sehr höflich.
Zweitens: Sie meinen es nicht ehrlich.

Ich persönlich glaube,
innerhalb von Deutschland
gibt es erhebliche kulturelle Unterschiede.
Ich bin ja Westfale.
Und für mich stimmt das schon irgendwie.

Der Westfale ist vom Grundsatz her ein Bergmann.
Seit mind. 40 Jahren
sind natürlich nur noch die wenigsten Menschen Bergleute,
aber im Geiste schwingt das noch immer mit.
Im Pütt musste brüllen,
damit man dich neben den Maschinen hört.
Die Arbeit ist gefährlich
und da braucht es eine klare Ansage.

  • Wenn dann einer zu nett ist, ist er ein Heuchler.
  • Wenn du einen nach seiner Meinung fragst
    und es tut nicht weh,
    dann lügt er.

Aber es ist schon auch verkehrte Welt:
Ehrlichkeit, Authentizität, ja Wahrheit,
sucht man da, wo es weh tut.

(2) So spricht Johannes der Täufer zum Volk Gottes:

Mt 3,7Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiß gemacht,
dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?
8Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße!
9Denkt nur nicht, dass ihr bei euch sagen könntet:
„Wir haben Abraham zum Vater.“
Denn ich sage euch:
Gott vermag dem Abraham
aus diesen Steinen Kinder zu erwecken.

10Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt.
Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt,
wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

11Ich taufe euch mit Wasser zur Buße;
der aber nach mir kommt, ist stärker als ich,
und ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen;
der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.

12Er hat seine Worfschaufel in der Hand;
er wird seine Tenne fegen
und seinen Weizen in die Scheune sammeln;
aber die Spreu wird er verbrennen
mit unauslöschlichem Feuer.

Da kommen Menschen
- aus den Bauerndörfern,
- aus der Hauptstadt Jerusalem
- und aus ihren feinen Vororten.
Sie gehen in die Wüste
und sie wollen sich nicht
- die Landschaft angucken
- oder ein Rohr, das sich im Wind bewegt,
- oder Leute in feinen Kleidern
3,
sondern sie suchen einen Propheten.
Sie suchen einen, der ihnen die Wahrheit sagt.

Johannes hält eine scharfe Bußpredigt.

Die Axt ist den Bäumen schon an die Wurzel gelegt.

Das Gericht wird kommen.
Vor Gott werden wir alle gleich sein.
Die Unterschiede in der Welt werden eingeebnet werden
wie die Straße,
die der Rufer in der Wüste
4
dem Herren bahnt.
Es werden alle gleich sein
und ich werde erkennen,
wie ich erkannt worden bin.
5

Die Menschen gehen in die Wüste,
weil sie die Wahrheit suchen;
die nackte,
ungeschönte,
direkte Wahrheit.
Sie glauben, dass Johannes in Gottes Namen redet.

Es ist verkehrte Welt:
Die Menschen hören
in den Zwischentönen der Bußpredigt
das Evangelium von der Gnade Gottes.

(3) Wir haben heute Morgen einen Abschnitt
aus dem Evangelium nach Matthäus gehört. —

Evangelium? — 

Das ist doch eher eine Gruselgeschichte.
Wir gehen zur Schädelstätte.
Dort wird ein Mann grausam hingerichtet, den wir lieben.
Wir hören den ätzenden Hohn seiner Verfolger.
Wir riechen den Gestank der Verwesung
und die Galle im Wein macht es nicht besser.
Dann zerreißt der Vorhang im Tempel von oben nach unten,
von Gott her zu uns.
Dunkelheit fällt über das Land, mitten am Tag.
Die Gräber tun sich auf
und Tote wandeln durch die Heilige Stadt.

Was suchen wir in dieser Geschichte?
Welche Wahrheit erwarten wir zu erfahren?

Dazu setzen wir uns vor den nackten Altar.
Der Gottesdienst ist möglichst schlicht gestaltet:
minimale Zeremonie,
minimaler Gesang.

Es ist verkehrte Welt:
Das Evangelium gruselt
und die Herrlichkeit Gottes
verbirgt sich unter ihrem Gegenteil.

(4) Liebe Gemeinde,
Gott ist in diese verkehrte Welt gekommen.
Er hat ein fremdes Werk angenommen:
Zorn und Strafe,
was zu dieser Welt passt.

  • Gott spricht zu uns im Befehlston des Gesetzes,
    wenn das unser Leben fördert.
  • Gott verbirgt sein Wort der Barmherzigkeit
    unter einer Bußpredigt,
    wenn das ist,
    was wir Menschen hören müssen.
  • Er malt uns seine Liebe vor Augen
    mit den Farben des Grauens,
    wenn wir so einsehen,
    wie wertvoll wir ihm sind.

Amen.

Herr, stärke mich,
dein Leiden zu bedenken,
mich in das Meer der Liebe zu versenken,
die dich bewog, von aller Schuld des Bösen
uns zu erlösen.
6

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!7 Amen.

Offene Schuld

P: Lasst uns miteinander vor Gott bekennen,
dass wir gesündigt haben
mit Gedanken, Worten und Werken,
auch aus eigener Kraft
uns von unserem sündigen Wesen nicht erlösen können.
Darum nehmen wir Zuflucht
zu der grundlosen Barmherzigkeit Gottes,
unseres himmlischen Vaters,
begehren Gnade um Christi willen
und gemeinsam sprechen:

G: Gott sei mir Sünder gnädig.
Der allmächtige Gott erbarme sich unser,
er vergebe uns unsere Sünde und führe uns zum ewigen Leben. Amen.

P: Der allmächtige, barmherzige Gott
hat sich unser erbarmt,
seinen einzigen Sohn für unsere Sünde in den Tod gegeben
und um seinetwillen uns verziehen,
auch allen denen,
die an seinen Namen glauben,
Vollmacht gegeben, Gottes Kinder zu werden
und ihnen seinen heiligen Geist verheißen.

Wer da glaubt und getauft wird,
der wird selig werden.
Das verleihe Gott uns allen.

G: Amen.

1 1.Kor 1,3


2Christoph Waltz On The Difference Between Germans & Austrians | CONAN on TBS https://www.youtube.com/watch?v=F5T2-u5WJH8&t=62s


3 Vgl. Lk 7,24f.


4 Vgl. Jes 40,3; Mt. 3,3; Mk 1,3; Lk 3,4 und Joh 1,23.


5 Vgl. 1Kor 13,12.


6 ELKG² 422,1


7 Phil 4,7


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