14:22

Der Bund der Freundschaft
Predigt zu Joh 13,1–20.34

145 Gründonnerstag, 28.3.2024, Frankfurt

Jesus leistet seinen Jüngern einen Freundschaftsdienst, er wäscht ihnen die Füße. Dies gibt er uns als neues Gebot. Was heißt das für unser Leben?

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist der Anfang des 13. Kapitels
im Evangelium nach Johannes:

1Vor dem Passafest aber erkannte Jesus,
dass seine Stunde gekommen war,
dass er aus dieser Welt ginge zum Vater;
und wie er die Seinen geliebt hatte,
die in der Welt waren,
so liebte er sie bis ans Ende.

2Und beim Abendessen,
hatte schon der Teufel dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot,
ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten.
3Jesus aber wußte,
dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte
und dass er von Gott gekommen war
und zu Gott ging.

4Da stand er auf vom Mahl,
legte sein Obergewand ab
und nahm einen Schurz und umgürtete sich.
5Danach goß er Wasser in eine Schüssel
[und] fing an, den Jüngern die Füße zu waschen,
und er trocknete sie mit dem Schurz,
mit dem er umgürtet war.

6Da kam er zu Simon Petrus;
der sprach zu ihm:

Herr, solltest du mir die Füße waschen?

7Jesus antwortete und sprach zu ihm:

Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht;
du wirst es aber hernach erfahren.

8Da sprach Petrus zu ihm:

Niemals sollst du mir die Füße waschen!

Jesus antwortete ihm:

Wenn ich dich nicht wasche,
so hast du kein Teil an mir.

9Spricht zu ihm Simon Petrus:

Herr, nicht die Füße allein,
sondern auch die Hände und den Kopf!

10Spricht Jesus zu ihm:

Wer gewaschen ist, bedarf nichts,
als dass ihm die Füße gewaschen werden;
denn er ist ganz rein.

Und ihr seid rein, aber nicht alle.

11Denn er kannte seinen Verräter; darum sprach er:

Ihr seid nicht alle rein.

12Als er nun ihre Füße gewaschen hatte,
nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder
und sprach zu ihnen:

Wißt ihr, was ich euch getan habe?
13Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht,
denn ich bin’s auch.
14Wenn nun ich, euer Herr und Meister,
euch die Füße gewaschen habe,
so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen.

15Ein Beispiel habe ich euch gegeben,
damit ihr tut, wie ich euch getan habe. […]

34Ein neues Gebot gebe ich euch,
dass ihr euch untereinander liebt,
wie ich euch geliebt habe, damit
auch ihr einander liebhabt.
35Daran wird jedermann erkennen,
dass ihr meine Jünger seid,
wenn ihr Liebe untereinander habt.

Lasst uns beten:
Herr, Gott, Jesus Christus,
sprich du selbst zu uns durch das Wort der Predigt,
dass dein Gebot uns leite
und deine Gnade uns rette. — Amen

Liebe Brüder und Schwestern,
liebe Freunde, die ihr auch Jesu Freunde seid,

(Einleitung)
der Evangelist Johannes
nimmt uns heute mit zum Abendessen,
das Jesus mit seinen Freunden zusammen hält.
Johannes stellt das alles unter dieses Vorzeichen:

Jesus aber wusste,
dass ihm der Vater alles in die Hände gegeben hatte
und dass er von Gott gekommen war
und zu Gott hinging.

Johannes betont ganz ausdrücklich,
dass Jesus ganz zum Himmel gehört
und trotzdem auf der Erde ist.
Hier schreibt er,
wie dem Menschen Jesus an diesem Abend ganz klar war,
dass er Gott ist
und in den Himmel gehört.
Alles, was er an diesem Abend tut,
tut er in diesem Bewusstsein.

Ich möchte drei Schritte mit uns gehen:

  • Erstens verliere ich einige Worte über diese Geste,
    jemandem die Füße zu waschen.
  • Zweitens möchte ich über Freundschaft reden.
  • Und abschließend fragen,
    was Jesu Freundschaft
    für uns bedeutet.

(1) Zuerst: die Fußwaschung.
Um uns diese Geste näher zu bringen,
beschreibe ich uns eine Filmszene
aus der „Feuerzangenbowle“.

Dieser Film ist sehr bekannt;
es geht um Hans Pfeiffer.
Er ist Sohn reicher Eltern
und hatte einen Privatlehrer.
Nach einer vorbildlichen Universitätskarriere
und sitzt nun promoviert und erfolgreich
mit seinen Kollegen bei besagtem Getränk zusammen.

Und im besoffenen Kopf beschließt Pfeiffer,
sich den Schnurrbart aus dem
baby face zu rasieren
und sich als Oberstufenschüler auszugeben.
Der Großteil des Filmes
handelt vom Schabernack,
den er mit seinen Lehrern treibt.

Die Szene,
um die es mir geht,
ist gegen Ende der Geschichte.
Pfeiffers Lebensabchnittsgefährtin
hatte Wind gekriegt von der Aktion
und war ihm in die Provinz gefolgt.
Sie ging also in sein Zimmer,
legte sich unter eine Wolldecke auf’s Sofa
und wartete auf ihn.

Statt des Dr. Pfeiffers
kommen nach einer Weile
zwei seiner Mitschüler rein.
Sie durchsuchen den Schreibtisch nach Zigaretten
und Griechisch-Vokabeln.
Da spricht sie die Frau vom Sofa aus an
und die beiden bleiben wie angewurzelt stehen.
Sie wissen nicht,
was sie tun sollen.
Sie haben kein Skript,
keine soziale Norm,
die ihnen ein Verhalten anbietet
mit einer fremden Frau in einem Raum.

Pfeiffers Lebensgefährtin ist höchstens Mitte-Ende-Zwanzig,
aber eine ganze Lebensphase weiter als die beiden Jungs.
Mit gespielter Scham versteckt sie sich hinter der Wolldecke
und sagt den Jungs, sie sollen sich umdrehen,
was sie natürlich tun.
Sie ist natürlich vollständig angezogen,
setzt sich ordentlich auf die Sofakante
und sagt:

Weil ihr so hübsch artig wart,
dürft ihr mir die Schuhe zumachen.

Da werden die beiden Teenager von großem Eifer erfasst,
wenden sich der Dame zu
und fallen vor ihr förmlich auf die Knie.
Dann beginnen sie – einer rechts, einer links –
ihr die Schuhe anzuziehen.

Als ich diese Szene das erste mal gesehen habe,
fand ich das sehr skurril.
Ich habe meinen Vater angeguckt und der sagte:

Das war das Höchste!

Anscheinend war es in meiner Großeltern-Generation eine Ehre,
wenn ein heranwachsender Mann
einer Dame die Schuhe zubinden durfte.

Die Jungs in dieser Szene waren erleichtert.
Offensichtlich wussten sie genau,
was sie zu tun und zu lassen hatten.
Die empfanden es vielleicht sogar als eine Ehre,
der Dame so nah kommen zu dürfen.
Es war eine Belohnung:

Weil ihr so hübsch artig wart,
dürft ihr mir die Schuhe zumachen.

Ich denke:
Für uns ist das sehr fremd.
Dabei ist der Film gerade mal 80 Jahre alt.

Wie fremd ist uns da,
was Jesus tut an seinen Jüngern.

Traditionell wird diese Szene von Jesu Wort her gelesen,
das er bei Markus sagt:

Der Menschensohn ist nicht gekommen,
dass er sich dienen lasse,
sondern dass er diene
und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.
2

Jesus erklärt hier sein Leiden und Sterben
vor dem Hintergrund von Begriffen,
die aus der Geschäftswelt stammen.
Sie beziehen sich auf die damals übliche Schuldsklaverei.

Johannes erzählt uns diese Szene beim Abendessen
vor dem Hintergrund eines antiken Verständnisses
von Freundschaft.
Und damit bin ich beim zweiten Thema, „Freundschaft“.

(2) Wenn ein Freund einen Besucht, möchte man,
dass der sich wohl fühlt.
Daraus sind bestimmte Sitten entstanden.

Bei vielen Menschen ist es heute üblich,
dass man die Schuhe in der Wohnung auszieht.
Ich kenne das aus dem Osten,
dass man ein Paar Gäste-Pantoffeln angeboten bekommt.
Zum Wohlfühlen gehören warme Füße.
So weiß man,
dass man willkommen
und wertgeschätzt ist.

Genau so eine Geste ist die Fußwaschung.
Man erweist dem Freund einen Liebesdienst.
Auch wenn wir das als fremd oder skurril empfinden:
Die Fußwaschung bringt Wertschätzung zum Ausdruck,
Verbundenheit
und Nähe.

Johannes beschreibt dies alles unter dem Vorzeichen,
dass Jesus der Sohn Gottes ist.

Jesus aber wusste,
dass ihm der Vater alles in die Hände gegeben hatte
und dass er von Gott gekommen war
und zu Gott hinging.

So ist auch Petrus’ Einwand zu verstehen.

Wie können wir Freunde sein,
wo du doch unser Meister und Herr bist?

Darin steckt vielleicht schon ein Zweifel,
den die Philosophie später an die christliche Theologie stellt:

Wie kann Jesus Gott sein,
wenn er nur Mensch ist?

Jesus will Petrus den Glauben stärken und sagt:

Das muss so sein.

Da wird Petrus ganz eifrig
und will fromm sein.
Er antwortet:

Nicht nur die Füße,
sondern Kopf und Hände!

Ja den ganzen Petrus soll Jesus waschen,
möglichst bei 60° „Intensivwaschgang“.

Da bestärkt ihn Jesus weiter und sagt:

Wer gewaschen ist, bedarf nichts,
als dass ihm die Füße gewaschen werden;
denn er ist ganz rein.

Mit anderen Worten:
Du bist getauft.
Und obwohl du noch in der Welt lebst,
gehörst du schon zu Gott.
Du magst Schwierigkeiten haben,
du magst Verletzungen tragen,
und die Sünde mag diese Wirklichkeit prägen, —
doch seit deiner Taufe bist du daraus befreit.
Wenn dich all das wieder einholt,
betrifft es nur deine Füße,
es betrifft dich nicht ganz.

Mit all diesen Dingen musst du natürlich umgehen:
- den Schwierigkeiten,
- den Verletzungen,
- der Sünde.
Das ist, was Jesu Freundschaft für uns bedeutet,
hier und heute.

(3) Jesus sagt über die Fußwaschung:

15Ein Beispiel habe ich euch gegeben,
damit ihr tut, wie ich euch getan habe.

34Ein neues Gebot gebe ich euch,
dass ihr euch untereinander liebt,
wie ich euch geliebt habe, damit
auch ihr einander lieb habt.

35Daran wird jedermann erkennen,
dass ihr meine Jünger seid,
wenn ihr Liebe untereinander habt.

Wem sollen wir also die Füße waschen?
Vielleicht ist dies auch das Beispiel,
dass wir uns die Füße waschen lassen sollen. —

Ich habe neulich jemanden verletzt.
Ich habe Dinge gesagt,
wegen einer „gefühlten Wahrheit“ von damals.
Aber ich habe den nächsten Schritt nicht bedacht
und was das heißt für meinen Gegenüber.

Ich hatte noch am selben Abend eine e-Mail:

Das war nicht cool, was du gesagt hast.
Das habe ich nicht gebraucht gerade.
Das hat mich verletzt.

Das ist ja erst mal ein blödes Gefühl, keine Frage.
Besonders, wenn das Gegenüber recht hat.
Doch ich hatte durch diese e-Mail auch die Chance,
sofort „Antworten“ zu drücken
und zu sagen:

Es tut mir leid. Ich bereue, dass ich das gesagt habe.
Bitte verzeih mir.

Und wenige Minuten später hatte ich die Antwort:

Ist wieder in Ordnung.

Vergeben kann sehr schwer sein.
Bereuen kann mit viel Widerstand einhergehen.
Doch vergeben aus der Vergebung Christi macht es leicht.
Bereuen in die Vergebung Jesu macht es leicht.

Daran erkennt man Christen:
Sie sind geübt im bereuen
und geübt im vergeben,
denn die Liebe,
die das antreibt,
kommt von außen – von Jesus –
und hört niemals auf.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!3 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Mk 10,45, Evangelium an Judika.


3 Phil 4,7


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