11:52

Ausziehen
Predigt zu Gen 12,1–4a

90 5. So. n. Trinitatis, 17. Juli 2022, Frankfurt a.M.

Elïeser, Abrams Diener, Karl Bode aus Breslau und Amelie Rauch aus Frankfurt erzählen wie es ist, mit Gott auszuziehen.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
steht im 1. Buch Mose, genannt „Genesis“, im 12. Kapitel:

1Und der Herr sprach zu Abram:

Geh aus deinem Vaterland
und von deiner Verwandtschaft
und aus deines Vaters Hause
in ein Land, das ich dir zeigen will.

2Und ich will dich zum großen Volk machen
und will dich segnen
und dir einen großen Namen machen,
und du sollst ein Segen sein.

3Ich will segnen, die dich segnen,
und verfluchen, die dich verfluchen —
und in dir sollen gesegnet werden
alle Geschlechter auf Erden.

4aDa zog Abram aus,
wie der
Herr zu ihm gesagt hatte.

Lasst uns beten:
Herr, wir bitten dich:
Nimm das Wort der Predigt
und sprich zu uns, wie zu Abram,
damit wir deinen Weg gehen,
sprich zu uns durch deinen Sohn Jesus Christus,
denn er zieht uns zu dir.
— Amen

Liebe Gemeinde,
mein Name ist Elïeser.
2
Ich bin dieses Jahr 30 Jahre alt geworden.
Das ist da Alter,
in dem man in meiner Kultur
so richtig als Erwachsener zählt.
Ich stehe im Dienst des Herrn Abram in Haran.

Ich habe ein gutes Verhältnis zum Herrn Abram.
Unter uns gesagt:
Ich habe den Eindruck,
der Alte hat einen richtigen Narren an mir gefressen – 
ein bisschen, wie der Sohn, den er nie hatte.
Und ich kann sagen:
Das beruht auf Gegenseitigkeit.
Ich schaue auf zu meinem Herren.
Mit seinen 75 Jahren ist er steinalt.
Der hat schon so viel gesehen
und so viel erlebt!
Alles, was er mit seinen Händen anfasst,
wird zu Gold,
wird unter seinen Augen geschieht
wächst und gedeiht!
3
Abram ist gut Freund mit einem Gott, der schenkt.

Ich hoffe,
dass dieser Gott ein Gott ist,
der mitgeht!

Ich weiß nicht,
was genau da passiert ist,
aber den einen Tag hat der Herr gesagt,
wie ziehen aus.
Wir ziehen aus, aus Haran.
Wir ziehen aus,
- von wo wir herkommen.
- wo unsere Familien herkommen,
- wo wir alles kennen.
Wir ziehen in ein neues Land.
Der Herr Abram weiß auch nicht genau, wo das ist.
Er folgt dem Befehl seines Gottes.
Er sagt, sein Gott will es ihm zeigen und ihm geben.

Ich will mich nicht lustig machen
über den Glauben meines Herren.
Das steht mir nicht zu.
Aber schon bei einem menschlichen Versprechen
wäre mir das zu dünn.

Wie bekommt man so etwas überhaupt,
ein göttliches Versprechen?

Der Wettergott kann mir Sonne und Regen geben
im richtigen Maß.
Der Gott des Landes kann Wachstum geben
und Futter für meine Herde.
Was gibt der Gott eines Versprechens?
Wird er tun, was er sagt?
Wird er erfüllen, was der Herr Abram glaubt?

Ich weiß es nicht.
Aber ich weiß,
dass mein Herr gesegnet ist
und deswegen gehe ich mit ihm.
Vielleicht fällt ein Stück seines Segens auch auf mich,
denn in ihm sollen ja alle Geschlechter gesegnet werden
auf Erden. – Mal sehen.

* * *

Liebe Gemeinde,
mein Name ist Karl Bode.
Ich bin 15 Jahre alt
und ich erlerne das Handwerk des Stellmachers.
Ich arbeite im Betrieb meines Meisters, hier in Breslau.

Mein Vater, meine Mutter,
meine Geschwister und ich
gehen in die St.-Elisabeth-Kirche zum Gottesdienst.
Wir wollen bei der lutherischen Messe bleiben!
Deshalb lehnen wir die neue Agende des Königs ab.
Wir haben seine Majestät in einem Brief gebeten,
dass wir wie Brüdergemeinden, Menoniten und Israeliten,
unsere eigene Gottesdienste feiern zu dürfen.
Der König hat unser Anliegen abgelehnt.
Deswegen gehen meine Eltern und wir Kinder
jetzt zu Gottesdiensten,
die sind nicht so ganz legal!

Ich weiß, warum wir das tun müssen.
Ich hatte Konfirmandenunterricht bei Prof. Scheibel!
Da hab ich gelernt,
dass der Christus gesagt hat:

Dies ist mein Leib…
Dies ist mein Blut…

Das steht geschrieben bei den heiligen Evangelisten
Matthäus, Markus, Lukas
und bei St. Paulus.
4
Dort steht auch der Befehl des Herrn Jesus:

Und er hat befohlen:

Tut dies zu meinem Gedächtnis… 

Und bei St. Johannes, im 6. Kapitel,
steht die Verheißung:

54Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt,
der hat das ewige Leben…

So lehrt uns die Heilige Schrift
und so finden wir es im Bekenntnis.
So haben unsere Väter geglaubt
und in
diesem Glauben wollen wir Gottesdienst feiern.

Es geht die Rede,
dass wir eine eigene Kirche gründen müssen.
Wir werden ausziehen aus der Volkskirche unseres Königs.
Wir ziehen aus,

  • von dem, was wir gewöhnt sind,
  • von dem, wie die meisten anderen Kirche erleben,
  • wir glauben an die „eine heilige Kirche“,
    aber verlassen die Kirche der Großeltern.

Wir ziehen aus
von den gewohnten Pfaden,
wo wir unter dem Schutz des Königs standen.
Wir ziehen aus,
wie in ein neues Land,
und es könnte sein,
dass wir uns sogar
gegen den König stellen müssen. —
Aber man muss Gott mehr gehorchen,
als den Menschen.
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Ich hoffe
und ich bete mit meinen Eltern,
dass wir das Richtige tun.
Das Wort der Schrift redet klar zu uns,
doch mein Vater ist in Sorge um die Zukunft.
Wie wird der Staat reagieren?

Gott stehe uns bei!

* * *

Liebe Gemeinde,
mein Name ist Amelie Rauch aus Frankfurt.
Ich werde dieses Jahr 12 und soll aufs Gymnasium kommen.
Ich habe noch einen kleinen Bruder.

Gestern hat meine Mutter mir gesagt:

Wir ziehen aus!

Sie hat mir Kartons gegeben,
ich soll meine Sachen da reinpacken.
Heute Morgen um sechs kamen die Möbelpacker.
Jetzt ist das ganze Haus ein Durcheinander
- aus fremden Menschen,
- Umzugskisten
- und dem Dreck, der unter den Möbeln war.
Ich muss auf meinen kleinen Bruder aufpassen.

Ich weiß nicht,
wann es angefangen hat.
Papa und Mama haben immer mehr gestritten.
Mein Vater ist dann immer länger arbeiten gegangen.
Er kam immer erst ganz spät von der Arbeit nach Hause.
Dann hat meine Mutter rausgefunden,
dass er gar nicht bei der Arbeit war.
Sie haben sehr schlimm gestritten
und meine Mutter hat bei uns im Kinderzimmer geschlafen.
Sie hat viel geweint
und sie hat mit uns gebetet.

Mama hat uns gesagt,
wir seien wertvoll
und wir sollen nie jemandem glauben,
der das Gegenteil zu uns sagt.
Wir seien so wertvoll,
dass Jesus für uns gestorben ist.

Ich habe in der Kirche gelernt,
dass Jesus alle Kinder lieb hat.

Lasset die Kinder zu mir kommen
und wehret ihnen nicht,
denn solchen gehört das Himmelreich.
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Ich hoffe, dass Jesus auf uns aufpasst.

Mama sagt,
sie hat eine neue Wohnung gemietet.
Sie wird wieder arbeiten gehen
und ich muss ihr helfen,
wenn sie nicht auf meinen kleinen Bruder aufpassen kann.
Ich kriege auch ein neues Zimmer
und gehe auf eine neue Schule.
Ich bete ganz oft,
dass alles gut wird.

* * *

Liebe Brüder und Schwestern,

  • Gott ist ein Gott, der mitgeht.
  • Er geht mit den Menschen,
    die er erwählt hat,
    auf dem Weg, den er ihnen weist.
  • Gott ist in Christus Mensch geworden
    und hat uns angenommen
    mit Haut und Haaren, Leib und Seele.
  • Er hat in der Taufe
    dein Leben
    unter sein Vorzeichen gestellt.
  • Er ist mit dir auf deinem Lebensweg
    und will dir das Gelobte Land schenken,
    auf dass du schaust, was du geglaubt hast
    in seiner Ewigkeit. — Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Vgl. Gen 15,2. In meiner elektronischen Bibel „Elïser“, aber ich glaube, da fehlt ein „e“, um אֱלִיעֶזֶר wiederzugeben.


3 Vgl. Gen 13,2.


4 Nach dem Kleinen Katechismus, vgl. BSELK S. 888.


5 Vgl. Apg 5,29.


6 Lk 18,16


Manuskript zum Ausdrucken pdf, 5.2 MB)

Weitere Predigten zu 5. So. n. Trinitatis:
„Geh weg von mir...“
Lk 5,1–11, 5. So. n. Trinitatis

Die Art, wie Petrus auf das Wunder reagiert, ist, wie ein normaler Mensch reagiert: „Geh weg von mir, denn ich bin ein Sünder!“