Rühmen wie Paulus
Predigt zu 2.Kor 12,1–10
Die Gegner des Paulus’ benutzten Buzzwords, die klingen biblisch, sind aber hohl. Was hat er zu bieten? Wenn er schon mitmachen muss bei apostolischer Selbstvermarktung, was kann er für sich vorweisen?
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Diese Predigt bezieht sich auf Abschnitte
aus dem 11. und 12. Kapitel 2. Korintherbriefes.
Ich werde die Worte des Apostels im Laufe der Predigt vorlesen.
Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege!2 — Amen
Liebe Schwestern und Brüder,
(Einleitung)
Anfang der 2000er
wurde ich gebeten,
ein Angebot abzugeben,
für ein IT Projekt: eine Webseite.
„Ja, was soll ich denn machen?“
„Komm mal zu diesem Briefing, dann und dann.“
Ok. Was tut man nicht alles für Geld.
Ich also dahin
und es begrüßten mich
- der Chef der Firma,
- und der IT Chef.
„Wir warten noch auf den Berater.“
Dieser fuhr mit einem weißen Mercedes vor.
Er trug helle Kleidung,
alles sehr edel,
und hatte an einem Band
einen USB Stick um den Hals,
quasi als ein Accessoire.
So konnte jeder sehen, wie technik-affin er ist,
wenn er sich damit schmückt. —
Ich dachte nur so:
Was ein Poser!
Das Meeting begann also.
Der IT Chef beschreibt, worum es geht.
Da Chef vom Ganzen fragt den Berater:
Was machen wir da jetzt?
Und da fängt dieser Typ an,
ein Buzzword nach dem anderen anzubringen,
alles so mehr oder weniger technische Begriffe,
wie sie in Manager-Zeitschriften vorkommen.
Danach guckt mich der Chef an und fragt:
Herr Vorberg, können sie das?
Ich bin etwas verunsichert und gucke den IT-Chef an und frage:
Ihr wollt doch jetzt das-und-das von mir, richtig?
Der IT Chef grinst und sagt:
„Genau!“
„Klar kann ich das!“
Angebot geschrieben,
bestellt, bearbeitet
und Rechnung geschrieben. — Fertig.
Bei der Nachbesprechung
steckt mir der IT Chef die Rechnung des Beraters zu.
Der hat drei mal so viel Geld verdient an diesem Akt,
wie ich.
Dabei habe ich die Arbeit gemacht.
Ich habe programmiert und der hat nur gelabert. —
Und das, liebe Gemeinde,
ist die Bedeutung des Wortes „rühmen“,
wie sie für unseren Abschnitt relevant ist:3
Gut aussehen
gut ankommen,
sich selbst gut verkaufen,
indem man an der richtigen Stelle Buzzwords fallen lässt,
ohne, dass Substanz dahinter ist.
Das ist genau die Strategie,
die Paulus’ Gegner in Korinth benutzen.
Mit seinem Brief will er die Gemeinde genau darauf hinweisen.
(1) Dazu bezieht Paulus sich zuallererst
auf ein Wort des Propheten Jeremia:
Wir sich aber rühmen will,
der rühme dich des Herrn.4
Das Kriterium zur Beurteilung eines Apostels
ist sein Bezug auf Gott. —
Sollte man meinen.
Genau so, wie man meinen sollte,
dass die Kriterien für Programmieren
technische Kriterien sind.
Da soll einer Code eingeben in einem Computer,
der dann eine bestimmte Aufgabe erfüllen soll.
Die Anforderungen sind technischer Natur.
Dieser Berater hat auch Wörter benutzt,
die klingen technisch,
doch sie sind hohl.
Sie dienen dazu,
sich selbst zu verkaufen.
Das sind Buzzwords:
Sie klingen gut, sagen nichts.
Die Buzzwords,
die Paulus’ Gegner in Korinth benutzt haben,
können wir anhand seiner Antwort genau nachvollziehen:
Hebräer sind sie? Bin ich auch.
Israeliten sind sie? Bin ich auch.
Same Abrahams sind sie? Bin ich auch.
Diener Christi sind sie? Bin ich auch.
Klingt wahnsinnig, aber ich sage:
Ich bin es noch mehr!
noch mehr Gefängnis,
noch mehr Schläge,
noch mehr Lebensgefahr.
Von Juden habe ich fünf mal vierzig Schläge […] erhalten,
drei mal [wurde ich zu] Stockschlägen [verurteilt],
einmal gesteinigt,
drei mal erlitt ich Schiffbruch,
einen Tag und eine Nacht verbrachte ich auf offener See,
viele „Kilometer“ Wegstrecke,
gefährliche Flüsse,
gefährliche Räuber,
Gefahren von meinem Volk,
Gefahren von den Heiden,
Gefahren in der Stadt,
Gefahren in der Wüste,
Gefahren auf dem Meer,
Gefahren durch falsche Brüder,
Mühe, Anstrengung, Schlafmange, Hunger und Durst, […]
Kälte und Blöße,
und neben allem, was ich hier nicht sage,
ist noch mir noch die Sorge um alle Gemeinden auferlegt. […]
Wenn ich mich nun rühmen muss,
dann rühme ich mich meiner Schwäche.5 —
Die Buzzwords der Gegner beziehen sich auf Gott,
genau, wie es Jeremia fordert:
„Hebräer“, „Israeliten“, „Same Abrahams“, „Diener Christi“.
Das sind alles biblische Begriffe.
Aber Paulus sagt:
Das klingt bei den Gegnern zwar nach Gott,
aber es dient ihnen dazu,
sich selbst zu verkaufen.
Die Arbeit habe ich gemacht.
Der Beweis dafür, dass Paulus ein Apostel ist,
besteht nicht darin,
dass er glänzend verkauft,
sondern darin, dass er die Drecksarbeit macht,
darin, dass er leidet.
Dadurch ist er Christus ähnlich.
Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe,
damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.6
Von Martin Luther selbst her
unterscheiden wir eine Theologie des Glanzes, theologia gloriae,
von einer Theologie des Kreuzes, theologia crucis.
Diese Unterscheidung kommt von Paulus.
Wenn wir das Kreuz bezeugen
in unserer Demut
und in unserem Leid,
dann bezeugen wir Christus. —
Na, ob das immer gut geht?
(2) Liebe Gemeinde,
ich möchte euch mit einem Gedanken konfrontieren,
der stammt aus dem 19. Jahrhundert.
Da hatte dieses Lob der Demut schon über 1.000 Jahre Zeit,
Kultur zu prägen.
Luthers Unterscheidung
von theologie gloriae und theologia crucis
war auch schon 400 Jahre alt.
Und es gab mind. eine Person,
dem hat das richtig auf den Nerv gebohrt,
nämlich dem Philosophen Friedrich Nietzsche.
In einem seiner Bücher
veröffentlichte er einen sehr kurzen Abschnitt,
der ist überschrieben mit:
Lucas 18,14 verbessert.
Lukas schreibt:
Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden;
und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
Nietzsches Verbesserung lautet:
Wer sich selbst erniedrigt,
will erhöhet werden.7
(a) Die harmloseste Variante davon ist fishing for compliments.
Jemand sagt:
„Ich bin ja so fett“,
nur damit die Freunde sagen:
„Nein, du hast so eine tolle Figur …“
Wer sich selbst erniedrigt, will erhöhet werden.
(b) Es gibt auch eine eitle Frömmigkeit der Demut.
Neulich hat mir jemand eine Geschichte erzählt:
Ihr wurde als Schülerin
die Hauptrolle in einem Schul-Theaterstück angeboten.
Da haben ihr die Eltern gesagt:
Nein,
du lehnst das ab,
denn das ist Selbst-Erhöhung.
Du musst dich aber erniedrigen,
damit die Leute sehen,
aus was für einer frommen Familie du kommst.
Wer sich selbst erniedrigt, –
Du musst das ablehnen, –
will erhöht werden. –
damit die Leute sehen, wie fromm wir sind.
(c) Der geistliche Bankrott ist die Haltung,
wenn man meint,
für die Erniedrigung in der Welt
bekommt man eine Belohnung im Himmel.
Jesus sagt ja:
Wer sich selbst erniedrigt,
wird erhöht werden,
von Gott,
im Himmelreich.
Aber ist es überhaupt noch Demut,
wenn man demütig ist,
und die ganze Zeit läuft im Hinterstübchen der Film:
„Dafür komme ich in den Himmel“?
Das ist doch die genau Umkehrung von dem,
was Jesus lehrt.
Was nach Außen aussieht wie eine Theologie des Kreuzes
ist heimlich eine Theologie des eigenen Glanzes.
(3) Liebe Gemeinde,
was machen wir jetzt?
Wie leben wir die Demut, die Christus lehrt?
Paulus’ Lösung ist, einen Kontrast aufzumachen.
Ein Apostel kann bei den Korinthern glänzen,
wenn er eine Privatoffenbarung hatte:
Gott hat mich in den Himmel entrückt
und mit mir geredet.
Folgendes hat er gesagt . . .
Bei Paulus klingt das dann so:
6Wenn ich mich allerdings tatsächlich rühmen8 wollte,
würde ich mich damit nicht zum Narren machen.
Denn ich würde einfach nur die Wahrheit sagen.
Ich verzichte aber darauf.
Denn man soll mich nur nach dem beurteilen,
was man direkt von mir sieht oder hört –
7auch wenn diese Offenbarungen
wirklich außergewöhnlich sind.
Aber damit ich mir nichts darauf einbilde,
ließ Gott meinen Körper mit einem Stachel durchbohren.
Ein Engel des Satans darf mich mit Fäusten schlagen,
damit ich nicht überheblich werde.
8Dreimal habe ich deswegen zum Herrn gebetet,
dass er ihn wegnimmt.
9Aber der Herr hat zu mir gesagt:
„Lass dir an meiner Gnade genügen;
denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“.9
Ich will mich also meiner Schwäche rühmen.8
Dann kann sich an mir die Kraft von Christus zeigen.10
Paulus beginnt bei seiner Schwäche.
Gleichzeitig nimmt er für sich in Anspruch,
private Offenbarung zu haben,
„außergewöhnliche“ sogar.
Paulus rühmt sich,
aber das Rühmen ist gebrochen.
Er rühmt sich seiner Schwäche.
Aber das Reden von seiner Schwäche,
das Reden von diesem „Stachel im Fleisch“,
ist auch gebrochen,
denn Paulus behauptet:
Das kommt von Gott,
um mir etwas zu sagen.
Und was sagt Gott?
Lass dir an meiner Gnade genügen;
denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Liebe Schwestern und Brüder,
das ist die Spannung, in der wir leben.
Wir sind Sünder und Gerechtfertigte zugleich.
Schwach sind wir in unserer Blindheit und unserem Leid.
Diese Einsicht darf sich zeigen,
muss sich zeigen in unserem Leben
in unserer Demut vor Gott
und unserer Milde gegenüber unserem Nächsten.
Doch wir leben unter der Gnade Gottes.
Du bist teuer erkauft,11 –
nicht mit vergänglichem Silber und Gold,
sondern mit dem teuren Blut Christi.12
Du bist wertvoll bei Gott
und dieser Gott-Wert
- darf sich
- und soll
sich in deinem Selbstwert wiederspiegeln.
Du darfst –
und sollst –
die Hauptrolle spielen
und schön sein
und klug sein
und stark sein
und vielleicht sogar reich.
Das alles kommt von Gott.
Dass Du ein Sünder bist,
fällt dir noch früh genug auf die Füße.
Aber wenn das passiert,
dann kennst du Gott.
Seine Barmherzigkeit heißt Jesus Christus
und seine Gerechtigkeit ist die Gnade,
die er schenkt.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.
1 1.Kor 1,3
2 Ps 119,105
3 Das gr. Wort hat eine breitere Bedeutung. Insb. gibt es auch ein kultisches „Rühmen“ Gottes, das auf die Ehre Gottes abzielt zur Freude der Gemeinde. Vgl. Bultmann, Art. καυχάομαι, καύχηεμα, καύχησις, ThWNT Band 3, S. 646ff, insb. den Abschnitt zur LXX. Die Bedeutung wäre für den Gebrauch bei Paulus auch im Einzelnen zu prüfen. Für den Horizont dieser Predigt habe ich sie einfach gefasst.
4 2Kor 10,17 nach Jer 9,22f.
5 2Kor 11,22–30.
6 2Kor 4,10
7Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches, Werke I, Ullstein, Erster Band, Zur Geschichte der moralischen Empfindungen, Nr. 87.
8 Hier greife ich in die Übersetzung der BasisBibel ein, weil ich die Vokabel oben eingeführt habe und sie erkennbar sein soll.
9 LUT84: So kennt man das Wort.
10 2Kor 12,6–10, BasisBibel.
11 1.Kor 6,20 und 7,23.
12 Vgl. 1Petr 1,18.
Weitere Predigten zu 5. So. n. Trinitatis:
Ausziehen
Gen 12,1–4a,
5. So. n. Trinitatis
Elïeser, Abrams Diener, Karl Bode aus Breslau und Amelie Rauch aus Frankfurt erzählen wie es ist, mit Gott auszuziehen.
„Geh weg von mir...“
Lk 5,1–11,
5. So. n. Trinitatis
Die Art, wie Petrus auf das Wunder reagiert, ist, wie ein normaler Mensch reagiert: „Geh weg von mir, denn ich bin ein Sünder!“