14:50

Alles überwinde ich in Christus
Predigt zu Phil 4,10–14

43 Jahreswechsel 2020/21 Altjahrsabend, 31. Dezember 2020, Bremen und Bremerhaven

Paulus denkt immer von seiner Beziehung mit Gott aus. Diese Beziehung hat er über Jesus. Von Jesus aus schaut er auf die Dinge, die ihm begegnen. Deshalb kann er sagen: „Alles überwinde ich in dem, der mich stark macht“. Paulus findet die Kraft zu alledem nicht in sich selbst, sondern in seinem Herrn Jesus Christus.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
sind einige Verse aus dem Brief des Paulus
an die Philipper im 4. Kapitel.

Ich trage diesen Abschnitt in einer Übersetzung vor,
die angelehnt ist an die Basisbibel.

Paulus schreibt:

10Ich habe mich sehr gefreut im Herrn!
Endlich hattet ihr die Möglichkeit,
mich und meine Arbeit zu unterstützen.
Ihr hattet das ja schon lange vor,
aber es gab keine Gelegenheit dazu.

11Ich sage das nicht
wegen der Entbehrungen;
ich habe nämlich gelernt,
genügsam zu sein in jeder Lage:

12Ich kenne die Niedrigkeit
und ich kenne den Überfluss.
Ich bin eingeweiht in alles und jedes:
in Sattsein und in Hunger,
in Überfluss und in Not.

13Alles überwinde ich
in dem, der mich stark macht.

Lasst uns beten: Herr Jesus Christus, komm herab und lass es Weihnachten werden in unseren Herzen. Sprich zu uns durch das Wort der Predigt und mach uns stark wie Paulus. — Amen

Liebe Brüder und Schwestern,

„das Jahr 2016 hat einen schlechten Ruf!“

Mit diesen Worten wollte ich
auf der Silvester-Rüste 2016 auf 17
meine Andacht einleiten.
Ich habe diesen Anfang dann verworfen,
weil ich ihn zu negativ fand.
Doch mal ganz ehrlich:
Wenn das Jahr 2016 jetzt wie ein Mensch hiersäße,
würde es auch laut lachen –
und sich dann sofort schämen,
weil sich das Jahr 2020 nach dieser Einleitung
so richtig schlecht fühlen würde.

Die größte Leistung der Präsidentschaft von Donald Trump ist,
dass sie die Präsidentschaft von George W. Bush
so richtig gut aussehen lässt.

Das gibt es auch als Erziehungstrick.
Der Achtjährige, der seinen Brokkoli nicht essen will,
kriegt von seinen Eltern gesagt:

In Afrika gibt es Kinder,
die haben gar nichts zu essen.

Und der Achtjährige denkt sich natürlich:

Dadurch sind das immer noch keine Fischstäbchen!

Wir gucken auf ein katastrophales Jahr zurück,
- Brexit,
- Corona,
- Flüchtlingskrise,
- stornierter Urlaub
- abgesagte Hochzeiten, Taufen, Geburtstagsfeiern,
- Isolation und Einsamkeit,
- Unsicherheit: Wie geht es weiter.

Viele von uns werden pflichtgemäß sagen:

  • „Mir geht es relativ gut“.
  • „Die Hilfen greifen“.
  • „Ich habe für einige Dinge neue Wege gefunden“.

Das liegt sicherlich auch daran,
dass die großen Katastrophen des letzten Jahrhunderts
nicht vergessen sind:
- der Krieg,
- die Vertreibung,
- der Neuanfang.
Verglichen
damit ist die Corona-Pandemie „Bush-schlecht“,
aber nicht „Trump-schlecht“.
Ein richtiger Trost ist das aber auch nicht:
Wir haben immer noch keine Fischstäbchen!

Liebe Gemeinde,
an Weihnachten feiern wir,
dass Gott Mensch wird,
einer von uns.
Er nimmt uns an,
macht unsere Nöte und Bedürfnisse zu seinen eigenen.
Das macht etwas mit uns.
Paulus ist uns dafür heute ein Beispiel.

Die Zeilen, die dieser Predigt zugrunde liegen,
schreibt er an die Philipper aus dem Gefängnis.
Er schreibt:

Ich freue mich im Herrn…

über die Unterstützung:
Geld und sicherlich auch Lebensmittel.

„Ich freue mich im Herrn“ –
Das ist bei Paulus das Vorzeichen vor allem:
die Beziehung, die er mit Jesus Christus hat.

Er denkt immer von seiner Beziehung mit Gott aus.
Diese Beziehung hat er über Jesus.
Von Jesus aus schaut er auf die Dinge,
die ihm begegnen.

Paulus schreibt weiter:

11Ich sage das nicht,
wegen der Entbehrungen;
ich habe nämlich gelernt,
genügsam zu sein in jeder Lage.

Genügsamkeit galt den Griechen als hohe Tugend.
An vielen Dingen können wir eh nichts ändern
und dann ist es weise, damit Frieden zu schließen.

Wir sind hier nicht bei „Wünsch dir was“,
wir sind hier bei „so iss’et“.

So brachte das eine Freundin von mir auf den Punkt.
Sie hat eine Tanzschule
und der ganze Betrieb musste wegen Corona auf Online-Unterricht umgestellt werden.
Das bedeutet Investitionen an Geld – für Technik
und an Zeit – für Aus- und Weiterbildung.
Technik nutzt ja nichts, ohne dass man sie bedienen kann.
Dazu kommt die Unsicherheit,
ob die Kunden das mitmachen
oder ob die Eltern nicht sagen:

„Ne, dafür bezahle ich nicht“.

Viele von uns erleben die Corona-Krise
als einen Moment mit Entbehrungen.
Gewohnheiten und Sicherheiten gleiten uns durch die Finger.
Doch wie Paulus können wir einen Schritt zurücktreten
und sehen, dass Gott in Christus
unsere Entbehrungen
wie unsere Freude teilt.
Die Genügsamkeit,
die die Philosophen sich erarbeiten müssen,
bekommen wir Christen von Jesus geschenkt.

Wir sind hier nicht bei „Wünsch’ dir was“ – nein.
Wir steh’n an seiner Krippe hier.

Wenn oft mein Herz vor Kummer weint
und kein Trost kann finden,
rufst du zu mit „Ich bin dein Freund,
ein Tilger deiner Sünden.
Was trauerst du, o Bruder mein?
Du sollst ja guter Dinge sein,
ich sühne deine Schulden“.
2

So dichtete Paul Gerhard.
Er hält im Vers drei Dinge zusammen:
- wie es uns geht im Leben, mit Kummer im Herzen,
- unsere Beziehung zu Gott, mit Sünde und Vergebung
- und die Brücke dazwischen: Jesus.

Ich fahre fort mit dem nächsten Vers aus dem Philipperbrief,
wo Paulus schreibt:

12Ich kenne die Niedrigkeit
und ich kenne den Überfluss.
Ich bin eingeweiht in alles und jedes:
in Sattsein und in Hunger,
in Überfluss und in Not.

Hier wird Paulus ein bisschen poetisch.
„Ich bin eingeweiht.“ –
Das Wort, das Paulus hier benutzt,
klingt an „Mysterium“ an.
Er ist eingeweiht worden (von Gott)
in Dinge, die er vorher nicht kannte.
Ich glaube, das können wir uns ganz praktisch vorstellen:
Paulus kam aus einer gebildeten
und recht gut situierten Familie.
Immerhin konnten sie ihm Ausbildung sowohl in jüdischer
als auch in griechischer Tradition ermöglichen.
Paulus hatte römisches Bürgerrecht.
Und jetzt sitzt er im Gefängnis mit gewöhnlichen Verbrechern.
Plötzlich ist er abhängig davon,
dass ihn Freunde von außen versorgen.

Was für Menschen
und was für Situationen
wird er in diesem Gefängnis begegnet sein?
Ich kann mir gut vorstellen,
dass das seinen Horizont erweitert hat.

Aber es ist nicht menschliche Weisheit,
die Paulus gesucht hat,
oder extreme Erfahrungen.
Paulus ist aus seinem alten, gewohnten Leben ausgestiegen,
weil Christus ihn zum Apostel berufen hat.
Er hat ihn aber nicht nur berufen,
sondern er hat ihn auch ausgestattet
und er ist mit ihm gegangen.

Ich kann mir vorstellen,
dass so manch einer von euch sagen könnte:

Ich kenne die Souveränität
und ich kenne die Ahnungslosigkeit.
Ich bin jetzt eingeweiht in alles und jedes:
in Masken und Abstand,
in „Blütenlese“ und „Zoom“.

Manch einer wird sich denken:

„Darum habe ich nicht gebeten“!

Aber das ist nicht das Entscheidende.
Das Entscheidende ist,
dass wir bei diesem Lernen
nicht alleine auf der Schulbank sitzen.
Diese neuen und ungewohnten Schritten
geht Jesus mit uns.

Liebe Brüder und Schwestern,
vielleicht habe ich etwas übertrieben.
Ich rede von der Corona-Krise
und den Unannehmlichkeiten,
die sie mit sich gebracht hat.
Dabei redet Paulus von ganz anderen Schwierigkeiten:

Niedrigkeit und Überfluss,
in Sattsein und Hunger.

Wenn Jesus dargestellt wird in unserer Kunst,
wird er meistens als ein sehr schlanker,
ja ein
dünner Mann dargestellt.
Der
corpus an einem Kryzifix
ist meistens gestaltet,
als hätte Entbehrung den Leib des Heilandes gezeichnet.

Die Bibel berichtet nicht darüber,
dass Jesus in seinen Erdentagen
regelmäßig Hunger gelitten hätte.
Ich glaube, die Künstler betonen diesen Zug an Jesus’ Körper,
weil alle Menschen
irgendwie
mit Not und Entbehrung vertraut sind.
Das „Tägliche Brot“ kann viele Formen annehmen.
Nähe und Gemeinschaft sind Grundbedürfnisse,
genau wie essen und trinken.
Wie Jesus’ Leib gestaltet ist, sagt uns:
Jesus kennt Entbehrung.
Für uns bedeutet das:
Jesus kann Menschen in der Entbehrung begleiten.
Bis dahin,
dass Paulus sagen kann:

Ich bin eingeweiht in alles und jedes:
in Sattsein und in Hunger,
in Überfluss und in Not.

Er ist in allen diesen Dingen mit Jesus
und Jesus mit ihm.
Das ist der Sinn des letzten Satzes.
Paulus schreibt:

13Alles überwinde ich
in dem, der mich stark macht.

Er tut dies nicht, weil ihn eine Philosophie überzeugt hat. Paulus findet die Kraft zu alledem nicht in sich selbst,
sondern in seinem Herrn Jesus Christus.

Der, der Paulus stark macht,
macht auch dich stark.
Er kann das,
weil er dein Leben kennt
und „ja“ gesagt hat zu uns Menschen.

Amen.

Das nächste Lied wurde von Dietrich Bonhoeffer geschrieben,
als er im Gefängnis saß.
Er saß –auf seine Art– wegen Christus im Gefängnis
und ich würde hoffen: mit Christus.

Von guten Mächten treu und still umgeben
behütet und getröstet wunderbar, –
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!3 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 ELKG 28,5


3 Phil 4,7


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