12:37

Buße ist Gnadengericht hier und jetzt
Predigt zu Röm 2,1–11

201 Buß- und Bettag, 19.11.2025, Frankfurt

Buße ist nicht eine Ersatz- oder Strafleistung, die eine kalte Welt von uns fordert, sondern sie lebt aus der Geborgenheit des Himmelreiches. Der himmlische Vater, der dich liebt, will, dass du in seinem Sinne handelst. Deswegen stellt er sich dir in Jesus Christus zur Seite, nimmt auf sich deine Schuld als sein Kreuz und macht dich heute besser, als du gestern warst.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist der Anfang des 2. Kapitels
im Brief des Paulus’ an die Römer.
Der Apostel schreibt:

2,1Deshalb hast du auch keine Entschuldigung,
du Mensch, der du dich zum Richter aufspielst.

Das gilt für jeden, der so handelt:
Wenn du jemand anderen verurteilst,
sprichst du damit selbst das Urteil über dich,
denn du verurteilst zwar andere,
handelst aber genauso.

2Wir wissen aber:
Wer so handelt,
über den spricht Gott das Urteil.
Und dieses Urteil entspricht der Wahrheit.

3Du Mensch,
du tust doch genau dasselbe wie die anderen,
die du verurteilst.
Rechnest du wirklich damit,
dem Urteil Gottes entgehen zu können?
4Oder missachtest du Gottes große Güte,
Nachsicht und Geduld?
Weißt du nicht,
dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?
2

5 Du bist starrsinnig
und im tiefsten Herzen nicht bereit,
dich zu ändern.
Und so ziehst du dir selbst
mehr und mehr den Zorn Gottes zu
bis zum Tag des Zorns.

Das ist der Tag,
an dem Gott sich als gerechter Richter offenbart.
6Gott wird allen das geben,
was sie für ihre Taten verdienen:
7Es gibt Menschen,
die sich nicht davon abbringen lassen, Gutes zu tun.
Es geht ihnen um Herrlichkeit,
Ehre und Unvergänglichkeit.
Ihnen wird Gott das ewige Leben schenken.

8Aber andere handeln aus Eigennutz.
Sie folgen nicht der Wahrheit Gottes,
sondern setzen auf das Unrecht.
Gottes grimmiger Zorn wird sie treffen.

9Über jeden Menschen, der Böses tut,
lässt er Not und Verzweiflung hereinbrechen.
Das gilt an erster Stelle für die Juden
und dann auch für die Griechen.

10Aber jedem, der Gutes tut,
schenkt Gott Herrlichkeit, Ehre und Frieden.
Das gilt ebenso an erster Stelle für die Juden
und dann auch für die Griechen.

11Denn Gott richtet ohne Ansehen der Person.

Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege!3 — Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

(1) Homo coram Deo4

dass alle Menschen irgendwie Sünder sind,
ist ein Allgemeinplatz
und kaum der Rede wert.
Was Paulus hier sagt ist:

Du bist der Mann.

Es geht hier nicht um die anderen.
Es geht um dich.

Unser Gesangbuch sieht für den Buß- und Bettag
den 51. Psalm als Introitus vor.
In der Bibel steht hat der Psalm eine Überschrift,
die ihn einer bestimmten biblischen Geschichte zuordnet:

1Ein Psalm Davids,
vorzusingen,
2als der Prophet Nathan zu ihm kam,
nachdem er zu Batseba eingegangen war.

Die Geschichte steht im 2. Buch Samuel im 11. Kapitel.
Währe diese Geschichte eine Telenovella
auf deinem liebsten Privatsender,
ginge sie ungefähr so:

David ist König von Frankfurt,
reich, angesehen, mächtig.
Der hat es geschafft.

Und eines Tages,
als er Pause macht von seinen wichtigen Geschäften,
sieht er eine hübsche junge Frau
in einem sexy Outfit
und er fragt:

Wer ist das denn?

Und seine Leute antworten:

Das ist Batseba,
die Verlobte von Uriah dem Hetiter.
Der ist Arzt im städtischen Kinderkrankenhaus
und in seiner Freizeit
ist er ehrenamtlich im Tierheim aktiv
und kümmert sich um Hundewelpen.

David geht dann her,
verführt die Batseba
und hat eine Affäre mit ihr.

Wir als Publikum
sind aber gerne bereit,
für den König ein Auge zuzudrücken.
Die Batseba ist schon auch ein Traumprinzesschen.
Der Uriah ist ein guter Kerl,
Kinderarzt – und die Sache mit den Hundwelpen –,
also, von seinen Werken her ist er ganz weit vorne.
Aber Uriah ist Hetiter.
Und Hetiter, sein wir mal ganz ehrlich,
die passen nicht so richtig ins Stadtbild. —
Der prächtige König
und so ein hübsches, deutsches Mädchen:
Das sind die Bilder,
mit denen man Fernsehfilme verkauft.
Damit kann man sich identifizieren.

Wenn wir jetzt aber schon so weit sind,
dass wir für den König ein Auge zudrücken,
dann sind wir auch gar nicht mehr richtig geschockt davon,
was der König dann tut.
David nutzt nämlich seine Mafia-Verbindungen –
und ein paar Tage später,
als Uriah,
emissionsfrei,
mit dem Lastenfahrrad
Hunderfutter über die Hanauer Landstraße fährt,
hat er einen „Unfall“
und stirbt.

David geht her,
„tröstet“ Batseba,
die beiden heiraten
und haben einen gemeinsamen Sohn. —
Man könnte meinen,
jetzt käme das Märchen-Ende der Gebrüder Grimm:

…und sie lebten glücklich und zufrieden
bis an ihr Ende.

Die Bibel aber geht einen anderen Weg.
Dort heißt es nämlich:

Aber dem Herrn missfiel die Tat,
die David getan hatte.
5

Das ist die Art Bibelvers,
wo es jedem gläubigen Leser
kalt den Rücken ’runterläuft. —

Was Gott dann tut,
haben wir vorhin als Lesung gehört.
Er schickt den Prophet Nathan zu David.
Nathan erzählt dem König die Beispielgeschichte
von dem Reichen Mann,
der zu geizig ist,
für seinen Gast ein eigenes Schaf zu schlachten,
und lieben einem Armen Mann das seine klaut.
David entbrennt in Zorn:

Der Mann ist des Todes, der das getan hat!
Er soll das zurückbezahlen!
Das geht ja gar nicht!

Nathan dreht die Sache dann vor den Augen des Königs um,
hält ihm den Spiegel vor
und sagt:

Du bist der Mann.

Paulus bietet im 1. Kapitel des Römerbriefes
eine lange Liste von Dingen,
die für seine Leser ins Bild passen
über die Heiden:

29[Sie sind] voll von aller Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit, Habgier, Bosheit, voll Neid, Mord, Hader, List, Niedertracht; Zuträger, 30Verleumder, Gottesverächter, Frevler, hochmütig, prahlerisch, erfinderisch im Bösen, den Eltern ungehorsam, 31unvernünftig, treulos, lieblos, unbarmherzig.

Sie haben ihre natürliche Sexualität aufgegeben
und sind nach unseren bürgerlichen Maßstäben
alle irgendwie „bäh“.
6

Dann, mit dem 2. Kapitel, mit unserm Abschnitt,
dreht Paulus das um
und sagt:

Wenn du jemand anderen verurteilst,
sprichst du damit selbst das Urteil über dich,
denn du verurteilst zwar andere,
handelst aber genauso.

Wenn du mit Blick auf das Gericht Gottes meinst,
- du seist da raus,
- du könntest dir das von einer neutralen Position angucken,
dann hast du deine Situation vor Gott vollkommen verkannt.

Denkst du aber,
o Mensch, der du die richtest,
die solches tun,
und tust auch dasselbe,
dass du dem Urteil Gottes entrinnen wirst?

Wenn du meinst,
du dürftest andere richten,
hast du klar gemacht,
dass du Gottes Urteil über dich nicht anerkennst.
Ob du ein Auge zudrücken willst,
oder in rechtschaffenen Zorn entbrennst:
Wenn du urteilst,
dann hast du dich eingereiht,
gerade bei denen,
die du richtest.
Denn: „Mensch ist Mensch und Gott ist Gott.“
7
Du stehst vor deinem Schöpfer
und er fragt dich:

Was hast du getan?8

(2) Dass das Gericht in der Buße präsent ist,
ist Gnade,
nicht Zorn.

Das Gericht ist der Ort,
an dem unsere Sünden aufgedeckt werden.
Der Gerechtfertigte
glaubt an Gottes Liebe
und sieht das als Chance.
Der Ungläubige fürchtet sich
und will sich hinter den Sünden der anderen verstecken.

Ich wünschte mir manchmal,
ich wäre noch mal 20,
hätte aber das Wissen
- über mich selbst,
- über die Welt
- und über die Menschen
das man mit knapp 50 hat.
Hier bist du das!
Das zukünftige Gericht
ist schon Gegenwart

  • in Selbstprüfung,
  • in Buße
  • und in dem Gebet zu Gott,
  • dich besser zu machen, als du jetzt bist,
  • dich zu heil zu machen,
  • dich neu zu schaffen.

Hier hast du die Klarheit
vor Gottes Angesicht
mitten in dem Leben,
das du lebst.

Deswegen beten wir am Buß- und Bettag den 51. Psalm.
Das ist Davids Antwort auf „Du bist der Mann“:

Ich habe gesündigt wider den Herrn.9

Gott sei mir gnädig nach deiner Güte,
und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit.

An die allein habe ich gesündigt
und übel vor dir getan.

Schaffe in mir, Gott, ein Reines Herz
und gibt mir einen neuen, beständigen Geist.
10

So beten wir auch oft
in den Beichtandachten,
die wir hier in der Kirche feiern.
Der Jahreskreis und die Liturgie
setzen so sichtbare Punkte für etwas,
das das ganze Leben des Christenmenschen bestimmt.
11

Jesus sagt:

Kehr um,
tu Buße,
das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.
12

Buße ist nicht eine Ersatz- oder Strafleistung,
die eine kalte Welt von uns fordert,
sondern sie lebt aus der Geborgenheit des Himmelreiches.
Der himmlische Vater,
der dich liebt,
will, dass du in seinem Sinne handelst.
Deswegen stellt er sich dir in Jesus Christus zur Seite,
nimmt auf sich deine Schuld als sein Kreuz
und macht dich heute besser,
als du gestern warst.

Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!13 Amen.

Mit Haut und Haar
und weiter nichts,
die bare Blöße,
gebeugt am Tor zum Dazumal,
und davor zum Zerbrechen
geneigt.
Der du vorübergehst:
Tauche in meine Nacktheit,
da gibt es nichts zu begehren,
und nimm, was du willst.
Tauche in meine Nacktheit,
wasche dich. Ich schließe
die Nacht zu, wenn du
vorübergehst.
Geh vorüber,
Herr meiner schamlosen Herrlichkeit

— Elazar Benyoëtz, „Beten“, Herlingen, 1993

Offene Schuld

(Die Gemeinde erhebt sich)

P: Lasst uns miteinander vor Gott bekennen,
dass wir gesündigt haben mit Gedanken, Worten und Werken,
auch aus eigener Kraft
uns von unserem sündigen Wesen nicht erlösen können.

Darum nehmen wir Zuflucht
zu der grundlosen Barmherzigkeit Gottes,
unseres himmlischen Vaters,
begehren Gnade um Christi willen und sprechen:
Gott sei mir Sünder gnädig.

P+G: Der allmächtige Gott erbarme sich unser,
er vergebe uns unsere Sünde
und führe uns zum ewigen Leben. Amen.

P: Der allmächtige, barmherzige Gott hat sich unser erbarmt, seinen einzigen Sohn für unsere Sünde in den Tod gegeben
und uns um seinetwillen verziehen.
Er hat allen denen, die an seinen Namen glauben,
Vollmacht gegeben,
Gottes Kinder zu werden
und ihnen seinen heiligen Geist verheißen.

Wer da glaubt und getauft wird,
der wird selig werden.
Das verleihe Gott uns allen.

G: Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Hier füge ich LUT84 ein, um das Wort „Buße“ im kirchlichen Gebrauch zu halten.


3 Ps 119,105


4 Gedankengänge dieser Predigt sind angelehnt an G. Voigt: „Das heilige Volk“, Göttingen 1979, z.St., unter Zuhilfenahme U. Wilckens: „Der Brief an die Römer“, EKK Studienausgabe, Neukirchen/Vlyn 2010, z.St., insbesondere aber die Exkurse „Das Gericht nach den Werken“ I und II, S. 127ff und 142ff respektive.


5 2.Sam 11,27


6 Vgl. Röm 1,26f.


7 Karl Barth: „Der Römerbrief“, Zürich, 1922, S. 42, z.St.


8 Gen 4,10, Gott zu Kain.


9 2. Sam 12,13


10 Aus dem Introitus ELKG² 74.


11 Vgl. Luthers erste der 95 Thesen vom 31. Oktober 1517.


12 Nach Mk 1,15par.


13 Phil 4,7


Manuskript pdf, 212 KB)

Weitere Predigten zu Buß- und Bettag:
Die Schuld aller Stände im Lande
Ez 22,23–31, Buß- und Bettag

Ich werde Hesekiels Bußrede in Abschnitten vorlesen, ein paar Worte dazu sagen. Danach gibt es einen Moment der Stille, den ich jeweils mit einem Kollektengebet beenden werde.