14:45

Wahrheit ist lebendig
Predigt zu Joh 20,11–18

185 Ostern, 20. April 2025, Frankfurt

Zielstrebig und konkret und poetisch: Gottes Wahrheit geht es um dich. Gott will in dein Leben hineinwirken.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Was ist Wahrheit?2

Pontius Pilatus’ Frage
ist die Überschrift für einige Predigten
in dieser Passions- und Osterzeit.
Dies ist die vierte und letzte Predigt aus der Reihe:
Sie vertritt die These:
Wahrheit ist lebendig.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist ein Abschnitt aus dem Evangelium nach Johannes
im 20. Kapitel:

11Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte.
Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab
12und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen,
einen am Kopfende
und den andern am Kopfende,
3
von wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten.
13Und die sprachen zu ihr:

Frau, was weinst du?

Sie spricht zu ihnen:

Sie haben meinen Herrn weggenommen,
und ich weiß nicht,
wo sie ihn hingelegt haben.

14Und als sie das sagte,
wandte sie sich um
und sieht Jesus stehen
aber
4 weiß nicht,
dass es Jesus ist.

15Spricht Jesus zu ihr:

Frau, was weinst du?
Wen suchst du?

Sie meint, er sei der Gärtner,
und spricht zu ihm:

Herr, hast du ihn weggetragen,
so sage mir, wo du ihn hingelegt hast;
dann will ich ihn holen.

16Spricht Jesus zu ihr:

Maria!

Da wandte sie sich um
und spricht zu ihm auf hebräisch:

Rabbuni!,

das heißt: Lehrer!5

17Spricht Jesus zu ihr:

Rühre mich nicht an!
Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater.
Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen:
Ich fahre auf zu meinem Vater
und zu eurem Vater,
zu meinem Gott
und zu eurem Gott.

18Maria von Magdala geht
und verkündigt den Jüngern:

Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.

Lasst uns beten:
Herr Jesus Christus sprich zu uns durch die Predigt,
denn dein Wort ist das Leben
und in deinem Lichte
sehen wir das Licht.
— Amen

Liebe Schwestern und Brüder!

1. konkret6

Maria Magdalena war eine konkrete Person,
ein richtiger Mensch,
den es wirklich gegeben hat.
Das Neue Testament
enthält eine ganze Reihe „gemalter“ Bilder von ihr:

  • Sie war eine Jüngerin von Jesus,
    seit er sie geheilt hat.
  • Sie war bei seiner Kreuzigung dabei
    und bei seiner Beerdigung.
  • Sie gilt als eine der ersten Zeuginnen der Auferstehung.
  • Unsere Geschichte heute
    schildert sie sogar als den ersten Menschen,
    dem der auferstandene Jesus erscheint.

Dazu kommt einiges an Legendenbildung und Spekulation,
manches davon auch „möchtegern“ und abwegig.

Natürlich liefert die Bibel keine Bilder,
die wie Fotos sind.
Viel mehr sind sie wie gemalt.
Die Evangelisten nehmen sich ein gutes Stück
künstlerischer Freiheit,
um ihrer konkreten Leserschaft die Ereignisse nahe zu bringen.
Gerade dadurch bewahren sie aber echte Erinnerungen
an eine konkrete Frau:
Maria, mit dem Beinamen ihrer Heimatstadt, Magdalena.

Es ist sehr typisch für die Bibel,
von konkreten Menschen, Orten und Zeiten zu berichten.
Sie sind nicht einfach Beispiele und Vorbilder,
sondern Stellvertreter für uns.
Wenn Maria am Grab ihres Lehrers Jesus steht,
stehst du am Grab deines Herrn und Heillandes Jesus Christus
wie du am Grab eines lieben Menschen stehst.
Die Engel der Auferstehung sitzen am Kopf- und am Fußende
und ihr Licht erleuchtet dich mit Glauben. —
In diesem Licht kehrt Maria um!

Der Glaube an die Auferstehung ist eine Verrücktheit.
Wir werden ver-rückt
und sehen neu.
Maria kehrt (sich) um
und sieht Christus.

Frau, warum weinst du?

Ver-rückt, wie sie ist,
und auch bekehrt,
kann sie immer noch nicht glauben. –
Ihr Zweifel ist dein Zweifel.
Wir zweifeln alle zurecht,
denn die Auferstehung ist ein Wunder
und für uns gefallene Menschen nicht fassbar.

Jesus sagt dann zu ihr ein Wort,
Jesus sagt genau ein Wort,
das ihr den Zweifel nimmt
und den Glauben in ihrem Herzen überfließen lässt.
Jesus sagt

Maria.

Das ist,
was Jesus tut in deiner Taufe:
Er ruft dich bei deinem Namen
und er sagt die:

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst;
ich habe dich bei deinem Namen gerufen;
du bist mein!

Wenn du durch Wasser gehst,
will ich bei dir sein,
dass dich die Ströme nicht ersäufen.
Wenn du ins Feuer gehst,
sollst du nicht brennen, und
die Flamme soll dich nicht versengen.
7

Der Spieß stellt sich vor die Batterie
und ruft

Achtung!

Die Soldaten stehen stramm.

Jesus ruft deinen Namen.
Dadurch entreißt er dich aus den Klauen des Taufels
und aus Sünde und Tod.

Die Bibel redet von konkreten, echten Menschen,
weil du ein konkreter,
echter Mensch bist,
mit einem Namen,
den Jesus kennt.

2. Poesie8

Die Bibel redet und erzählt oft poetisch.
Im unseren Beispiel heute morgen
erzählt Johannes so,
als fände Marias Begegnung mit Jesus
in einem Garten statt.
9
Sie hält ihn für den Gärtner!

Ob wir uns einen angelegten Friedhof vorstellen sollen,
wie wir ihn kennen,
ist dabei gar nicht so wichtig.
Wichtiger ist,
dass diejenigen,
die ihre Bibel gut kennen,
sofort an einen andren Garten denken:
den Garten Eden nämlich.

Ex 3.8Die Menschen hörten Gott den Herrn,
wie er im Garten ging,
als der Tag kühl geworden war.
Und Adam versteckte sich mit seiner Frau
vor dem Angesicht Gottes…
9Und Gott der Herr rief

Adam

und sprach zu ihm:

Wo bist du?

10Und er sprach:

Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich;
denn ich bin nackt,
darum versteckte ich mich.

Adam schämt sich,
als Gott seinen Namen ruft.
Maria schämt sich nicht,
denn Christus hat sie erlöst.
Genau so hat Christus dich erlöst
und bei deinem Namen genannt. —

Wahrhaft würdig ist es und recht,
dass wir dich,
heiliger Herr, allmächtiger Vater,
ewiger Gott
immer und überall loben und dir danken
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Durch ihn
hast du das Heil des menschlichen Geschlechtes vollbracht
am Stamme des Kreuzes –
und wie der Tod durch Adams Ungehorsam
am Baum des Paradieses den Anfang genommen,
so ist am Holz des Fluches
das Leben wieder entsprossen
durch deines Sohnes Gehorsam.
10

Das ist das Hochgebet von Judika.
In den letzten Wochen der Passionszeit
beginnt das Abendmahl unter diesem Gebet.
Die Sprache mag altmodisch sein und sperrig,
aber auch sie ist ein Stück Poesie.
Poesie verbindet uns mit einer tieferen Wirklichkeit.
Das Tischgebet für das himmlische Festmahl
stimmt ein in den Gesang der Engel.

Hesekiels Vision,
Davids Psalm,
Johannes’ Geschichte,
unser Gesang und Gebet:
Sie alle schwingen in der selben Harmonie
und verkündigen Gottes Barmherzigkeit
und unsere Freude.

Die Rechte des Herrn ist erhöht,
die Rechte des
Herrn behält den Sieg.

Ich werde nicht sterben, sondern leben
und des
Herrn Werke verkündigen.11

Das ist aus dem Eingangspsalm zum Osterfest.
Es passt sehr gut zum Ende unserer Geschichte,
denn Maria wurde von Jesus angesprochen,
umgekehrt, bekehrt und ver-rückt.
Doch sie blieb nicht so da stehen, wo sie war,
sondern im Gegenteil:
Sie fing an zu laufen,
denn die Wahrheit Gottes
hat ein Ziel und einen Zweck.

3. Ziel und Richtung der Wahrheit12

Christus spricht zu ihr:

„Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen:
Ich fahre auf zu meinem Vater
und zu eurem Vater,
zu meinem Gott
und zu eurem Gott“.

18Maria von Magdala geht
und verkündigt den Jüngern:

„Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt“.

Gott hat das Evangelium
mit seinem eignen Antrieb ausgestattet.

  • Wir müssen es nicht dribbeln wie einen Fußball,
    den man tritt
    und der dann irgendwann liegenbleibt.
  • Wir müssen seine Batterie nicht laden
  • oder seinen nicht Tank befüllen.

Jesus selbst ist der Antrieb
und der Heilige Geist ist der Impuls.
Er ging über Maria Magdalena an die Jünger
und die Menschen, die um Jesus waren.
Sie haben Menschen von ihm erzählt,
viele Menschen aus vielen Völkern angenommen,
gelehrt und getauft.
Das ist eine lange Kette,
die hinreicht bis zu dir.
Gott wollte das so!
Es ging ihm dabei nie um sich selbst,
oder um’s Prinzip,
oder um Recht haben,
sondern es ging von Anfang an um dich.
Wir sind geborgen in Gott.

Du hast meine Nieren bereitet … im Mutterleibe. …
Es war dir mein Gebein nicht verborgen,
als ich im Verborgenen gemacht wurde,
als ich gebildet wurde unten in der Erde.

Deine Augen sahen mich,
als ich noch nicht bereitet war,
und alle Tage waren in dein Buch geschrieben,
die noch werden sollten
und von denen keiner da war.

Mit diesen Worten aus dem 139. Psalm
komme ich zum letzten Gedanken der Predigt:

4. Wahrheit ist lebendig.

Gottes Wort ist lebendig und kräftig
und schärfer als jedes zweischneidige Schwert,
und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist,
auch Mark und Bein,
und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.
13

Das Evangelium wird dir gepredigt
mit dem Ziel und Zweck dein Leben zu erreichen.
Es ist in Poesie gegossen,
damit es eine Saite anschlägt gerade in dir.
Da kannst du sehen,
wie Gott an dir wirkt – hier und jetzt.
Das neue Leben bei Gott
ist wirksam unter uns.
Es ist Frieden im Streit,
Vergebung in der Schuld,
Geduld im Trübsal,
Freude in der Hoffnung.
Das Licht der Auferstehung
leuchtet in der Dunkelheit der Welt,
denn Ostern geschieht mitten unter uns.

Amen.

Der Herr ist auferstanden – 
er ist wahrhaftig auferstanden!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!14 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Joh 18,38


3 Ich greife in die Formulierung aus LUT84 ein, der Klarheit halber.


4 και kann gerne „aber“ heißen.


5 Die wenigsten in meiner Hörerschaft sind bei einem „Meister“ in die Lehre gegangen, aber alle hatten „Lehrer“ in der Schule.


6 Vgl. „Wahrheit ist konkret, für euch, gegeben“, pafap Folge 182.


7 Aus Jes 43,1f.


8 Vgl. „Wahrheit und Poesie“, pafap Folge 183.


9 Vgl. Jörg Frey z.St. in Exegese für die Predigt zum Ostersonntag 2025, 2. Literarische Gestaltung.


10 Agende I S. 74f, vgl. Röm 5,12ff und 1Kor 15,20ff.


11 ELKG² 35.


12 Vgl. „Ziel und Zweck der Wahrheit“, pafap Folge 181.


13 Hebr 4,12


14 Phil 4,7


Manuskript zum Ausdrucken pdf, 465 KB)

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