12:56

Marmorstein und Eisen bricht
Predigt zu Jes 51,1–8

172 Altjahrsabend, 31. Dezember 2024, Frankfurt

Marmor, Stein, Eisen, Inseln, Kontinente, wir und die ganze Menschheit sind vergänglich. Gottes Liebe aber spielt in einer ganz anderen Liga.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist der Anfang des 51. Kapitels im Buch des Propheten Jesaja.
Wir haben sie gerade als Lesung gehört.
Im Laufe der Predigt werde ich einige Verse wiederholen.

Lasst uns beten:
Herr Gott, himmlischer Vater,
sende uns deinen Hl. Geist,
so dass die Worte des Propheten
Worte an uns sind.
— Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

(1) diese Lesung aus dem Propheten Jesaja
inspiriert mich zu einer Lied-Predigt.
Das Lied steht aber nicht im ELKG,
deswegen muss ich es vorsingen:

Weine nicht, wenn der Regen fällt
Dam-dam, dam-dam
Es gibt einen, der zu dir hält
Dam-dam, dam-dam

Marmor, Stein und Eisen bricht
Aber unsere Liebe nicht
Alles, alles geht vorbei
Doch wir sind uns treu

Und damit,
liebe Gemeinde,
ist der Kern der Botschaft des Propheten Jesaja
in Worte gefasst.

„Marmor, Stein und Eisen bricht“ gehört vielleicht
nicht zu den großen Werken „ernsthafter“ Musik,
aber trotzdem ist das Lied kommerziell sehr erfolgreich.
Es würde mich nicht wundern,
wenn es – trotz seines Alters –
den meisten unserer Zeitgenossen besser bekannt wäre,
als der durchschnittliche Choral aus unserem Gesangbuch.
Manchmal braucht es eben keine hohe Dichtkunst
oder filigrane Musik.
Manchmal lebt eine einfache Botschaft
von einem einfachen Kern.

Ich liebe dich.
Auch wenn es regnet und die Welt grau ist:
Ich halte zu dir.
Marmor, Stein und Eisen sind endlich,
aber meine Liebe für dich
spielt in einer ganz anderen Liga.

Die Menschen,
denen Jesaja das schreibt,
können solch eine Botschaft gut brauchen.
Für sie war die Weltpolitik persönlich geworden.
Der verlorene Krieg war eine Demütigung
und die Deportation hat Betriebe zerstört
und Familien zerrissen.
Diese Botschaft richtet sich an Menschen,
die vom Regen in die Traufe gekommen sind.
Sie stehen vor den Trümmern ihres Lebens. —

Wir stehen an der Grenze zu einem neuen Jahr
und wir fragen uns,
was auf uns zukommt.
Die Nachrichten bringen uns die Politik ins Wohnzimmer
und viele fragen sich,
wann sie ganz persönlich betroffen sind.
Terroranschläge,
Massen-Kündigungen,
Unsicherheit in Deutschland
und in der ganzen Welt.

So schreibt der Prophet Jesaja an das Volk im Exil:

Schaut den Fels an, aus dem ihr gehauen seid,
und des Brunnens Schacht, aus dem ihr gegraben seid.

2Schaut Abraham an, euren Vater,
und Sara, von der ihr geboren seid.

Denn als einen einzelnen berief ich ihn,
um ihn zu segnen und zu mehren.

Der Fels ist mit das beständigste Material,
das man in der Antike verarbeiten konnte.
Ein Werkzeug, das daraus hergestellt ist,
hält lange.
Ein Haus, das aus Bruchstein gemauert ist,
übersteht so manchen Sturm.
Der Brunnenschacht ist in der Wüste eine Quelle des Lebens.
Ohne Wasser sterben Pflanzen, Tiere und Menschen.

So fest,
so beständig
und so lebensförderlich
ist Gottes Liebe für uns.

Dabei verweist Jesaja auf Abraham und Sara, die Erz-Eltern.
Das sind konkrete Menschen,
die in einer engen Beziehung zu Gott gelebt haben.
Für die ersten Hörer dieses Textes waren sie direkte Verwandte,
Vorfahren aus einer grauen Vorzeit,
aber dafür haben sie den Großeltern-Bonus:
Mit den eigenen Eltern hat man ja schon mal Streit,
über Hausaufgaben, Zimmer aufräumen und dergleichen.
Großeltern sind da viel entspannter.
Und Erz-Eltern sind noch entspannter als die.
Um so mehr strahlen sie als Vorbilder im Glauben.
Jesaja sagt:

Auf die sollt ihr schauen,
wenn ihr zweifelt.

„Denn als einen einzelnen berief ich ihn,
um ihn zu segnen und zu mehren.“

Das heißt:

Der Segen Gottes,
den er Abraham versprochen hat,
ist Wirklichkeit geworden
in dir.

Das ist eine starke Botschaft,
die die Israeliten im Exil gut brauchen konnten.

Auf wen sollen wir schauen?
Auf Jesus Christus.
Das Kind in der Krippe ist Gottes Botschaft hier in der Welt.
Er ist das Veredelungs-Bad, in das wir eingesenkt wurden.
Statt durch Verwandtschaftsbeziehung
sind wir mit ihm durch die Taufe verbunden.

Schaut den Heiland an, den Gott uns gesandt hat!
Hier sagt er uns,
wie wertvoll wir ihm sind

(2) Die Bilder, die Jesaja verwendet,
sind die ganz großen.
Alle Menschen in allen Völkern sind angesprochen,
Inseln und Kontinente beruft er als Zeugen:

Die Inseln harren auf mich
und warten auf meinen Arm.

6Hebt eure Augen auf gen Himmel
und schaut unten auf die Erde!

Denn der Himmel wird wie ein Rauch vergehen
und die Erde wie ein Kleid zerfallen,

und die darauf wohnen,
werden wie Mücken dahinsterben.

Aber mein Heil bleibt ewiglich,
und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen. —

Gott sagt der Welt die Wacht an
und dass sie vergänglich ist.
Gottes Gerechtigkeit aber besteht von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Dem Evangelisten Johannes ist es ganz wichtig,
dass Jesus das ewige Wort Gottes ist.

Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
2

Jesus Christus war immer schon da.
Er ist nicht ein kluger Lehrer
oder ein weiser Religionsstifter,
sondern Gott selbst hat uns in ihm sein Angesicht zugewandt
und uns ein liebevolles Lächeln geschenkt.
Diese Zuwendung überbrückt Raum und Zeit,
Werden und Vergehen.

Marmor, Stein und Eisen bricht,
Inseln und Kontinente werden und vergehen,
doch Gottes Zuwendung zu uns
spielt in einer ganz anderen Liga.
Was auch immer auf uns zukommt im nächsten Jahr,
Gottes Liebe zu uns steht nicht in Frage.

(3) Das heißt noch lange nicht,
dass das Leben im Glauben immer nur einfach ist.
Jesaja schreibt:

Fürchtet euch nicht, wenn euch die Leute schmähen,
und entsetzt euch nicht, wenn sie euch verhöhnen!

8Denn die Motten werden sie fressen wie ein Kleid,
und Würmer werden sie fressen wie ein wollenes Tuch.

Aber meine Gerechtigkeit bleibt ewiglich
und mein Heil für und für.

Da sitze ich „zwischen den Jahren“ im „Extrablatt“
und tippe an dieser Predigt.
Da geht jemand an seinem Weg zum Buffet an mir vorbei
und meint:

Pack die Arbeit weg,
es ist Sonntag!

Er hat recht.
Genau zu dieser Zeit
steht Joe Joneleit hier in Frankfurt in der Kirche
und leitet den Gottesdienst am 1. Sonntag nach Weihnachten.
Ich antworte aber biblisch und sage:

Der Sabbat ist für den Menschen gemacht,
nicht der Mensch für den Sabbat.
3

Mein Gegenüber meinte es nur gut mit mir.
Mit gespielter Entrüstung antwortet er:

Die Pharisäer haben einen Bibelvers für alles!

Darauf wusste ich nichts mehr zu sagen.
Ich hatte doch ein Herrenwort zitiert
gegen die Pharisäer.

Diese Episode zeigt sehr schön,
dass Glauben eben im Leben stattfindet.
In einem Leben voller gut gemeinter Ratschläge
und Missverständnissen,
aber auch voller Verletzungen und Zweifel.

Wo ist denn dein Gott?

Das will man nicht hören in einer persönlichen Krise,
von anderen nicht
und noch weniger von sich selbst.

Wenn ich als Kind gefallen war,
und mir das Knie aufgeschlagen hatte,
sagte meine Oma diesen Vers auf:

Heile, heile Gänschen
Das Kätzchen hat ein Schwänzchen
Heile heile Mausespeck
In hundert Jahren is alles weg.

„Ja, natürlich“,
habe ich mir als Kind gedacht,
„in hundert Jahren bin ich tot.
Bis dahin ist mein Knie wieder geheilt,
wieder aufgeschlagen
und wieder geheilt.“

Der Prophet geht noch einen Schritt weiter und sagt für Gott:

Aber meine Gerechtigkeit bleibt ewiglich
und mein Heil für und für.

In hundert Jahren ist es nicht einfach vorbei,
sondern gestern, heute und dann
sind wir in Gottes Hand.
Wenn wir daran zweifeln, sollen wir auf Jesus Christus schauen.

Jesus Christus ist gestern und heute
und derselbe auch in Ewigkeit.
4

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!5 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Joh 1,1


3 Vgl. Mk 2,27.


4 Heb 13,8


5 Phil 4,7


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