15:41

Jakob schaut die Himmelsleiter
Predigt zu Gen 28,10–22

163 14. So. n. Trinitatis, 1. September 2024, Frankfurt

Wir begleiten Jakob beim Auszug aus dem Elternhaus: die erste Nacht in seiner ersten eigenen Wohnung. Er bekommt einen starken Zuspruch von Gott, doch Jakob ist nicht blauäugig oder naiv.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Diese Predigt legt die Lesung aus dem Alten Testament aus,
die wir gerade gehört haben: Die Geschichte, wie Jakob die Himmelsleiter sieht in Betel.
2
Einige Verse werde ich gleich für uns wiederholen.

Lasst uns beten:
Herr Gott, Heiliger Geist, bitte rede zu uns durch die Geschichte von Jakob und der Himmelsleiter,
schließ uns die Bibel auf
und sprich durch dein Wort in unser Herz.
— Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

(1) erinnert ihr euch daran, wie ihr zu Hause ausgezogen seid?
Also ich meine: aus dem Haus eurer Eltern ausgezogen?
Die erste Nacht in der ersten eigenen Wohnung?

Es gibt diese Mischung aus Angst und Erwartung.
Man weiß sehr genau, was man zurücklässt,
aber man hat nur eine
ungefähre Vorstellung von dem,
was einen erwartet.
Es ist ein spannender Moment,
voller Erwartungen
und voller Verheißung.
Was hast
du gefühlt, als du da im Bett lagst?
Was hast
du geträumt?

Wir begleiten heute Morgen einen jungen Mann auf dem Weg
von seinem Elternhaus in seine erste eigene Wohnung.
Jakob ist von zu Hause ausgezogen.
Er hat sich mit seinem Bruder schwer verkracht,
aber sein Vater segnet ihn.

Die Bibel schreibt:

Gen 28,10Jakob zog aus von Beerscheba
und machte sich auf den Weg nach Haran
11und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht,
denn die Sonne war untergegangen.

In Beerscheba steht das Haus seiner Eltern.
Sein Ziel ist die Stadt Haran.
Auf dem Weg muss Jakob übernachten.
Und in dieser Nacht,
der ersten Nacht,
wo er von zu Hause ausgezogen ist,
die erste Nacht,
die er alleine verbringt, als ein Erwachsener,
da hat er diesen Traum:

Jakob schaut die Himmelsleiter!
Und die Engel laufen auf der Leiter auf und nieder
und ganz oben steht Gott und redet mit ihm.

Das Bild, das das bei mir im Kopf sofort erzeugt,
ist aus einem Buch, das wir als Kinder hatten:
„Die Weihnachtsbäckerei“.
In dem Buch stehen 24 Geschichten,
die unsere Mutter uns am Bett vorgelesen hat,
als meine Schwester so alt war,
wie die Kindergartenkinder,
die gerade hier gesungen haben.
Das funktioniert wie ein Adventskalender:
für jeden Abend im Advent eine Geschichte.

Und weil ich immer an dieses niedliche Buch denke,
wenn ich „Himmelsleiter“ höre,
muss ich mich regelmäßig erst daran erinnern,
dass es sich bei dieser Geschichte nicht um „Kinderkram“ handelt:
Das ist keine Geschichte für Kinder oder von Kindern,
sondern es ist die Geschichte von jemandem,
der gerade
erwachsen geworden ist.

Dieser junge Erwachsene
bekommt von Gott einen starken Zuspruch:

„Ich bin der Herr,
der Gott deines Vaters Abraham,
und Isaaks Gott.

  • 15Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten,
    wo du hinziehst,
    und will dich wieder herbringen in
    dieses Land.
  • Denn ich will dich nicht verlassen,
    bis ich alles tue,
    was ich dir zugesagt habe“.

Gott stellt sich erst mal vor:

„Ich bin der Gott
Abrahams (deines Großvaters)
und Isaaks (deines Vaters).

Gott möchte eine Beziehung mit Jakob.
Er möchte, dass Jakob an ihn glaubt.
Er möchte, dass Jakob sich darauf verlässt,
was er ihm versprochen hat:

Ich will bei dir sein und dich behüten,
egal, wo du hingehst.

Deswegen nennt er ihm seine Vorbilder im Glauben:
seinen Großvater und seinen Vater.

Hast du Vorbilder im Glauben?

Wie schön ist es, wenn man Menschen kennt,
nach denen man sich richten kann.
Was ein Segen,
wenn man zu Hause auszieht und sagen kann:

„Mein Vater hat es auch geschafft,
weil er immer mit Gottes Segen gerechnet hat!“

Oder auch:

„Das Leben meiner Mutter ist ganz anders als meins,
aber sie ist mir trotzdem ein Vorbild,
wegen ihrer Stärke
und ihrem Vertrauen auf Gott“.

Man geht als Mensch
mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein
durchs Leben,
wenn man einen Gott neben sich weiß,
der einem zusagt:

Ich habe dich lieb.
Ich bin bei dir und ich behüte dich,
egal, wo du hingehst.

Das ist, was Gott dem Jakob hier verspricht.

Doch Jakob ist noch vorsichtig.
Er ist ein junger Mann
und er hat noch keine Erfahrungen im Glauben gemacht.

Er will nicht blauäugig sein und nimmt sich vor:

Wenn Gott mit mir sein wird
- und mich behüten auf dem Wege, den ich reise,
- und mir Brot zu essen gibt und Kleider anzuziehen
-
21und mich mit Frieden wieder heim bringt
zu meinem Vater,
dann soll der Herr mein Gott sein.
22Und dieser Stein,
den ich aufgerichtet habe zu einem Steinmal,
soll ein Gotteshaus werden“.

Für Jakob ist es eiskalt ein Wenn-Dann:

Wenn Gott sein Versprechen hält,
dann will ich mich ihm auch dankbar zeigen.

Für unsere Ohren klingt das ganz schön dreist gegenüber Gott.
Wir meinen manchmal, es wäre besonders „fromm“,
wenn man keine Fragen stellt.

Die Bibel sagt hier aber:

Der Glaube ist belastbar.
Probier es ruhig aus!
Hat Jakob auch gemacht!

Naiv zu sein ist kein Zeichen für starken Glauben,
im Gegenteil!

(2) Liebe Brüder und Schwestern,

wir Christen glauben daran, dass Gott die Welt geschaffen hat.
Doch Gottes schöpferische Kraft hat nicht aufgehört,
als die Erde da war,
sondern wirkt noch fort in allem Leben, das leben will.
All das Wachsen und Gedeihen,
das Größerwerden und Frucht bringen,
– davon leben auch wir.

Früher haben die Menschen noch mehr aus ihren Gärten gelebt.
Viel mehr von uns waren in der Landwirtschaft tätig.
Heute kaufen wir unsere Lebensmittel im Supermarkt
und bekommen sie geliefert von der Industrie.
Trotzdem steht am Anfang aller Nahrung
und allen Lebens
die Zusage Gottes,
die er uns verspricht im Buch Genesis im 8. Kapitel:

Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.3

Wir leben von diesem Wort.
Auch wenn wir nicht mehr selbst auf die Felder gehen,
auch wenn wir Maschinen benutzen für die Arbeit:
die eigentlich Kraft, die alles wachsen lässt,
kommt nicht von uns,
sie kommt von Gott.
Diese Erfahrung hat auch Jakob in seinem Leben gemacht.

Das war nicht unbedingt immer ein einfaches Leben.
Ich habe ja eingangs schon erwähnt,
dass er schlimm Streit hatte mit seinem Bruder.
Erst nach Jahren konnten die beiden sich versöhnen.
Jakob war kein perfekter Mensch,
und dennoch hatte Gott ihn lieb.
Und Gott ist nie von seiner Seite gewichen.

Jakob hat immer geglaubt,
dass es Gott gut mit ihm meint.
Er hat ihn nie verlassen
und Jakob hat Gott vertraut
und er war ihm dankbar.

Aus dem Stein,
den Jakob in dieser Nacht an seinem Kopfende aufgestellt hat,
ist tatsächlich ein Gotteshaus geworden.
Das hatte Jakob sich vorgenommen an diesem Morgen:

22„Dieser Stein,
den ich aufgerichtet habe zu einem Steinmal,
soll ein Gotteshaus werden“.

Aber das Geld und die Mühe,
die Jakob in diesen Tempel investiert hat,
sind nur ein äußeres Zeichen für das eigentlich Wichtige:
Die Beziehung, die Jakob mit seinem Gott geführt hat,
in Glauben, Vertrauen, Dankbarkeit und Gebet.

(3) Liebe Gemeinde,
wo ist denn
unsere Himmelsleiter?
Wo ist die Verbindung zwischen Himmel und Erde,
auf der Gott
uns zusagt,
dass er uns liebt und unser Leben lang begleiten will?

Gott kommt nur manchmal zu uns in einem Traum,
in einer Vision oder einem Rausch.
Gott ist zu uns gekommen als Mensch,
nämlich in seinem Sohn Jesus Christus.
Hier hat sich Gott gezeigt, wie er wirklich ist,
dass er uns liebt
und dass er bei uns sein will,
unser Leben lang.

Selbst im Tod lässt er uns nicht allein.
Christus wurde geboren – genau wie jeder von uns.
Und genau wie jeder von uns einst sterben wird,
ist er gestorben, als man ihn ans Kreuz genagelt hat.

Doch es ist für Jesus nicht beim Tod geblieben
und es wird auch für uns nicht beim Tod bleiben.
Christus ist
auferstanden von den Toten
und er wird auch uns rufen aus unserem Grab.
Deswegen müssen wir keine Angst haben vor dem Tod
und im Leid gibt uns der Glaube Kraft und Geduld.

Gott möchte in Beziehung leben zu allen seinen Geschöpfen und ganz besonders zu uns Menschen –
zu dir und zu mir.

Das gilt im ganz Großen:
Er schenkt uns seine schöpferische Kraft,
die um uns herum alles Leben schafft und erhält,
so dass wir zu Essen und zu Trinken haben.

Das gilt in der Geschichte für Menschen wie Jakob.
Gott ist mit ihm seinen Lebensweg gegangen.
Jakob konnte Gottes Segen spüren und sehen
und er hat geglaubt und war dankbar.

Das gilt aber auch für jeden von uns.
Wir brauchen keine Himmelsleiter
und keine Engel, die daran auf- und niederlaufen,
denn in Jesus Christus ist Gott Mensch geworden
und zu uns gekommen.
Wir sind mit ihm verbunden in der Taufe.
Darauf können wir uns verlassen,
unser Leben lang. — Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!4 Amen.

Predigtabschnitt

Gen 28,10Jakob zog aus von Beerscheba
und machte sich auf den Weg nach Haran
11und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht,
denn die Sonne war untergegangen.

Und er nahm einen Stein von der Stätte
und legte ihn sich ans Kopfende
und legte sich an der Stätte schlafen.

12Und er träumte.
Und siehe, eine Leiter stand auf Erden,
die rührte mit der Spitze an den Himmel.
Und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder.
13Und der Herr stand oben darauf und sprach:

„Ich bin der HERR,
der Gott deines Vaters Abraham,
und Isaaks Gott.
Das Land, darauf du liegst,
will ich dir und deinen Nachkommen geben.
14Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden,
und durch dich und deine Nachkommen
sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.

15Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten,
wo du hinziehst,
und will dich wieder herbringen in
dieses Land.
Denn ich will dich nicht verlassen,
bis ich alles tue,
was ich dir zugesagt habe“.

16Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er:

„Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte,
und ich wußte es nicht!“

17Und er fürchtete sich und sprach:

„Wie heilig ist diese Stätte!
Hier ist nichts anderes als Gottes Haus,
und hier ist die Pforte des Himmels“.

18Und Jakob stand früh am Morgen auf
und nahm den Stein, den er an sein Kopfende gelegt hatte,
und richtete ihn auf zu einem Steinmal
und goss Öl oben darauf.
19Er nannte den Ort Bethel; vorher aber hieß die Stadt Lus.
20Und Jakob tat ein Gelübde und sprach:

„Wird Gott mit mir sein
- und mich behüten auf dem Wege, den ich reise,
- und mir Brot zu essen geben und Kleider anzuziehen
-
21und mich mit Frieden wieder heim bringen zu meinem Vater,
so soll der
Herr mein Gott sein.
22Und dieser Stein,
den ich aufgerichtet habe zu einem Steinmal,
soll ein Gotteshaus werden;
und von allem, was du mir gibst,
will ich dir den Zehnten geben“
.

1 1.Kor 1,3


2 Text am Ende des Manuskriptes!


3 Gen 8,22


4 Phil 4,7


Manuskript zum Ausdrucken pdf, 251 KB)

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