16:54

Der Kämmerer aus Äthiopien
Predigt zu Apg 8,26–39

158 6. So. n. Trinitatis, 7. Juli 2024, Frankfurt

Anhand der Geschichte von Philippus und dem Kämmerer fragen wir uns, wen Gott zu uns geschickt hat, um uns im Glauben zu begleiten. Das soll uns ins Gebet führen.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
findet sich in der Apostelgeschichte, im 8. Kapitel:

26Der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach:

„Steh auf und geh nach Süden auf die Straße,
die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist“.

27Und er stand auf und ging hin.
Und siehe, ein Mann aus Äthiopien,
ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake,
der Königin von Äthiopien,
welcher ihren ganzen Schatz verwaltete.
Er war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten.
28Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen
und las den Propheten Jesaja.

29Der Geist aber sprach zu Philippus:

„Geh hin und halte dich zu diesem Wagen!“

30Da lief Philippus hin und hörte,
dass er den Propheten Jesaja las,
und fragte:

„Verstehst du auch, was du liest?“

31Er aber sprach:

„Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet?“

Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. 32Der Inhalt aber der Schrift, die er las, war dieser:

„Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird,
und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt,
so tut er seinen Mund nicht auf.
33In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben.
Wer kann seine Nachkommen aufzählen?
Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.“

34Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach:

„Ich bitte dich, von wem sagt der Prophet das,
von sich selber oder von jemand anderem?“

35Philippus aber tat seinen Mund auf
und fing mit diesem Wort der Schrift an
und predigte ihm das Evangelium von Jesus.

36Und als sie auf der Straße dahinfuhren,
kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer:

„Siehe, da ist Wasser; was hindert’s,
dass ich mich taufen lasse?“

38Und er ließ den Wagen halten,
und beide stiegen in das Wasser hinab,
Philippus und der Kämmerer.
Und er taufte ihn.

39Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen,
entrückte der Geist des Herrn den Philippus,
und der Kämmerer sah ihn nicht mehr;
er zog aber seine Straße fröhlich.

Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege!2 — Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

kennt ihr das:
Von den Dingen, auf die man ständig draufguckt,
hat man kein Foto.
Warum auch?
Man hat die Dinge
selbst ja ständig vor Augen!

Bei der Vorbereitung dieses Predigt
ging es mir so mit den Buntglasfenstern
in der Kapelle im Missionshaus unserer Kirche in Bleckmar. Dort ist nämlich unsere heutige Geschichte dargestellt,
die Taufe des Kämmerers aus Äthiopien.
3

Wenn man im Glauben lebt,
geht es einem mit dem Weg im Glauben vielleicht ähnlich.
Man hat den Weg ständig vor Augen.
Man lebt im Glauben,
und nimmt sich deswegen nie die Zeit,
innezuhalten und –so zu sagen– ein Foto zu machen.

Ich möchte mit dieser Predigt heute morgen versuchen,
uns einen Raum zu eröffnen,
einen solchen Blick auf unseren Weg im Glauben zu werfen.
Die Geschichte vom Äthiopischen Kämmerer
soll uns dabei als Vorlage dienen.

Ich werde uns die Geschichte noch einmal vor Augen führen,
sie dann so-zu-sagen „anhalten“
und uns eine Frage zu stellen:
„Wie war das eigentlich
bei uns“.

Dabei geht es nicht darum,
sentimental an „damals“ zu denken,
sondern wir bedenken die Taten Gottes in unserem Leben.
Das soll uns führen ins Gebet.

Das wird sich vielleicht ungewohnt anfühlen,
wenn ich hier oben stehe und während der Predigt schweige.
Ich bitte euch, euch darauf einzulassen
und es einfach mal auszuhalten.

Ich beende die Gebetszeit
jeweils mit einem kurzen Kollektengebet.
Das dient dazu die
vielen Gebete der Gottesdienstbesucher
zu sammeln in
ein Gebet der Gemeinde.

Wir werden drei solche Gebetszeiten haben.

(1) Der Engel des Herrn

Unsere Geschichte beginnt mit einem Auftrag:

Der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach:
„Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist“.

Philippus wird regelrecht losgeschickt,
um dem Kämmerer zu begegnen.
Wie wir uns das genau vorstellen sollen,
dass ihm „der Engel des Herrn“ diesen Auftrag übermittelt hat,
wissen wir nicht.
Wir können aber aus dieser Stelle lernen,
dass Gott Menschen
losschickt
um anderen den Glauben zu vermitteln.
Aus
unserer Perspektive mag das aussehen wir Zufall,
aber in Wirklichkeit ist es ein Plan Gottes,
um uns –gerade uns!– anzurühren
und mit dem Glauben in Berührung zu bringen.

Wen hat Gott losgeschickt,
um uns mit dem Glauben zu begegnen?

Für mich Persönlich war das als allererstes meine Großmutter.
Meine erste bewusste Erinnerung an Glauben ist,
dass sie mir ein Gute-Nacht-Gebet beigebracht hat:

Ich bin klein,
mein Herz ist rein,
soll niemand d’rin wohnen,
als Jesus allein.

Das ist mein erstes Gebet!

Wen hat euch der Engel des Herrn geschickt,
um euch anzusprechen?

Wir nehmen uns einen Moment Zeit,
dies zu bedenken und Gott zu danken.

Lasst uns beten: Herr Gott, himmlischer Vater, hab Dank, dass du Menschen losgeschickt hast, die auf unseren Lebensweg getreten sind, um uns den Glauben zu bringen. Bitte stifte immer wieder solche Begegnungen, die Menschen in eine Beziehung zu dir führen. — Amen.

(2) Ein Wort der Schrift

Von dem Engel des Herrn derart losgeschickt,
begegnet Philippus einem hohen Beamten
der Äthiopischen Königin Kandake.
Der Kämmerer ist in mehrfacher Hinsicht ein Fremder:

  • Wir müssen uns wohl den Äthiopier
    als einen hochgewachsenen Mann vorstellen,
    mit Haut so dunkel,
    wie die Haut eines Menschen nur sein kann.
    Sein Heimatland galt den Menschen in der Antike
    als das Ende der Welt.
    Von weiter weg kann man nicht kommen.
  • Obwohl er kein Jude ist,
    fährt er zum Tempel nach Jerusalem „um anzubeten“.
    Wir erfahren nicht, wie ihn die Kunde über den Gott Israels in seiner Heimat erreicht hat, doch er nimmt eine Reise von ca 3.000 km in einer Kutsche auf sich, um diesem Gott zu begegnen.
    Gottes Wort ist ausgegangen, „bis an die Enden der Erde“.
  • Für viele hohe Regierungsposten war es damals üblich,
    dass sie mit Eunuchen besetzt wurden.
    Ein Eunuch kann keine Familie haben,
    keine Dynastie gründen.
    Von ihm geht weniger Gefahr aus für den amtierenden König.
    So ist er einerseits ausgeschlossen,
    von den Menschen,
    die in ihren Kindern weiterleben.
    Andererseits, ganz praktisch,
    darf er am Tempelgottesdienst nicht teilnehmen.

Und obwohl er ausgeschlossen ist,
durch seine Herkunft und seine körperliche Verfassung,
zieht es ihn doch nach Jerusalem.
Ja, es zieht ihn zum Wort Gottes.
Die Bibel spricht ihn an!
Nur so ist zu erklären, dass er sich eine Jesaja-Rolle kauft.
Der finanzielle Aufwand ist kaum zu überschätzen!
Das ist ein sehr, sehr teures Reise-Andenken!
Und er ließt darin.
Laut, wie es damals üblich war,
so dass Philippus ihn hört und ihn fragt:

„Verstehst du auch, was du ließt?“

Die Antwort des Kämmerers ist für uns sprechend:

„Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet?“

Zum Verstehen bedarf es der Anleitung.

Die meisten Teile der Bibel sind nicht dafür gedacht,
dass man sie liest wie einen Roman,
sondern das Buch hat die Rolle eines Schulbuches:
Lehrer und Schüler leben gemeinsam unter Gottes Wort:
gemeinsames lesen,
gemeinsames „treiben und reiben“,
gemeinsames verstehen.
Das ist, wie Gottes Wort uns erreicht.

Wir brauchen Anleitung beim Lesen der Bibel.
Zum einen ist sie uns kulturell fremd.
Zum anderen aber, ist sie nicht das Buch eines einzelnen,
sondern sie ist das Buch der
Kirche.
Zum Glauben gehört
diese Gemeinschaft.

Der Kämmerer erkennt in Philippus einen,
der in der Bibel zu Hause ist.
Er hofft vielleicht, dass er ein Schriftgelehrter ist.
Er sieht, dass Philippus Jude ist.
Deswegen vermutet er bei ihm
einen Wissens- und Verstehens-Vorsprung,
wie ein Lehrer ihn hat.
Er lädt ihn ein, sich zu ihm auf den Wagen zu setzen.

Es gibt in meinem Leben viele Menschen,
die mir das Wort der Heiligen Schrift aufgeschlossen haben.
Ganz früh waren das die Mitarbeiterinnen im Kindergarten
und der Pastor der Kirchengemeinde bei uns im Dorf.
Besonders bewusst sind mir natürlich meine Lehrer
an der Hochschule in Oberursel
und an der Universität.
Akademische Arbeit war für mich immer auch geistliche Auseinandersetzung.

Wer hat euch das Wort der Heiligen Schrift aufgeschlossen?

Wir nehmen uns einen Moment Zeit,
dies zu bedenken und Gott zu danken.

Lasst uns beten: Herr Jesus Christus, wir danken dir, dass du uns in eine Gemeinschaft stellst, in der die Heilige Schrift gelehrt, gepredigt und uns aufgeschlossen wird. Wir bitten dich,
schütze die Bibel vor Missbrauch und Irrtum und erbaue und stärke deine Kirche unter deinem Wort. — Amen.

(3) Ein gesegnetes Gespräch

Philippus beginnt bei der Bibelstelle,
die der Kämmerer gerade ließt,
und

„predigte ihm das Evangelium von Jesus“.

Die beiden führen ein intensives Glaubens-Gespräch.
Es ist eine bereichernde Erfahrung für alle,
wenn man merkt,
dass man im selben Geist redet.
Das gilt auch,
wenn der Glauben bei einem der Gesprächspartner
noch nicht zu einem Bekenntnis
oder zu der Bereitschaft zur Taufe gereift ist.

Für den Kämmerer
hat Gott jetzt-und-hier die Gelegenheit geschaffen,
dass der Glaube konkret wird.
Er sieht ein Gewässer und bittet Philippus um die Taufe.
Wir wissen nicht,
wie viel Zeit die beiden Männer miteinander verbracht haben.
Lukas schreibt, als sei alles schnell hintereinander geschehen,
aber vielleicht hat er auch eine längere gemeinsame Reise
in diesen wenige Sätzen verdichtet.

Für den Kämmerer geht hier aber ein Wunsch in Erfüllung:
Er ist zum Ziel gelangt.
In dieser Wasserpfütze in Israel,
unter den Händen eines gerade noch fremden Menschen,
wird sein Bund mit Gott besiegelt.

Der Ausländer,
der Schwarze,
der Verschnittene
wird nun ein Kind Gottes.
Denk das mal so:
Dieser Mann, von dem Lukas hier schreibt,
dieser Kämmerer aus Äthiopien,
ist an diesem Tag
dein Bruder in Christus geworden!

Bereichert und beglückt macht er sich auf den Heimweg:

„er zog aber seine Straße fröhlich“.

Ich kann mich an viele Menschen erinnern,
mit denen ich intensive Gespräche
über den Glauben geführt habe.
Ich tue dies ja jetzt beruflich,
aber für
meinen Glauben prägend waren Gespräche,
die ich mit Freunden in Witten geführt habe.
Ihre Namen und Gesichter sind mir oft vor Augen,
wenn ich über ein Glaubensthema nachdenke.

Mit wem habt ihr intensive,
beglückende Gespräche über den Glauben geführt?

Wir nehmen uns einen Moment Zeit,
dies zu bedenken und Gott zu danken.

Lasst uns beten: Herr Gott, heiliger Geist, wir danken dir dafür, dass du spürbar unter uns lebst. Danke, dass du uns deine Nähe manchmal besonders spüren lässt. Schenke uns auch in Zukunft Gelegenheiten, mit Freunden, Bekannten oder Fremden intensive Gespräche über den Glauben in deiner Gegenwart zu führen. — Amen.

Liebe Gemeinde,
ich hoffe, dass diese Predigt euch eine Hilfe war,
wieder vor Augen zu führen,
woran man beim gehen selten denkt,
auf dem Weg im Glauben:

(1)… dass der Vater uns Menschen schickt, die uns im Glauben ansprechen,

(2)… dass der Sohn uns in eine Gemeinschaft stellt,
in der sein Wort gelehrt, gepredigt und uns aufgeschlossen wird und

(3)… dass der Heilige Geist spürbar unter uns lebt und dass der Glauben wächst, wenn wir in seiner Gegenwart reden und hören.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!4 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Ps 119,105


3Auf dem Bild stehen Philippus und der Kämmerer im Zentrum. Mit den Füßen im Wasser ist der Missionar gerade dabei, die Taufe zu vollziehen und der Täufling beugt andächtig sein Haupt. Im Hintergrund sehen wir den Wagen, Pferde und die Bediensteten des Kämmerers.


4 Phil 4,7


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