Von innen nach außen
Predigt zu Ps 100
In dieser Predigt lege ich den 100. Psalm so-zu-sagen von innen nach außen aus: Als Psalm, als Psalm mit seiner Antiphon und als Introitus im Zusammenhang des Gottesdienstes mit seinen Lesungen und seiner Liturgie.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist der Eingangspsalm zum heutigen Gottesdienst,
100. Psalm.
Ich werde den Psalm im Laufe der Predigt wiederholen.
Lasst uns beten:
Herr, Gott, himmlischer Vater,
sende auf uns deinen Geist, damit die Worte des Psalmes
die richtige Saite in uns anschlagen
und dein Wort in uns Wirkung entfalte. — Amen
Gliederung
Liebe Brüder und Schwestern,
die Psalmen sind das Gesangbuch des Tempels.
Von alters her haben Christen diese Lieder gesungen,
weil sie in Israels „Kirchenliedern“
die Stimme von Jesus Christus gehört haben.
Um sich daran zu erinnern
und damit ganz deutlich ist,
dass es um Jesus geht,
haben die Mönche in den Klostern
den Psalmen einen Bibelvers vorangestellt.
Das findet Ihr in unserem Gesangbuch als die Antiphon,
„das, was man davor singt“.
Die Antiphon ist wie das Vorzeichen vor der Klammer.
Sie gibt dem Psalm eine bestimmte Ausrichtung und Färbung.
Der Psalm mit seiner Antiphon steht dabei nicht allein,
sondern er ist eingebettet
in die Bibel-Lesungen
und die Liturgie des Gottesdienstes. —
In einem Chor treffen sich verschiedene Menschen
und ihre Stimmen vereinen sich in Harmonie
zu etwas Neuem, Schönen.
Ganz ähnlich vereinen sich hier verschiedene Glaubensstimmen.
Gottes Wort regt uns an,
wie der Ton eine Saite anregt,
so dass auch unsere Stimmen uns vereinen
und anbetend ohne Ende lobsingen:
Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth.2
Wenn wir Gottesdienst feiern
stehen wir mit einem Bein im Thronsaal Gottes.
Um uns diesen Zusammenklang vor Augen zu stellen,
möchte ich uns den 100. Psalm auslegen,
quasi von innen nach außen:
- den Psalm,
- den Psalm mit seiner Antiphon
- beide zusammen als Introitus im Kontext des Gottesdienstes.
Ich habe überlegt,
ob ich dafür ein kulinarisches Bild finde.
Aber was isst man schon von innen nach außen?
Eine Zwiebel häutet man bekanntlich von außen nach innen.
Was mir eingefallen ist, ist der Wurm.
Der isst den Apfel von innen nach außen.
Aber das fand’ ich nicht so ein schönes Bild
für die christliche Gemeinde. —
Obwohl: Es hat biblisches Vorbild.
Im 22. Psalm spricht der Beter, also Jesus Christus:
Ich bin ein Wurm und kein Mensch.3
Das bedenken wir dann in der Passionszeit.
Der Psalm
Hört noch einmal auf die Worte
des 100. Psalms:
1Ein Psalm zum Dankopfer.
Jauchzet dem Herrn, alle Welt!
2Dienet dem Herrn mit Freuden,
kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken!
3Erkennet, dass der Herr Gott ist!
Er hat uns gemacht und nicht wir selbst
zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide.
4Gehet zu seinen Toren ein mit Danken,
zu seinen Vorhöfen mit Loben.
Danket ihm,
lobet seinen Namen!
5Denn der Herr ist freundlich,
und seine Gnade währet ewiglich
und seine Wahrheit für und für.
Liebe Gemeinde,
das ist ein Eingangslied.
Wir ziehen feierlich in den Tempel ein,
vielleicht als ganze Familien,
vielleicht auch als ein Verein oder eine Dorfgemeinschaft.
Wir wollen ein Dankgottesdienst feiern.
Wenn wir uns ein Bild malen von den Menschen,
für die dieses Eingangslied geschrieben wurde,
müssen wir eine Sache dazumalen,
die uns sehr fremd ist:
Die hatten Schafe dabei.
Für die Menschen im Alten Israel
war Gottesdienst im Tempel
Opfer-Gottesdienst.
Ein Priester damals hatte Grundkenntnisse
im Metzger-Handwerk.
Ein vorgeschriebenes Stück aus dem Schlachtgut
wurde im Gottesdienst verbrannt.
Den größten Teil aber
hat die Familie mit nach Hause genommen
für ihr gemeinsames Abendessen. —
So hat Gott ein Stück von unserem Braten verzehrt.
„Gott hat uns besucht aus der Höhe“.4
Er hat mit uns zusammen gegessen!
Er ist mitten unter uns,
wenn wir hier als Gemeinschaft feiern!
Das war für die Menschen etwas Besonderes.
Ein Tier aus der eigenen Herde zu schlachten,
war ein Luxus.
Wenn es irgendwie ging,
hat man sicherlich das Passah-Fest gefeiert.
Aber nur in einem guten Jahr
konnte man sich einen Dankgottesdienst leisten,
zu dem dieser Psalm passt.
Wenn im Psalm also
von Freude und Jauchzen und Jubeln die Rede ist,
dann ist das die Freude am Gottesdienst, ja!,
aber auch die Freude über ein gutes Jahr,
eine gute Ernte,
ein bisschen Wohlstand.
Beides ist Freude, die Gott der Vater uns schenkt.
Der Gottesdienst
und unser gelebtes Leben
gehören fest zusammen.
Gott lebt mit uns hier wie dort.
Ich feiere sehr gerne Gottesdienste mit euch
und ich werde gleich auch noch sehr fromme Dinge
über das Abendmahl sagen.
Aber seien wir mal ganz ehrlich:
- Wenn der Kaffeeduft durch die Gemeinderäume zieht
und Hannelore aus der Küche geschossen kommt,
links zwei Kannen,
und rechts zwei Kannen in der Hand, - wenn es Kuchen und Kekse gibt,
- wenn Koffein und Zucker die Lebensgeister wecken
- und ich gucke in eure freundlichen Gesichter:
Das ist nicht der schlechteste Teil
am Pastoren-Leben.
Man darf im Gottesdienst sitzen
und mit Vorfreude haben auf das Kirchencafé.
Gott ist bei uns hier in der Kirche
und er lebt auch mit uns in unserem Alltag.
Der Psalm mit der Antiphon
Liebe Gemeinde,
auf dem Weg von innen nach außen
haben wir den Psalm alleine angeschaut.
Er ist so etwas wie ein Kirchenlied,
in dem es um Dankbarkeit und Freude geht.
Die christliche Tradition hat diesen Psalm genommen
und mit einer Antiphon versehen:
Fürchte dich nicht,
ich habe dich erlöst;
ich habe dich bei deinem Namen gerufen,
du bist mein.
Das ist aus dem Buch des Propheten Jesaja
aus dem 43. Kapitel.
Da steht weiter:
2Wenn du durch Wasser gehst,
will ich bei dir sein,
dass dich die Ströme nicht ersäufen;
und wenn du ins Feuer gehst,
sollst du nicht brennen,
und die Flamme soll dich nicht versengen.
3[…] Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben,
Kusch und Seba an deiner Statt,
4weil du in meinen Augen so wertgeachtet […] bist
und weil ich dich liebhabe.
Das ist eine Liebeserklärung.
Wenn man dieser Liebeserklärung
als ein Vorzeichen
vor ein Psalm über Dankbarkeit und Freude setzt,
wird daraus ein Lied über Taufe.
Jesus Christus, der Sohn Gottes,
hat uns Menschen angenommen.
Dich,
dich persönlich
hat er angenommen
in deiner Taufe.
Du gehörst jetzt zu Jesus.
Die Liebe des Vaters umsorgt uns.
Gott hat uns geschaffen
und versorgt uns durch die Schöpfung.
Essen, Trinken, Kleidung, Wohnen,
ein bisschen Wohlstand,
der uns hoffentlich nicht zu sehr bindet:
darüber jubeln die Israeliten auf dem Weg zum Tempel.
Die Liebe des Sohnes rechtfertigt uns.
33Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?
Gott ist hier, der gerecht macht.
34Wer will verdammen?
Christus Jesus ist hier, der gestorben ist,
ja vielmehr, der auch auferweckt ist,
der zur Rechten Gottes sitzt und uns vertritt.5
Unser Wert steht bei Gott nicht in Frage.
- In der Schule
wirst du danach bemessen,
wie gut du dich anpassen kannst. —
Jesus wollte dich schon bei sich haben,
als du noch in die Windeln gemacht hast.6 - Auf dem Arbeitsmarkt
wird dein Wert nach Leistung bemessen. —
Bei Gott
hat Jesus alles für dich getan. - In den sozialen Medien
wird dein Wert in Coolness bemessen. —
Jesus ist für dich gestorben, als du noch ein Sünder warst.7
Die Beziehung zu Gott erhalten wir nicht selbst,
sondern:
Er hat uns zu seinem Volk gemacht,
und zu Schafen seiner Weide. […]
Denn der Herr ist freundlich
und seine Gnade währet ewig
und seine Wahrheit für und für.
„Wahrheit“ bedeutet hier nicht,
dass man die christliche Lehre
besonders gut durchdrungen habe.
Das Wort für „Wahrheit“ hier
bedeutet „Festigkeit“ und „Treue“.
Gott ist einer, auf den man sich verlassen kann.
Christlicher Glaube sagt nicht:
Ich habe die Wahrheit.
Christlicher Glaube sagt:
Die Wahrheit hat mich.
Hier in der Welt zweifeln wir.
- Gibt es einen Gott?
- Und wenn es Gott gibt,
hat er überhaupt ein Interesse an mir,
wo es mir gerade so schlecht geht?
Du darfst daran zweifeln, dass es Gott gibt.
Doch Gott zweifelt nicht daran, dass es dich gibt.
Er hat dich nicht vergessen,
selbst wenn es dir mal so vorkommen sollte.
Seine Gnade und seine True wanken nicht.
Du bist ihm wertvoll.
Wenn du daran zweifelst, schaue auf Christus.
Da siehst du, das Gott alles für dich gegeben hat.
Der Psalm mit der Antiphon im Gottesdienst
Zum Abschluss möchte ich noch ein Schlaglicht setzen
auf den Psalm
mit seiner Antiphon
im Ganzen des Gottesdienstes.
Paulus schreibt an die Römer:
Wisst ihr nicht,
dass alle,
die auf Christus Jesus getauft sind,
die sind in seinen Tod getauft? […]
Wir wissen,
dass unser alter Mensch mit Christus gekreuzigt ist,
damit der Leib der Sünde vernichtet werde,
sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen.
Denn wer gestorben ist,
der ist frei geworden von der Sünde.
Sind wir aber mit Christus gestorben,
so glauben wir,
dass wir auch mit ihm leben werden.8
Das sind sehr drastische Worte.
In der Taufe sterben wir.
Wir legen uns in das Grab.
Aber weil wir mit Jesus sterben,
ist dieser Tod nicht das Ende.
Wir leben mit Christus!
Wir stehen wieder auf aus dem Tod,
und alles an uns,
was Gott missfällt,
bleibt in der Grube liegen.
Das ist ein ganz schön steiler Anspruch!
Ich lebe mein Leben mit Dankbarkeit und Freude
über Gottes Gnade,
aber auch mit Schrecken und Zweifel
über mein Scheitern in Gedanken, Worten und Werken.
Woher kommt mir Hilfe?9
Da hebe ich meine Augen auf zum Altar,
und sehe,
dass der Herr längst eine Stärkung für mich bereitet hat.
Für den alten Menschen ist das Abendmahl Gift.
Für den neuen Menschen ist das Abendmahl Nahrung.
Es ist der Proviant auf deinem Weg zur Ewigkeit.
„Jauchzet dem Herrn alle Welt“,
wie die Familie im Alten Israel,
die mit einem Danklied auf den Lippen zum Tempel zieht.
Unter den Schöpfungsgaben des Vaters
empfangen wir die Liebe des Sohnes,
der alles für uns gibt.
Der Heilig Geist erneuert uns an Leib und Seele
und gibt uns den rechten Glauben,
damit wir in Gemeinschaft leben
untereinander
und mit unserem Herrn, Jesus Christus.
Denn der Herr ist freundlich
und seine Gnade währet ewiglich
und seine Wahrheit für und für.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.
1 1.Kor 1,3
2 Jes 6; vgl. Abendmahlsliturgie ELKG² S. 27f.
3 Ps 22,7
4 Vgl. Lk 1,78.
5 Röm 8,33f
6 Vgl. Mt 19,14.
7 Vgl. Röm 5,8.
8 Aus Röm 6,3–8, die Epistel , ELKG² 52.
9 Ps 121,1
Weitere Predigten zu 6. So. n. Trinitatis:
Der Kämmerer aus Äthiopien
Apg 8,26–39,
6. So. n. Trinitatis
Anhand der Geschichte von Philippus und dem Kämmerer fragen wir uns, wen Gott zu uns geschickt hat, um uns im Glauben zu begleiten. Das soll uns ins Gebet führen.