19:10

Der Himmel über uns
Predigt zu 1.Kön 8,22–28

152 Himmelfahrt, 9.5.2024, Frankfurt

Drei Menschen und wie sie den Himmel sehen.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt, ist ein Teil des Gebetes, das König Salomo gesprochen hat bei der Einweihung des Tempels in Jerusalem. Es steht geschrieben im 1. Buch der Könige im 8. Kapitel. Dort heißt es:

22Salomo trat vor den Altar des Herrn
angesichts der ganzen Gemeinde Israel
und breitete seine Hände aus gen Himmel
23und sprach:

Herr, Gott Israels, es ist kein Gott dir gleich,
weder droben im Himmel noch unten auf Erden.
Du hältst den Bund
und die Barmherzigkeit deinen Knechten,
die vor dir wandeln von ganzem Herzen;
24der du gehalten hast deinem Knecht,
meinem Vater David,
was du ihm zugesagt hast.
Mit deinem Mund hast du es geredet,
und mit deiner Hand hast du es erfüllt,
wie es offenbar ist an diesem Tage.

25Nun, Herr, Gott Israels,
halte deinem Knecht,
meinem Vater David,
was du ihm zugesagt hast:
„Es soll dir nicht fehlen an einem Mann,
der vor mir steht,
der da sitzt auf dem Thron Israels,
wenn nur deine Söhne auf ihren Weg achthaben,
daß sie vor mir wandeln,
wie du vor mir gewandelt bist“.

26Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden,
das du deinem Knecht, meinem Vater David,
zugesagt hast.

27Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen?
Siehe, der Himmel
und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen –
wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?“

Lasst uns beten: Herr Gott, himmlischer Vater, König Salomo hat zu dir geredet im Gebet. Sei du nun der Sprecher und gebe dein Wort in unsere Herzen. — Amen

Liebe Gemeinde,

ich möchte mit uns heute Morgen
über die Bedeutung des Wortes „Himmel“ nachdenken,
und „Himmelfahrt“.
Dazu werde ich uns drei Menschen vor Augen führen
und versuchen,
jeweils kurz zu skizzieren,
wie sie den Himmel wohl gesehen haben.

Der erste heißt Elkana. –
Den habe ihn frei erfunden! –
Ich denke ihn mir als einen der Männer,
die König Salomo zur Einweihung des Tempels in Jerusalem eingeladen hatte.
Unser Predigttext sagt ja,
der König habe „im Angesicht der ganzen Gemeinde Israel“
sein Gebet gesprochen.
Elkana stelle ich mir als einen dieser Gottesdienstbesucher vor.

Den zweiten kennt ihr bestimmt:
Es ist der Zöllner Zachäus.
Im 19. Kapitel des Lukas-Evangeliums wird von ihm berichtet, dass er auf einen Baum geklettert ist, um Jesus zu sehen.
Jesus hat ihn angesprochen
und ist mit in sein Haus gegangen.
Viel mehr erfahren wir nicht über Zachäus in der Bibel,
und ich habe mir ausgedacht,
wie seine Geschichte weitergehen könnte.

Und der dritte Mensch, über den ich heute reden will,
den kennt ihr auch.
Da war ich wenig bescheiden:
Das bin ich selbst.

Ich will ganz kurz skizzieren,
was ich mir unter Himmelfahrt vorstelle.

(1) Aber wenden wir uns zuerst Elkana zu.
Elkana ist ein Landwirt aus der Nähe von Jerusalem.
Er hat ungefähr 1.000 Jahre vor Christi Geburt gelebt.
Er ist kein Großgrundbesitzer,
aber er hat einen stattlichen eigenen Betrieb,
von dem er gut leben kann.

Das heißt, er hat einiges an Land,
das er bewirtschaftet.
Er wird ein Paar Last-Ochsen besessen haben,
den Pflug zu ziehen,
dazu einige Esel, seine Produkte zu transportieren.
Eine schöne Herde Schafe und Ziegen,
vielleicht sogar einige Rinder,
Zeichen von Wohlstand und Sicherheit.

Zu seinem Betrieb
gehörten drei bis vier Familien abhängiger Arbeiter.
„Knechte und Mägde“ würde Luther übersetzen.
Es wäre nicht ganz falsch,
sie als „Sklaven“ zu bezeichnen.

Wir würden Elkana wünschen,
dass er einige eigene Kinder hat.
Seine Töchter wären die Zierde seines Hauses
und er hat sich so lieb,
wie jeder Vater seine Kinder lieb hat.
Aber seinen wir mal ganz ehrlich:
Die Nummer Eins unter seinen Kindern
ist der älteste Sohn.
Wenn er so acht oder neun Jahre alt ist,
ist er aus dem Gröbsten ’raus.
Dann hatte er eine richtig gute Chance,
das Erwachsenenalter zu erreichen.
Dann hätte Elkana in ihm einen Erben.
Und er hätte in ihm die Hoffnung,
dass auch nach seinem Tod der Laden weiter geht.

Die Zeit, in der Elkana gelebt hat,
war die beste Zeit
jemals im Alten Israel,
um ein mittelgroßer Bauer zu sein
(so weit wir das historisch überblicken können).
Noch sein Vater und Großvater mussten damit rechnen,
dass ihr Land von Philistern
oder andern Völkern überfallen wurde.
Sie und ihre Mitarbeiter mussten dann Waffen aufnahmen
und ihr Land verteidigen.
Und wenn Frieden war mit den fremden Völkern,
gab es regelmäßig Streit der Israeliten untereinander.
Krieg war etwas, das jederzeit wie ein Unwetter
über sie und die ihren einbrechen konnte.

Unter König David wurde diese Situation deutlich besser.
Jetzt, unter König Salomo,
merkte man richtig,
wie das Land aufblühte.

Unter seiner Zentralregierung gab es Handel
mit den entlegensten Ecken des Reiches.
In Jerusalem war Geld da.
Die Leute konnten sich was kaufen.

Natürlich ist Elkana immer noch Bauer.
Und wenn ihr mal mit einem Bauern redet:
Das Wetter ist nie richtig gut.
Es könnte immer noch besser sein!
Der Ertrag der Landwirtschaft
hängt wesentlich ab
vom Himmel:
Sonne und Regen müssen sich im richtigen Maß abwechseln,
damit der Bauer gut verdient.
Ein zu trockener Sommer
konnte Elkanas Betrieb und sein Leben immer noch bedrohen –und darüber hatte er keine Kontrolle.
Genau so wenig,
wie die Bauern sie heute haben.

Gott hat für Elkana die Macht über den Himmel,
über Unwetter, Sturm, Hagel, Trockenheit und Flut,
ebenso wie über die Kräfte des Kampfes und des Krieges. —

Als der Tempel in Jerusalem gebaut wurde,
musste er sich durch seine Steuern beteiligen.
Das fand Elkana aber nicht schlimm.
Im Gegenteil: Er fand es sehr passend,
für Gott einen großen Tempel zu bauen.
Er war dankbar, dass es ihm so gut ging.
Er empfand den König Salomo als ein Geschenk Gottes.
Da ist es nur angemessen,
dass er zur Rechten Gottes platz nahm.
Der Palast des Königs,
also sein Thron,
stand (von Gott aus gesehen)
zur Rechten des Allerheiligsten.
Da gehört er auch hin:
Der König sorgt –in Gottes Auftrag!– für Frieden und Sicherheit, Planbarkeit und Wohlstand.

Was der König bei der Einweihung des Tempels gebetet hat,
dass die „Herrlichkeit Gottes“ im Tempel wohnen würde,
das fand Elkana sehr geheimnisvoll.
Er wusste, dass der Gott Israels
nicht wie ein Gott der Heiden ist.
Man kann ihn nicht sehen oder anfassen.
Auch im Tempel
ist Gott unter einer dicken Wolke aus Weihrauch verborgen.
Der Gott Israels ist überall – 
und doch wohnt sein Name mitten unter uns im Tempel.

Die Zusage, dass Gott da ist und dass er nicht schläft,
gibt Elkana Hoffnung für die Zukunft.
Was auch immer passiert:
Elkanas Gebet hat jetzt eine Richtung.
Er ist geborgen in dem Wissen,
dass Gottes Name im Tempel wohnt.
Er kann zu ihm beten
und er kann zu ihm hinaufgehen
und Gottesdienst feiern im Tempel zu Jerusalem.

(2) Gut 1.000 Jahre nach Elkana lebte Zachäus.
Für ihn war der Tempel nichts Neues mehr.
1.000 Jahre hatte er schon dort gestanden
und die Priester und Leviten
waren als religiöse Führer lange etabliert.

Für Zachäus war der Tempel ein Ort,
von dem er ausgeschlossen war.
Weil er mit Heiden Geschäfte machte,
galt er als „unrein“
und hatte kein Ansehen in feiner Gesellschaft.

Dann hatte Zachäus eine Begegnung mit Jesus,
die sein ganzes Leben umgekrempelt hat.
Für ihn war es eine starke Botschaft,
als Jesus über ihn sagte:

„Dieser ist auch ein Sohn Abrahams“.

Das heißt:

„Hey, der gehört hier dazu.
Er ist einer von uns“.

Anstatt das Zachäus hinaufgeht zum Tempel,
um Gott zu begegnen,
kommt Gott in Jesus zu ihm.

Jesus ist in sein Haus gekommen.
Er hat mit ihm gegessen,
mit ihm Gemeinschaft gehabt. —
Da ist der Himmel in sein ganz persönliches Leben eingebrochen. Das hat ihn grundlegend verändert:

  • Zachäus will niemanden mehr betrügen.
  • Er hat das Geld zurückgegeben,
    das er zu viel abgerechnet hat.
  • Er hat jetzt neue Beziehungen, neue Freunde, mit Juden und Heiden, die zu Jesus gehören, gleichermaßen.

Als Zachäus von der Kreuzigung hört ist er erschüttert. —
Und dann hört er Gerüchte, dass Jesus auferstanden ist.
Er sei einigen seiner Jünger erschienen,
hätte sogar mit ihnen zusammen gegessen.
Und dann sei Jesus in den Himmel aufgenommen worden.

Diese Dinge findet Zachäus sehr geheimnisvoll.
Wie soll ein Mensch vom Tod auferstehen?
Und ob er in den Himmel aufgenommen wurde?
Auf einer Wolke?
Zachäus hat das nicht gesehen.
Die Zeugen sind schon glaubwürdig
und –hey!– bei dem,
was Jesus in
seinem Leben bewirkt hat,
da traut er ihm
alles zu.

Gott ist unsichtbar und man kann ihn nicht anfassen.
Aber Jesus hat Zachäus gesehen.
Er ist ihm begegnet.
Dass Jesus in den Himmel aufgefahren ist
und zur Rechten Gottes sitzt,
bedeutet für Zachäus:
Gott hat jetzt ein Gesicht.
Und es ist ein liebevollen Gesicht,
voller Gnade und Zuneigung.
Er weiß, dass er sich immer an Gott wenden darf,
egal,
in was für einer persönlichen Situation er sich gerade befindet. Bei Gott ist er nie ausgeschlossen.
Er hat einen Freund im Himmel.

(3) Als letztes,
liebe Brüder und Schwestern,
möchte ich kurz versuchen,
meinen eigenen Blick auf Himmelfahrt kurz zu umreißen.

Ich bin ca. 1.977 Jahre nach Christus geboren
und habe nicht den Luxus,
Jesus in seiner irdischen Gestalt begegnet zu sein.
Ich weiß nicht, wie sein Gesicht aussieht.

Als ich ein Kind war,
war es für mich ganz normal zu denken:

„Gott ist im Himmel“.

Für ein Kind ist das eine gute Erklärung dafür,
dass man Gott nicht sehen
und nicht anfassen kann:
Er ist nicht hier; er ist im Himmel.

Als ich erwachsen geworden bin,
hatte ich in der Schule viel gelernt:
Über Naturwissenschaft,
über den Weltraum, dass da kein Gott ist,
über unsere Gesellschaft,
wie Politik funktioniert
und unser Gemeinwesen.
Mein Glaube an Gott ist dabei nicht mitgewachsen.
Vielleicht fällt es deswegen so vielen Menschen schwer,
über ihren Glauben zu reden:
Es kommt ihnen vor wie Kinderkram.
Dennoch fühlen sie, dass sich etwas größeres dahinter verbirgt.

Dabei sind es beide erwachsene Männer:
sowohl mein israelischer Landwird Elkana,
den ich mir ausgedacht habe,
als auch der Zöllner Zachäus,
dem ich eine Haltung zu Himmelfahrt angedichtet habe.

Sie sind antike Menschen, natürlich.
Sie leben mit einem anderen Weltbild.
Sie haben einen anderen Stand der Naturwissenschaft. –
Aber sie sind keine Kinder.
Der Glaube über Gott „im Himmel“,
den sie zum Ausdruck bringen,
ist der Glaube von Erwachsenen.

Für Elkana habe ich mir relativ viele Details ausgedacht.
Sein Leben ist zeitlich am weitesten von unserem entfernt.
Und dennoch erlebt er die
selbe Welt.
Für ihn als Bauer ist das Wetter ein großes Thema.
Hier erlebt er den Himmel sehr direkt.
Er erlebt ihn als großen Segen,
aber auch als Gefahr.
Und trotzdem weiß er sich unter dem Himmel geborgen,
weil Gott über alles, was er als Himmel sehen kann,
erhaben ist.

„Aller Himmel Himmel können dich nicht fassen“
betet Salomo.

Auch in meinem Leben gibt es viele Dinge,
die ich nicht kontrollieren kann.

  • Das fängt mit Banalitäten an:
    Ich kann mir nicht aussuchen,
    wann Stau auf der Hanauer Landstraße ist.
  • Ich kann mir nicht aussuchen,
    wo in meinem Leben die Brüche und Untiefen sind:
    Missverständnisse, Streit, Enttäuschungen –
    Verletzungen und Unfälle –
    Menschen, die unerwartet gehen.

Und trotzdem weiß ich mich unter Gottes Himmel geborgen.
Ich kann mich immer an ihn wenden im Gebet –
nicht nur mit Bitte, Lob und Dank,
sondern auch mit
Klage in meiner Not.

Ich kann sein Wort hören
im Studium der Heiligen Schrift
und hier im Gottesdienst.
In Gebet und in seinem Wort ist Gott für mich ein Gegenüber,
so wie er für Elkana ein Gegenüber war im Tempel.

Und Gott hat ein liebevolles Gesicht:
das Angesicht Christi.
Nein, ich habe Jesu Gesicht nie gesehen,
aber ich weiß, dass er auch mich liebevoll anschaut.
Er ist mal in mein Leben gekommen,
wie in das Leben von Zachäus,
plötzlich und unerwartet,
„aus heiterem Himmel“, wie man auch sagt.

Dieses Evangelium habe ich sehr deutlich gehört:
Er ist für mich ans Kreuz gegangen.
Ich war ihm das wert.
Du warst ihm das wert.
Das ist eine starke Botschaft!

Viele Dinge des Glaubens
sind für mich immer noch verborgen und geheimnisvoll.
Auch ich kann Gott nicht sehen oder anfassen.
– Da hat auch das Theologie-Studium nicht geholfen! –
Doch mein Leben hat eine neue Ausrichtung bekommen.
Es wird nicht mehr bestimmt durch ein planloses Wünschen,
sondern mein Gebet hat eine Richtung bekommen.
Und Gott ist mir freundlich zugewandt,
mit Zuneigung und Wertschätzung.

Meine Hoffnung ist,
dass Gott mir immer wieder den Weg zeigt,
den er für mich vorgesehen hat,
im Kleinen und im Großen.
Ich hoffe,
dass Gott mich immer wieder anspricht,
auch –und gerade– hier im Gottesdienst.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!2 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Phil 4,7


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