14:20

Elia am Horeb
Predigt zu 1.Kön 19,1–18

81 Okuli, 20. März 2022, Frankfurt

Der Prophet erlebt Anfechtung, genau wie wir. Gott schickt ihm einen Engel, der ihn versorgt Brot und Wasser, Speise der einfachsten Art. Das trägt ihn durch. Und uns?

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
steht im 1. Buch der Könige im 19. Kapitel.
Dies ist die alttestamentliche Lesung für den Sonntag Okuli.

Ich bitte die Gemeinde, Platz zu nehmen.

1Und Ahab sagte Isebel alles,
was Elia getan hatte
und wie er alle Propheten Baals
mit dem Schwert umgebracht hatte.

2Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen:

Die Götter sollen mir dies und das tun,
wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue,
wie du diesen getan hast!

3Da fürchtete er sich,
machte sich auf und lief um sein Leben
und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.

4Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit
und kam und setzte sich unter einen Wacholder.
Und er wünschte sich zu sterben.

Er sprach:

Es ist genug.
So nimm nun,
Herr, meine Seele;
ich bin nicht besser als meine Väter.

5Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder.
Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm:

Steh auf und iß!

6Und er sah sich um,
und siehe,
zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot
und ein Krug mit Wasser.

Und als er gegessen und getrunken hatte,
legte er sich wieder schlafen.

7Und der Engel des Herrn kam zum zweitenmal wieder
und rührte ihn an und sprach:

Steh auf und iß!
Denn du hast einen weiten Weg vor dir.

8Und er stand auf und aß und trank
und ging durch die Kraft der Speise
vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes,
dem Horeb.

9Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht.

Und siehe, das Wort des Herrn kam zu ihm:

Was machst du hier, Elia?

10Er sprach:

Ich habe geeifert für den Herrn,
den Gott Zebaoth;
denn Israel hat deinen Bund verlassen
und deine Altäre zerbrochen
und deine Propheten mit dem Schwert getötet,
und ich bin allein übriggeblieben.
Sie trachten danach,
dass sie mir mein Leben nehmen.

11Der Herr sprach:

Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den Herrn!
Und siehe, der
Herr wird vorübergehen.

Und ein großer, starker Wind,
der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach,
kam vor dem
Herrn her;
der
Herr aber war nicht im Wind.

Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben;
aber der
Herr war nicht im Erdbeben.

12Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer;
aber der
Herr war nicht im Feuer.

Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
13Als das Elia hörte,
verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel
und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.

Und siehe, da kam eine Stimme zu ihm und sprach:

Was hast du hier zu tun, Elia?

14Er sprach:

Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth;
denn Israel hat deinen Bund verlassen,
deine Altäre zerbrochen,
deine Propheten mit dem Schwert getötet,
und ich bin allein übriggeblieben.
Sie trachten danach, dass sie mir das Leben nehmen.

15Aber der Herr sprach zu ihm:

Geh wieder deines Weges durch die Wüste nach Damaskus und geh hinein und salbe Hasaël zum König über Aram
16und Jehu, den Sohn Nimschis, zum König über Israel
und Elisa, den Sohn Schafats, von Abel-Mehola
zum Propheten an deiner Statt.

17Und es soll geschehen:
Wer dem Schwert Hasaëls entrinnt, den soll Jehu töten,
und wer dem Schwert Jehus entrinnt, den soll Elisa töten.
18Und ich will übriglassen siebentausend in Israel,
alle Knie, die sich nicht gebeugt haben vor Baal,
und jeden Mund, der ihn nicht geküßt hat.

Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege! — Amen

Liebe Brüder und Schwestern,

Elia erlebt Anfechtung.
Baal sieht so viel stärker aus als Gott.
Die Israeliten laufen ihm in Scharen nach:
Ein attraktiver Fruchtbarkeitskult
mit Essen, Trinken und Tanzen!
Verglichen damit hat die Gesetzespredigt Elias
das Sexappeal des „Literarischen Quartett“.

Elia zieht es in die Wüste.
Unter dem unendlichen Sternenzelt
will er es Gott persönlich sagen:

Ich kündige!
Ich will nicht mehr Prophet sein.
Ich habe es probiert.
Sie haben nicht gehört.
Es reicht mir.
Ich will Schluss machen.

b) Zur Antwort stattet Gott den Elia mit zwei Dingen aus,
mit Brot und Wasser,
Essen und Trinken der einfachsten Art.
Essen und Trinken,
das Elia durchträgt durch die Wüste,
vierzig Tage und vierzig Nächte,
bis zu einer Epiphanie, einer direkten Gottesbegegnung.

Bemerkenswert ist die Art, wie Gott dem Elia begegnet.
Ein großer Sturm geht dem Herrn voraus.
Aber Gott ist nicht der Sturm.
Ein Erdbeben geht dem Herrn voraus.
Aber Gott ist nicht das Erdbeben.

Die Begegnung Moses’ mit Gott
war noch von vulkanischer Aktivität begleitet.
Hier lernen wir,
das laute und grelle nicht mit Gott zu verwechseln.
Ein leises Sausen, ein Windhauch, ein zärtlicher Atem:
Das ist der Moment, in dem Elia sein Gesicht bedeckt,
um nicht zu vergehen in der Gegenwart Gottes.

Das, was Gott dem Elia persönlich zu sagen hat,
ist ein Versprechen:

Ich werde siegen!
Sei nicht beeindruckt vom Baal-Kult.
Ich bin der Herr.

Gehe hin,
ich habe Männer zu Königen bestimmt,
die meinen Willen durchsetzen.
Salbe sie.

Gehe hin, salbe Elisa zum Propheten nach dir.
Ich bin der Herr.
Ich werde siegen.

Das ist das Versprechen, von dem der lebensmüde Elia lebt.

Elia war nicht der letzte,
dem Gott eine Anfechtung zugemutet hat.
Wie müssen die Jünger gezweifelt und gelitten haben,
als Jesus am Kreuz hing.
Wir denken gerne, dass sie Feiglinge waren.
Aber es war doch nur offensichtlich,
dass Jesus nicht der Messias ist,
dass er nicht der starke König ist,
der ihr Land von den Römern befreit.
Statt dessen wird er ans Kreuz geschlagen
und stirbt in Schande,
schwach und von Gott verlassen. —

Die Auferstehung haben die Jünger genau so wenig erwartet, wie man sie als Mensch eben erwarten würde.

Aber aus der Begegnung mit dem auferstandenen Herren
haben sie den Glauben mitgenommen.
Und der Glaube trägt sie durch.
Sie sind Apostel geworden und haben der Welt den gekreuzigten gepredigt.
„Den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit.“

Elia musste lernen,
dass Gott nicht ein Sturm oder ein Erdbeben ist.
Die Jünger mussten lernen,
dass Gott nicht ein militärischer Triumph ist.
Gott wirkt nicht mit Gewalt.
Gott wirkt, indem er sich selbst zurücknimmt:
Gott wird Mensch in Jesus Christus
und schenkt sich selbst am Kreuz.

Dort sieht er aus, wie der ultimative Verlierer,
obwohl er der endgültige Sieger ist über Tod und Teufel.
„Gott offenbart sich im Fleisch,
aber verhüllt sich im Ärgernis“.

In und unter der Kreuzigung
hat Gott uns Menschen angenommen
und trägt uns durch Tod und Auferstehung in sein Reich.
Unter uns hat dieses Reich schon angefangen.
Es ist die Kirche.
Christus gibt seiner Kirche das Versprechen,
dass: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“.
Das ist das Versprechen, von dem die Kirche lebt.

Auch wir erleben die Anfechtung.
Die sichtbare Kirche erscheint uns oft kraftlos und irrelevant. Mehr und mehr
verliert das Abendland sein „christliches“ Gesicht.
Christ zu sein ist nicht mehr selbstverständlich.
Gottesdienste wirken unverständlich, belanglos und langweilig.

Es ist jetzt an uns zu lernen,
dass Gott nicht bei den Siegertypen ist.
Er ist nicht bei den glänzenden Gewinnern
im Wettbewerb um Aufmerksamkeit.
Gottes Gemeinde besteht nicht aus gewachsten Dressmen
und gephotoshopten Models.
Wollt ihr Menschen sehen,
die Gott als seine Stellvertreter bestimmt hat auf Erden?
Guckt nacht links und nach rechts:
So sehen die aus.

In und unter euren real existierenden Brüdern und Schwestern ist Christus gegenwärtig.
Wie unscheinbar das auch immer aussehen mag:
Die Kirche, die Gott sich auf Erden bestimmt hat,
hat ein menschliches Gesicht.
Gott hat das Gesicht dieser Menschen, die du da siehst.

Dem Elia hat Gott einen Engel geschickt,
um ihn mit Brot und Wasser zu versorgen.
Wen hat er uns geschickt?
Mich. — 
Ob das eine gute Idee war,
überlasse ich anderen zu beurteilen.
Aber egal,
wie zufällig und verwechselbar das auch immer aussehen mag: - - An diesem Sonntag,
- an diesem Altar,
- für diese Gemeinde
fülle ich die Rolle aus
als unser Mann Gottes.

Womit stattet uns der Herr aus?
Mit Brot und Wein,
Essen und Trinken, an das er sich gebunden hat.
Wie unscheinbar und alltäglich das auch immer aussehen mag:
Wir leben von dem Versprechen,
dass der Herr gegenwärtig ist im Sakrament.
Mit den Worten

Dies ist mein Leib… 
Dies ist der neue Bund in meinem Blut

hat Christus uns zugesichert,
an unserem Leben teilzuhaben.
Das trägt uns durch bis zum Himmelreich:
„Dies stärke dich
und bewahre dich im Glauben
zum ewigen Leben.“

Wir haben heute Morgen Linien verfolgt,
die aus dem Alten Testament,
über das Neue Testament
bis zu uns heute reichen.
Die erste Linie ist die Anfechtung.
Der Glaube an den unsichtbaren Gott
ist schwer und nie ohne den Zweifel zu haben.
Tatsächlich ist ein Glaube ohne den Zweifel ungesund
und unfromm.
Zweitens müssen wir lernen,
dass Gottes Handeln in der Welt
oft unscheinbar und leise ist.
Es nicht so offensichtlich,
wie wir uns das wünschen würden.
Da ist kein Triumph.
Meist handelt Gott glanzlos und versteckt.
Trotzdem dürfen wir uns (drittens) getragen und geliebt wissen. → So wie Elia Brot und Wasser erhielt
und Gott persönlich begegnet ist,
→ so wie die Jünger aus der Verzweiflung gerissen wurden
durch ihre Begegnung mit dem auferstandenen Christus,
→ so sind auch wir getragen in der Gemeinschaft untereinander und mit unserem Herrn.

So leben wir unter diesem Versprechen:
Dass Gott Heil wirken wird für sein Volk
und für die ganze Welt.

Aufgrund dieses Versprechens sagen wir uns gegenseitig:

Oculi nostri ad Dominum Deum.
Oculi nostri ad Dominum nostrum.

Unser aller Augen warten auf den Herren Gott.
Auf unseren Herrn blicke ein jedes Auge.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!2 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Phil 4,7