10:12

Er ist da!
Predigt zu Lk 1

73 Christvesper, 24. Dezember 2021, Frankfurt a.M.

Die Krippe ist die Landebahn Christi.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Diese Predigt legt die Weihnachtsgeschichte aus,
das wie gerade gehört haben
aus dem Evangelium nach Lukas.
2

Der Herr segne an uns sein Wort! — Amen

Liebe Brüder und Schwestern!

wir sind da! Wir sind angekommen! Hier sind wird richtig!
Wir sind zu richtigen Zeit am richtigen Ort:
Es ist Heilig Abend und wir stehen an der Krippe
neben den Hirten und staunen über das Wunder,
„das da geschehen ist, was niemand gedacht“:
3
Gott selbst will bei uns sein.
Er ist ein Mensch geworden, einer, wie du und ich.
Er will uns damit zeigen, wie sehr er uns liebt.
In seinen Augen ist es etwas Schönes und Wertvollen,
ein Mensch zu sein.
Du bist ist seinen Augen liebenswert und wertvoll.

Der Anmarsch zur Krippe war durchaus stressig.
Es geht bestimmt nicht nur Pastoren so:
Ich hätte einen zweiten Dezembermonat gut brauchen können. So vieles blieb unfertig, so vieles fühlt sich unsicher an,
auch noch in dieser Stunde:

  • Wer überlegt gerade noch,
    ob er und sie für jeden das richtige Geschenk gefunden hat?
  • Wer muss nach dem Gottesdienst noch schnell ein Geschenk einpacken?
  • Wer muss noch schnell den Wein kalt stellen,
    die Bratensauce abbinden,
    die Dressing über den Salat gießen,
    damit es dann endlich Weihnachten werden kann?

Der Weg war weit, aber jetzt sind wir angekommen!
Die Reise ist zu Ende, die Arbeit ruht: Wir sind da!
Wir sind angekommen:
Es ist Heilig Abend und wir stehen an der Krippe!

Hierher waren wir unterwegs.
Hier sind wir angekommen.
Hier warten wir auf Christus. —

Ein Flughafen.
Eine Ankunftshalle.
Alle fünf Minuten landet ein neues Flugzeug.
Mehr Menschen mit mehr Gepäck landen,
steigen aus,
- suchen den Weg,
- suchen ihr Gepäck,
- suchen den Ausgang.
Sie suchen die automatische Schiebetür.

Auf der anderen Seite dieser Schiebetür warten wir:
Ich und du und sie alle auch.

Wir wissen nicht,
wer als nächstes durch die Tür treten wird.
Wir warten.
- Gespannt.
- Angespannt.
Wir warten seit ein paar Minuten, seit einer Stunde oder zwei.
Wir sind Schwestern, Kinder, Enkel, Männer, Freunde.
Wir warten auf einen Bruder, eine Mutter, eine Großmutter,
ein Frau, eine Freundin.
Wir warten gemeinsam und kennen uns nicht.
Wir sind am selben Ort und uns doch fremd.

Doch dann geht die Schiebetür auf,
und ein Mensch tritt hindurch,
der lange erwartet wird.

  • Wir sehen wie die Seinen die letzten Schritte rennen
    und sich umarmen.
  • Wir sehen wie die Starken die Schwachen umarmen,
    die Müden die Wachen,
    die Jungen die Alten umarmen.
    Wie der Vater den Sohn,
    der Bruder die Schwester,
    Aufregung als wär‘s Silvester.
    4

Immer wenn es passiert,
wenn die Tür aufgeht
und wir es sehen,
dann sind wir ganz kurz nicht mehr alleine hier.
Für den Bruchteil einer Sekunde
sind alle die Fremden um uns herum keine Fremden mehr, sondern unsere Leute:
Unsere Leute!5
- Dann freuen wir uns miteinander.
- Dann hoffen wir füreinander.
- Dann sind wir uns nah.

Das geschieht hier, zu dieser Stunde,

Jetzt ist die Zeit der Gnade,
heute ist der Tag des Heils.6

Die Krippe ist die Landebahn Jesu Christi.
Die Gangway führt in der Ankunftshalle,
die unsere Kirche ist.
Der Altar ist die Schiebetür.
Hier kommt Christus leiblich zu uns.
Jesus eilt auf uns zu, um uns zu umarmen.

Und deshalb ist hier alles anders.
Hier fragt niemand,
- ob unseren Aufgaben erfüllt sind,
- ob unsere To-Do-Liste genug Häkchen hat,
- ob wir genug haben, oder genug bekommen.
Das alles hat seine Zeit und seinen Ort,
aber die ist nicht jetzt, und nicht hier:
Es ist Heilig Abend und wir stehen an der Krippe.
Wir versammeln uns vor dem Weihnachtsbaum
und bekommen Geschenke.
7

Das ist die Mitte eines jeden Gottesdienstes:
Wir werden von Gott beschenkt. —

Ich bin ein Mensch,
der zu Weihnachten und zu Geburtstagen (und so)
unheimlich schwer zu beschenken ist.
Ich weiß nicht, ob das so eine Männer-Sache ist
oder ob es was mit meinem Alter zu tun hat.
Es ist einfach so:
Alle diese materiellen Dinge,
die man in einen Karton hübsch verpacken könnte,
die habe ich schon.
Und „Mehr Reichtum wär’ mir nicht geheuer
Und brächte Sorgen obendrein“.
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Wenn sich jemand Mühe gibt
bei der Auswahl eines Geschenkes,
kann er mir sagen:

  • Ich weiß, was Dir Freude bereitet!
  • Ich kenne Dich!
  • Ich habe Dich lieb!

Es ist voll schade, dass das bei mir so schwer ist –
zumindest bei
materiellen Geschenken.

Um so schöner ist es,
wenn die Menschen,
die mich lieb haben,
sich an Weihnachten für mich Zeit nehmen
und mich besuchen.
Ich kann ja an Weihnachten nicht verreisen.
Ich muss ja immer arbeiten.
Meine Familie und meine Freunde schenken mir ihre Gegenwart und ihre Gemeinschaft.
Und ich weiß das zu schätzen:
Die müssen ja ’raus aus ihrer Komfort-Zohne:
Ausgerechnet an Weihnachten sind sie unterwegs.
Sie schlafen in fremden Betten
und kochen in einer fremdem Küche.
Meine Rolle als Gastgeber kann ich nämlich nicht wahrnehmen:
Ich muss ja arbeiten.
Abgesehen von dem allem –
Seien wir mal ganz ehrlich:
Familie kann zu Weihnachten ganz schön anstrengend sein!
…manchmal zu anstrengend.

Um so mehr weiß ich zu schätzen,
dass Menschen, die mich lieb haben,
zu mir kommen.
Das ist ein echtes Geschenk!

So ein Geschenk macht Jesus uns allen.
Er war sich nicht zu schade,
9
die Komfort-Zone des Himmels verlassen.
Er „entäußerte sich selbst“
und hat sich in das Stroh der Krippe gelegt.
Er kommt zu uns allen
und er kommt zu dir ganz persönlich,
- um dein Gebet zu hören,
- um dir ganz nahe zu sein im Gottesdienst,
- um deinen Alltag mit dir zu verbringen und dein ganzes Leben.
Das ist sein Weihnachtsgeschenk an dich.

Gott selbst sagt damit:
- Ich weiß, was dir Freude bereitet!
- Ich kenne dich!
- Ich liebe dich!

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!10 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Diese Predigt ist entstanden, nachdem ich Manuel Heiligabendpredigt 2019 furchtbar verrissen habe, und er mich herausforderte: „Mich würde jetzt interessieren, was Du darüber hinaus von meiner Predigt gedacht hast, und wie Du sie verbessern würdest.“ – Das muss ich ja nun liefern.


3 Nach: „Stern über Bethlehem“, 3. Strophe.


4 „Ankunftshalle“, Kettcar. Poesie markiert bei Shakespeare den dramatischem Höhepunkt. Das ist stark, vor allem, wenn du jemandem im Publikum hast, der die Popkultur-Referenz versteht.


5 Vgl. „Ankunftshalle“, Kettcar.


6 2.Kor 6,2 Ist ja nicht so, als würde die Bibel keine Poesie bieten:


7 Die Krippe steht in Bremen am Fuße des Weihnachtsbaumes.


8 Reinhard Mey: „Ich denk’ es war ein gutes Jahr“, 1967. Ich kann auch Popkultur! Sie ist nur etwas… nun ja… älter.


9 „hielt es nicht für einen Raub…“, vgl. Phil 2,7.


10 Phil 4,7


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