Reichlich sähen, reichlich ernten
Predigt zu 2.Kor 9,6–15
Wir leben in einer Zeit, in der das Leben der Kirche oft bestimmt ist von einem Gefühl von Verlust. „Alles wird weniger“. Wir werden abgeben und loslassen müssen. — Mit welcher Haltung geben wir ab? Reichlich. „Im Segen“.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist aus dem 2. Brief des Paulus an die Korinther
im 9. Kapitel.
Wir haben den Abschnitt gerade als Epistel-Lesung gehört.
Ich werde uns gleich einen Überblick geben,
worum es da geht
und möchte mich auf einen Vers konzentrieren.
Paulus schreibt ungefähr dies:
Der, der spärlich säht,
spärlich wird er auch ernten.
Der, der reichlich säht,
reichlich wird er auch ernten.2
Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege! — Amen
Liebe Brüder und Schwestern!
(1) In meiner Konfirmanden-Zeit
haben wir einmal eine Aktion gemacht,
wo wir Konfis losgeschickt wurden,
um Geld zu sammeln.
Das war bei uns auf dem Dorf,
da kennt jeder jeden.
Wir haben ein Körbchen in die Hand bekommen
und waren in unserer jeweiligen Nachbarschaft unterwegs.
Zu meinem Bereich gehörte auch das Pfarrhaus.
Die Frau von unserem Pfarrer
legte als erste
einen Zehnmarkschein in mein Körbchen.
Damit bin ich dann losgezogen.
Wir wohnten ein bisschen außerhalb vom Dorf.
Fast alle Nachbarhäuser waren Ferienhäuser.
Es war Sommer
und bei relativen vielen war gerade jemand im Hause.
Und was für Leute sind das,
die im Sauerland ein Ferienhaus haben?
Leute, die sich das auch leisten können!
Ich kam dann also da an:
Guten Tag,
ich bin der Diedrich,
ich bin Konfirmand
ich sammle für unsere Aktion dies-und-das…
Und dann sahen die den Zehnmarkschein
und das war für die ’ne Ansage.
Als wir Konfis dann Abends die Körbchen abgaben,
da klimperte bei den anderen das Hartgeld.
Und beim Vorberg aus dem „Villenviertel“
raschelte es nur.
Die Frau Pastor hatte reichlich gesät
und ich habe reichlich geerntet.
(2) Liebe Gemeinde,
Paulus war mit einem ähnlichen Körbchen unterwegs
wie ich damals.
Er sammelt für die „Heiligen“ in Jerusalem und Judäa
bei den Heidenchristen –
unter anderem im Korinth.
Für Paulus hat der ganz weltliche Vorgang dieser Sammlung eine geistliche Seite.
- Mit ihrem Geld unterstützen die Korinther andere Christen
über die Grenzen von Ländern
und Völkern hinweg. - Und dies trägt zum Lob Gottes bei:
Man spendet in Korinth
und im Heiligen Land wird Gott dafür gelobt.
Diese Spende
- schafft
- und feiert
Beziehung zwischen anderen und uns
und zwischen uns und Gott.
Das ist fast wie Gottesdienst:
Wir begegnen einander und Gott.
Wie wir solches Geld Spenden,
die Haltung, die wir dabei einnehmen,
macht etwas mit uns.
Wer mit „Unwillen“ oder unter „Zwang“3 gibt,
der ist weltlichen Dingen verhaftet.
Wer „fröhlich“ gibt,
sieht hier seinen Glauben am Werk,
denn er verlässt sich auf Gott und nicht auf das Geld.
Deswegen hat Gott einen „fröhlichen Geber lieb“,
wie Paulus es sagt.
(3) Paulus benutzt ein Wortspiel.
Vielleicht haben es einige gemerkt,
als ich vorhin vorgelesen habe,
und noch mal ins Gesangbuch geschaut.
Ich habe übersetzt:
Der, der reichlich säht,
reichlich wird er auch ernten.
Luther wählt:
Wer da säht im Segen
der wird auch ernten im Segen.
Paulus’ Formulierung schillert zwischen diesen beiden Seiten:
- einem weltlichen „reichlich“
- und einem himmlischen „im Segen“.
Segen, das ist, wenn Gott mit beiden Händen austeilt.
Segen ist,
wenn Gott schenkt
und seine Freude am Schenken zu unserer Freude wird.
Mit Blick auf die Gaben am Erntedank-Altar wird das deutlich:
- Gott gibt den Samen um zu sähen.
- Er gibt Wachsen und Gedeihen.
- Und zur Zeit der Ernte gibt er Korn für das Brot zum Essen
und dabei auch das Saatgut für den nächsten Durchgang.
Dieses ganz weltliche Wachsen, Gedeihen und Nähren
kommt von Gott und geht zu Gott hin.
Paulus schreibt:
Gott wird euch Samen geben
und ihn mehren
und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit.4
Der Segen Gottes ist wie lebendig
und schafft aus sich heraus neues Leben —
hier und in Ewigkeit.
In diesem irdischen Sähen, Ernten und Nähren
ragt ein Stück ewiges Leben
aus dem Himmel in die Welt hinein.
Das macht etwas mit uns:
Es bringt in uns Dank und Lobpreis hervor
und trägt uns ein Stück weit Gott entgegen –
schon hier und jetzt.
(4) Auch für uns,
liebe Brüder und Schwestern,
ist Geld in der Kirche ein Thema.
In der SELK funktioniert das so,
dass nicht die einzelnen Gemeinden ihren Pastor bezahlen,
sondern alle schmeißen ihre Spenden in einen Topf
und aus dem gemeinsamen Topf kriegen die Pastoren ihr Geld.
Der „Topf“ heißt „AKK“:
die allgemeine Kirchenkasse. —
Die überweist sehr pünktlich und korrekt;
da gibt es meinem Ende der Angelegenheit nichts zu meckern.
Jedenfalls:
Durch die AKK sind alle Gemeinden in der SELK eine
Solidargemeinschaft.
Das ist ein wichtiges Thema –
unter den Kirchenbezirken
ebenso wie unter den Gemeinden.
Wir leben in einer Zeit,
in der das Leben der Kirche oft bestimmt ist
von einem Gefühl von Verlust.
„Alles wird weniger“.
„Damals, da war das Gras grüner
und überhaupt war ich jünger“.
„Früher war mehr Lametta“.
Ganz konkret ist uns in Frankfurt die Frage gestellt:
„Wie ist das mit der zweiten Pfarrstelle?“
Zwischen den Gemeinden
Darmstadt,
Frankfurt
und Oberursel soll eine Stelle aus dem Plan gestrichen werden.
Die kleineren Gemeinden schauen auf uns,
denn wir haben zwei Pfarrstellen
und sie haben nur eine.
Es werden Kompromisse gesucht,
die Verteilung wird geregelt,
aber am Ende ist klar:
Alle werden abgeben.
Wichtig:
Es gibt nicht Frankfurt
an Oberursel
oder an Darmstadt
etwas ab,
sondern wir alle geben ab
für die Gemeinden,
die das Geld für einen eigenen Pastor nicht aufbringen können.
Mit welcher Haltung geben wir ab? —
Reichlich. „Im Segen“.
(5)
Wer spärlich säht,
spärlich wird er ernten.
Wer reichlich säht,
reichlich wird er ernten.
Wer im Segen säht,
im Segen wird er ernten.
Der Segen Gottes ist lebendig
und schafft aus sich heraus neues Leben.
Wir reichlich und gerne gibt,
verlässt sich auf Gott.
(a) Klammert nicht an Pastoren.
Das Predigtamt,
der Auftrag, das Evangelium zu verkündigen,
ist der ganzen Kirche gegeben.
Das heißt nicht,
dass es keine Pastoren mehr braucht,
die unter den Jüngern die Nachfolge der Apostel antreten.
Wir werden auch in Zukunft
ordinierte Hauptamtliche in der Kirche haben:
- die Altes und Neues Testament richtig studiert haben,
- die die Sprachen dazu können, Hebräisch und Griechisch,
- die Kirchengeschichte betreiben können
- und die das praktische Handeln der Kirche reflektieren.
Aber ihre Zahl wird in naher Zukunft kleiner werden –
viel kleiner.
Wir werden das Evangelium viel häufiger
von Lektoren und Lektorinnen hören als heute.
„Spärlich sähen“ heißt,
sich darüber zu ärgern
und bei einem Lektorengottesdienst zu Hause zu bleiben.
Gerade bei Lektorengottesdiensten
gebt eure Zeit nicht „mit Unwillen oder aus Zwang“,
sondern kommt „fröhlich“5 zum Gottesdienst.
Wer Gewohnheiten und Erwartungen „reichlich“aufgibt
wird „im Segen“ Freude und Glauben
im Gottesdienst ernten.
Ich danke Gott dafür,
dass es Menschen gibt,
die sich dieser Aufgabe annehmen.
Hier wird Gottes Segen sichtbar.
(b) Klammert nicht an Druck und Pflichten.
Es mag sein,
dass es vor einigen Jahrzehnten zum guten Ton
und zur bürgerlichen Normalität gehört hat,
zur Kirche zu gehen.
Dieser Druck ist weitestgehend weggefallen.
Wie reagieren wir darauf?
Eine junge Frau kommt in ihre SELK-Gemeinde
und wird mit den Worten begrüßt:
Na, bist du auch mal wieder da?
Und was ist das für ein Rock?
Der muss mindestens über’s Knie gehen!
Da muss man kein Prophet sein:
Die kommt
– wenn überhaupt! –
erst Weihnachten wieder in die Kirche.
Das ist spärliches Sähen.
Das ist festklammern am Saatgut der Liebe und der Freude,
wegen Unwillen und mit Zwang.
Reichlich zu sähen bedeutet,
sich zu freuen über die jungen Menschen, die kommen.
Die müssen sich aus ihrem Alltag die Zeit herausschälen,
- hier am Sonntag herzukommen
- oder sich in der Gemeinde einzubringen.
Sagt ihnen „danke“ dafür!
Eine junge Familie,
wo beide Eltern arbeiten,
muss ein erhebliches Maß an Stress auf sich nehmen,
um hier am Sonntag mit ihren Kindern in der Bank zu sitzen.
Ich weiß das zu schätzen, wenn die kommen
und ich kann das verstehen, wenn sie zu Hause bleiben.
Ich danke Gott für alle Menschen,
die sich gegen solche Widerstände aufmachen
um hier heute Morgen bei uns zu sein.
Ich danke ihm aber genau so sehr für die,
die sich den Online-Stream
oder einen Blütenlese Gottesdienst angucken.
(c) Klammert nicht an Gebäuden und Besitz.
Fürchtet die Veränderung nicht.
Dies ist eine schöne Kirche, ich mag sie sehr.
Ich danke allen,
die Zeit und Arbeit
in die Erhaltung und die Pflege der Liegenschaft stecken!
Ich bin dankbar für alle,
die im Laufe der Jahrzehnte Geld ’rausgetan haben,
damit das hier gebaut werden konnte.
Ich achte das nicht gering.
Ich weiß, dass die Gemeindeglieder arbeiten gegangen sind
für dieses Geld.
Aber wir müssen uns auch im Klaren sein:
Ein lebendiger Gottesdienst in einer Baracke
ist besser als ein toter Gottesdienst in einer Kathedrale.
Wir haben hier keine bleibende Stadt,
sondern die zukünftige suchen wir.6
Gott baut seine Kirche aus lebendigen Steinen.7
Die Menschen, die hier hinkommen,
und das Gewebe unserer Beziehungen untereinander:
Das ist der eigentliche Schatz der Trinitatisgemeinde.
Ich danke Gott für meine Gemeinde
und für alle Menschen, denen ich hier begegnen darf
und mit denen ich den Glauben teile.
(6) Haltet das Saatgut bloß nicht fest:
- eurer Sympathie für einander,
- eurer Offenheit für andere
- und eurer Freude im Glauben.
Verschwendet es schon gar nicht an tote Dinge!
Sondern streut es reichlich aus!
Dann wird Gott seinen Segen nicht zurückhalten,
sondern die Saat wird aufgehen.
Sie wird wachsen,
sie wird unser Leben ermöglichen
und neues Saatgut,
um es wieder auszustreuen.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!8 Amen.
1 1.Kor 1,3
2 ὁ σπείρων φειδομένως φειδομένως καὶ θερίσει, καὶ ὁ σπείρων ἐπʼ εὐλογίαις (dat. pl.) ἐπʼ εὐλογίαις καὶ θερίσει (2Kor 9,6).
εὐλογία – Blessing, praise, thanksgiving, the extolling of another; in some contexts, excessive praise is improper: flattery; by extention, generosity and (giving of) gifts.
3 Vgl. V. 7.
4 Vers 10.
5 Vgl. V. 7.
6 Heb 13,14
7 Vgl. 1.Petr 2,5.
8 Phil 4,7