17:52

Gottes Umkehr des Menschen
Predigt zu Lk 3,2b–14

4 3. Advent, 15. Dezember 2019, Bremen und Bremerhaven

„Umkehr“ wird in der Bibel sowohl von Gott ausgesagt, als auch vom Menschen. Wie kann das sein und wo ist der Zusammenhang?

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt, steht geschrieben beim Evangelisten Lukas im 3. Kapitel:

1Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius […]
2bgeschah das Wort Gottes zu Johannes,
dem Sohn des Zacharias, in der Wüste.

3Er kam in die ganze Gegend um den Jordan
und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden,
4wie geschrieben steht
im Buch der Reden des Propheten Jesaja:

Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste:
Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben!
5Alle Täler sollen erhöht werden,
und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden;
und was krumm ist, soll gerade werden,
und was uneben ist, soll ebener Weg werden.
6Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.2

7Johannes sprach zu der Menge, die hinausging,
um sich von ihm taufen zu lassen:

Ihr Schlangenbrut!
Wer hat denn euch gewiß gemacht,
dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?
8Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße;
und nehmt euch nicht vor zu sagen:
Wir haben Abraham zum Vater.
Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham
aus diesen Steinen Kinder erwecken.

9Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt;
jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt,
wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

10Und die Menge fragte ihn und sprach:

Was sollen wir denn tun?

11Er antwortete und sprach zu ihnen:

Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat;
und wer zu essen hat, tue ebenso.

12Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen,
und sprachen zu ihm:

Meister, was sollen denn wir tun?

13Er sprach zu ihnen:

Fordert nicht mehr,
als euch vorgeschrieben ist!

14Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen:

Was sollen denn wir tun?

Und er sprach zu ihnen:

Tut niemandem Gewalt oder Unrecht
und laßt euch genügen an eurem Sold!

Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege!3 — Amen

Liebe Gemeinde,

0. Einleitung

kennt ihr das,
dass wenn man mit einem Magneten arbeitet,
metallische Dinge magnetisch werden?

Ich habe zum Beispiel
einen Magneten an einer Teleskop-Stange.
Der ist dafür da,
Schrauben aus technischen Geräten zu „fischen“.
Und wenn man die Schraube dann herausbekommen hat,
ist die noch ein bisschen magnetisch.
Das ist ganz praktisch,
weil sie dann am Schraubenzieher festhält.

Dieser Effekt funktioniert auch,
wenn man seine Schraubenzieher magnetisch machen will.
Wenn man einen Magneten hat,
kann man damit andere Gegenstände aus Eisen „magnetisieren“.

In der Bibel ist öfters von „Umkehr“ die Rede.
Das heißt: Menschen vollziehen eine Wende in ihrem Leben.
Sie lassen ab von den Dingen, die Gott nicht gefallen
und werden
dem ähnlicher, wie Gott sie gemacht hat.
Auch als Aufforderung! Jesus sagt:

Kehrt um,
tut Buße,
das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.
4

Das ist der Inbegriff von „Bußpredigt“,
die sich an Sünder richtet.

Von daher ist es überraschend,
dass die Bibel dieses Wort auch auf Gott anwendet.
Die Bibel kann zum Beispiel sagen,
dass Gott von seinem Zorn „umgekehrt“ ist.
Moses kann sogar beten:

Kehre dich ab von deinem grimmigen Zorn
und laß dich des Unheils gereuen,
das du über dein Volk bringen willst.
5

Gott wird zur Abkehr von seinem Zorn aufgerufen –
mit dem selben Wort,
mit dem der Sünder
zur Abkehr von seinen Wegen gerufen wird!

Ich glaube, dass es einen inneren Zusammenhang gibt
zwischen Gottes Abkehr von seinem Zorn
und unserer Umkehr weg von der Sünde hin zu Gott.
Wie der Magnet,
der Metall magnetisch macht,
wirkt
Gottes Umkehr unsere Umkehr.
Das ist ein gemeinsame Nenner zwischen
Jesaja,
Johannes dem Täufer
und dem, wie
Jesus in unserem Leben handelt.

1. Jesaja

Zuerst: Jesaja.
Der Prophet ruft sein Volk mit leidenschaftlicher Predigt zum Glauben.
Doch seine Mühe fruchtet nicht.
Das Volk verlässt sich auf menschliche Stärken,
auf Waffen
und Bündnisse mit heidnischen Königen.
Jesaja beginnt Gericht zu predigen.
Er kündigt den Untergang Jerusalems an
und er sagt dazu: „Dies ist der Zorn Gottes über uns!“
Und die Katastrophe kommt tatsächlich über die Stadt:
Sie wird eingenommen
und die Oberschicht wird in die Verbannung weggeführt.

Der Prophet geht mit seinem Volk in die Fremde.
Auch hier ist seine Predigt hart –
doch trotzdem hilft sie seinen Zeitgenossen,
das Geschehene zu verarbeiten.
Ich kann mir aber vorstellen,
dass sie irgendwann genug hatten:
39 Kapitel Gerichtspredigt enthält sein Buch!

Und dann, im 40. Kapitel,
kommen plötzlich ganz andere Töne.
Wir haben es gerade gehört, als alttestamentliche Lesung:

„Tröstet, tröstet mein Volk!“ spricht euer Gott.6

„Bitte was??“
– so müssen seine Zeitgenossen reagiert haben –
„Jesaja, ist alles gut? Bist du krank?“

Nein, liebe Brüder und Schwestern,
die Israeliten haben richtig gehört,
Gott ist umgekehrt von seinem Zorn!
Er ermöglicht seinem Volk die Heimkehr.
Und er will zu ihnen kommen.
Und er will ihnen vorausgehen,
wie er ihnen einst in einer Rauch- und Feuersäule durch die Wüste vorausgegangen ist.
Voller Freude sagt der Prophet:

In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg,
macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott!
7

Die Israeliten kehren zurück
und viele von ihnen wollen in Zukunft alles besser machen.

Gottes Abkehr von seinem Zorn
erneuert die Herzen der Menschen,
indem der Kontrast zwischen Gesetz und Evangelium
Gottes Barmherzigkeit um so deutlicher strahlen lässt.

2. Johannes der Täufer

Die Menschen, die zum Jordan gekommen waren,
um Johannes den Täufer zu hören,
haben das genau verstanden.

Seit der Rückkehr aus dem Exil
sind hunderte Jahre vergangen.
Das Leben im Gelobten Land läuft wieder in alten Bahnen.
Viele Menschen spüren deutlich,
dass sie in Unfrieden leben mit Gott und untereinander.
Sie erkennen in Johannes dem Täufer einen großen Propheten.
Genau wie einst bei Jesaja
hören sie unter seiner Gesetzespredigt auch das Evangelium.
Sie wissen, dass Gottes Gnade größer ist, als sein Zorn. —

Gott kommt zum Gericht,
daran lässt Johannes keinen Zweifel:

9Den Bäumen ist die Axt an die Wurzel gelegt;
jeder Baum, der keine gute Frucht bringt,
wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

Aber darin steckt auch: Gott kommt!
Er kommt zu dir und zu mir.

Das heißt:
Gott hat sich abgewendet von seinem Zorn.
Er will uns nach Hause bringen. Er will uns zurechtbringen.

Es ist so, wie bei dem Magneten:

  • Gott kehrt um –
    und
    seine Umkehr
    ist
    unsere Umkehr.
  • Gott kehrt ab von seinem Zorn –
    und das reißt die Gottlosigkeit
    aus unseren Herzen.

Das ist das Vorzeichen,
unter der die Umkehrpredigt des Johannes steht.

Wenn die Menschen Johannes fragen,
was sie tun sollen,
ist seine Antwort nicht sonderlich tiefsinnig:

Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat;
und wer zu essen hat, tue ebenso.

Teilen! Vom Überfluss abgeben… 
Dann kommen zwei konkrete Berufsgruppen.

Zöllner:

Nicht mehr nehmen,
als in den Vorschriften steht…!

Soldaten:

Tut den Menschen keine Gewallt an
und erpresst sie nicht.

Das sind Dinge,
die würde man von jedem Menschen erwarten:

Seid anständig zu einander
und gebt euch Mühe bei den alltäglichen Dingen.

Das ist moralisch banal.
Um
darauf zu kommen,
braucht man keinen Propheten!

Das heißt: In dieser Predigt geht es nicht um Moral,
sondern es geht darum, wie wir auf Gott bezogen sind.

In der Spannung zwischen der Abkehr Gottes von seinem Zorn
und seinem Kommen zum Gericht
entsteht ein Kraftfeld,
in dem sich die Herzen der Menschen zu Gott ausrichten.
Danach haben sich die Menschen gesehnt.
Jemand, der so mit Gott im Einklang wäre,
würde
immer richtig handeln.
So jemand bräuchte nicht hunderte Gebote einhalten,
und wäre befreit von dem ständigen schlechten Gewissen.

Deswegen haben die Menschen Johannes hören können.
Deswegen sind sie zu ihm an den Jordan gegangen.
Diese Zöllner waren wohlhabende Leute;
und die stapfen durch den Matsch am Fluss,
um sich von diesem Aussteiger im Kamelhaar-Mantel,
waschen zu lassen.
Sie wollten
echten Frieden mit Gott,
den man mit Moral nicht erreichen kann.

Johannes’ Predigt war pures Gesetz.
Aber wenn das Herz eines Menschen
in die Bewegung der Umkehr hineingenommen ist,
scheint unter dem Gesetz
das Evangelium um so deutlicher hervor.

3. Jesus Christus

Liebe Brüder und Schwestern,

da war ein besonderer Mensch in der Menge,
die zu Johannes kam:
Zwischen den Zöllnern und Soldaten,
die sich von Johannes waschen ließen,
stand auch unser Herr und Heiland Jesus Christus.

Durch seine Taufe im Jordan hat Jesus sich zur Umkehr bekannt –
und ich meine die Umkehr in beiderlei Sinne:
- die Umkehr Gottes von seinem Zorn
- und die Umkehr, zu der wir aufgerufen sind.

Der Täufer und der Messias verkündigen aber
von einem je anderen Standpunkt.
Johannes steht an der Grenze zwischen Zorn und Gnade,
aber er steht auf der Seite des Zorns.

  • Seine Taufe ist ein Akt der Vorbereitung.
    Wer sich von Johannes taufen ließ,
    sehnt sich nach der
    Möglichkeit,
    mit Gott ins Reine zu kommen.
  • Die Taufe, die Jesus geboten hat,
    im Namen des Vaters
    und des Sohnes und des Heiligen Geistes,
    ist ein Akt der
    Durchführung.
    Sie setzt eine
    Wirklichkeit.

Jetzt ist die Zeit der Gnade,
heute ist der Tag des Heils!
8

Ein getaufter Christ lebt in der Gegenwart Gottes.
Genau wie die Johannes und seine Jünger
stehen wir an der Grenze zwischen Zorn und Gnade –
aber wir stehen auf der Seite der Gnade.

Am Anfang habe ich davon geredet,
dass man mit einem Magneten
Metall magnetisch machen kann.
Wenn Magneten industriell hergestellt werden,
werden sie genau so magnetisiert.
Das macht zwar eine Maschine,
aber das Prinzip ist das selbe.
Der Unterschied ist,
dass das Metall noch mal besonders erhitzt wird.
Dadurch bleibt der Magnetismus stabil.
Damit ein Stück Metall ein Magnet wird,
muss es quasi durch eine Feuertaufe.
Genau so etwas ist deine Taufe auch!
Gott richtet dich neu aus
und er fixiert diese Ausrichtung in deinem Herzen.
Selbst wenn du in deinem Leben mal die Orientierung verlierst,
und auch wenn du in Frage gestellt bist,
durch Sünde, Schuld – und selbst durch den Tod:
Jesus Christus ist in dein Herz gekommen.
Selbst wenn du es gerade nicht spüren solltest
oder unsicher bist:
Die Umkehr Gottes von seinem Zorn ist längst geschehen.
Er ist bei dir; in Wirklichkeit.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!9 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Jesaja 40,3–5


3 Ps 119,105


4 Z.B. Mt 3,2.


5 Ex 32,12


6 Jes 40,1


7 Jes 40,3


8 2.Kor 6,2 Denn er spricht (Jesaja 49,8): „Ich habe dich zur Zeit der Gnade erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.“ Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!


9 Phil 4,7