15:33

Der Lahme am schönen Tor
Predigt zu Apg 3,1–10

195 12. So. n. Trinitatis, 7. September 2025, Frankfurt

Diese Geschichte lebt vom Kontrast: Der Bettler ist gebunden, abhängig und gedemütigt. Der Geheilte ist frei und springt umher.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
steht in der Apostelgeschichte, im 3. Kapitel.
Lukas schreibt:

3,1Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel
um die neunte Stunde, zur Gebetszeit.
2Und es wurde ein Mann herbeigetragen,
lahm von Mutterleibe;
den setzte man täglich vor die Tür des Tempels,
die da heißt „die Schöne“,
damit er um Almosen bettelte bei denen,
die in den Tempel gingen.

3Als er nun Petrus und Johannes sah,
wie sie in den Tempel hineingehen wollten,
bat er um ein Almosen.
4Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach:

Sieh uns an!

5Und er sah sie an und wartete darauf,
dass er etwas von ihnen empfinge.
6Petrus aber sprach:

Silber und Gold habe ich nicht;
was ich aber habe,
das gebe ich dir:
Im Namen Jesu Christi von Nazareth:
Steh auf und geh umher!

7Und er ergriff ihn bei der rechten Hand
und richtete ihn auf.
Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest,
8er sprang auf,
konnte gehen und stehen
und ging mit ihnen in den Tempel.
Er lief und sprang umher und lobte Gott.

9Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben.
10Sie erkannten ihn auch,
dass er es war,
der vor der Schönen Tür des Tempels gesessen
und um Almosen gebettelt hatte;
und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das,
was ihm widerfahren war.

Lasst uns beten:
Herr Jesus Christus,
lass unsere Herzen springen in unserer Brust
und rennen zu dir,
dass auch wir Gott loben
und die Gnade preisen,
die uns widerfahren ist.
— Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

jetzt mal ganz ehrlich
(und ihr braucht euch auch nicht melden),
wer hat beim Vorlesen
auch an Monty Python gedacht?

Dieser Teil der Geschichte lebt vom Kontrast.
- Der Lahme,
der unbeweglich und erniedrigt an der Tür bettelt,
- und der Geheilte,
der springend herumläuft
und sein Haupt und seine Stimme zu Gott erhebt
um ihn zu preisen.

In Monty Poython’s „Life of Brian“
wird das dann ins Absurde überhöht.
Brian begegnet ein hüpfender, springender Mann,
der sich bei Brian darüber beschwert,
dass Jesus ihn ungefragt geheilt hätte.

Gerader war ich noch ein Bettler mit einem Auskommen,
jetzt weiß ich nicht,
wie ich mein Geld verdienen soll.

Brian schaut ihn entgeistert an und antwortet:

„Manchen Leuten kann man es nicht recht machen.“

— „Das hat Jesus auch gesagt!“

Das ist durchaus eine ernste Angelegenheit,
wenn man auf sein eigenes Leben schaut
als das eines Christenmenschen
zwischen Rechtfertigung und Sünde.
Jesus Christus hat am Kreuz die Sünde überwunden.
In der Taufe ist uns dieses Heilsereignis zugetragen worden.
Wir sind befreit aus Sünde und Verdammnis –
ungefragt
und aus Gnade allein.
Und dann haben wir nichts Besseres zu tun
als zurückzufallen
in die alten Muster
aus Selbstzerstörung
und -verachtung.
Da kann man sich schon fragen,
ob Jesus da sitzt,
„zur Rechten des Vaters“,
auf unser Leben schaut und sagt:

Manchen Leuten kann man es nicht recht machen.

Aber ich möchte dem Ende der Predigt nicht vorgreifen.

Ich habe diese Kanzelrede gegliedert nach Personen:
der Bettler, die Apostel und das Volk.

(1) Der Bettler

Der Bettler war lahm „vom Mutterleibe an“. —
Ich bin sicher,
seine Eltern haben sich über seine Geburt
genau so gefreut,
wie Eltern heute sich über ein Baby freuen.

Hey, unser Baby mag nicht perfekt sein,
aber er ist unser Baby.

Er hat einen Namen bekommen
und ist aufgewachsen unter Menschen,
die ihn lieb haben.

Ich glaube aber auch,
dass die äußeren Bedingungen
für seine Familie
härter waren,
als sie es heute wären.
Lebensmittel waren knapp
und den allergrößten Teil ihrer Kraft
brachten die Menschen auf
für das „täglich Brot“.
Ein Familienmitglied,
das nur isst,
aber keinen Beitrag leistet zum Auskommen der Familie,
konnten sich nur die wenigsten leisten.
Wenn der Hunger kam
und es darum ging,
die Produktiven zu retten,
mussten die Menschen damals grausam sein.

Das Märchen „Hänsel und Gretel“
beginnt mit der Beschreibung,
wie arm die Familie der Kinder war.
So arm,
dass die „böse Stiefmutter“
mit dem Vater zusammen
die Kinder im Wald auszusetzen wollte.
In dieser Geschichte ist eine Erinnerung enthalten,
hier, aus unserem unmittelbaren Kulturkreis,
dass es für Familien notwendig werden konnte,
so zu handeln.
Wer nur aß,
aber keinen Beitrag leistete,
musste „gehimmelt“ werden.

Ich erzähle euch das,
um deutlich zu machen,
wie sehr das Leben dieses Mannes in Frage stand.
- Ja, es ist demütigend, dazusitzen und zu betteln.
- Ja, er ist ausgeschlossen vom Gottesdienst,
von der Gemeinschaft,
weil er nicht in den Tempel darf.
- Ja, er ist abhängig von seiner Familie
und ihnen ausgeliefert.
Doch das, was sie für ihn machen,
dass seine Eltern
oder seine Geschwister und Cousins,
ihn dort an die Tür des Tempels tragen,
das ist auch das Maximum von dem,
was sie tun können.
Mehr ist nicht drin.
Sie müssen aufs Feld oder auf die Arbeit gehen,
damit alle was zu essen haben.
Sollte es hart auf hart kommen,
weiß er genau,
wer als erstes hinten rüberfällt. —
Sein Leben steht in Frage. Jeden Tag. —

(2) Die Apostel

Doch an diesem Tag wird alles anders.
Petrus und Johannes gehen zum Gottesdienst in den Tempel.
Der Bettler erbittet ein Almosen von ihnen
und Petrus antwortet:

Silber und Gold habe ich nicht;
was ich aber habe,
das gebe ich dir:
Im Namen Jesu Christi von Nazareth:
Steh auf und geh umher! […]

Und „8er sprang auf,
konnte gehen und stehen
und ging mit ihnen in den Tempel“.

Was ist das,
was die Apostel da haben,
das sie dem Bettler geben?

Nun, es ist ein Heilungswunder,
wie wir sie auch von Jesus kennen.
Auch Jesus sagt zu Menschen:

Du bist geheilt.

Und sie sind geheilt.
Doch das Wunder
sind nur die Spitze des Eisberges.
Das Wunder ist ein sichtbare Zeichen
für etwas Großes
unter der Oberfläche.

Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.

Dort, wo der Name Jesu anwesend ist,
ist das Reich Gottes gegenwärtig.
Wir können hier und jetzt seine Wirkung spüren.

Hier ist die Fülle des Lebens.
Es gibt keine Krankheit mehr und keinen Tot,
keinen Hunger mehr und keine Not.
Dein Leben steht nicht mehr in Frage,
sondern alle Gemeinschaft steht dir offen.
– Gemeinschaft mit der ganzen Kreatur! –
Die schönsten Bilder bei Jesaja
beschreiben Gemeinschaft mit den Tieren,
der Menschen untereinander
und der Menschen mit Gott.
Wo der Name Jesu anwesend ist,
ist Frieden
und die Fülle des Lebens ist für uns greifbar. —

Diesen Zuspruch
hat die Kirche immer
auch auf dem Appell-Ohr gehört.
Schon frühe Zeugnisse über Christen belegen,
dass sie sich um Heilung bemüht haben.
Sie gründeten Hospitäler und Armenhäuser
und widmeten sich der Diakonie.
So nennen wir den „Dienst“ an denen,
die ihn am dringendsten brauchen.
Lahme und Blinde,
Kranke und Arme
waren noch nie prinzipiell vom Gottesdienst ausgeschlossen.

Wenn sich heute gesellschaftsweit darum bemüht wird,
körperlich, geistig oder sozial
eingeschränkte Menschen zu integrieren,
dann liegt das genau auf dieser Linie.
Unsere Gesellschaft hat ein Sozialsystem ausgebildet –
Gott sei Dank!

Die treibende Kraft im Zentrum dieser Bewegung
ist das Himmelreich,
das Jesus Christus verkündigt hat. —

(3) Das Volk

Das Volk wird erfüllt von Verwunderung und Entsetzten.
Ein Wunder macht etwas mit dir.
Die Welt fühlt sich anders an,
wenn man merkt,
dass das Himmelreich gegenwärtig ist.

Petrus nutzt die Gelegenheit
und hält den Menschen
eine Umkehrpredigt
mitten in ihrer Kirche.

  • Er redet zu ihnen,
    als hätten sie selbst Jesus missachtet,
    wie ihre Väter die Propheten missachtet haben.
  • Er redet zu ihnen,
    als hätten sie selbst vor Pilatus gestanden
    und Barabas gefordert
    statt Jesu.
  • Er redet zu ihnen,
    als hätten sie persönlich Jesus verkauft
    für 20 Silbergroschen.

Aber dies alles läuft auf den Zuspruch hinaus,
dass es Gottes Plan war,
von Anfang an,
uns Menschen zu erlösen.

Der Menschensohn muss viel leiden
und verworfen werden
von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten
und getötet werden
und am dritten Tag auferstehen
[nach der Schrift].
2

Sünde und Krankheit und Tod
stellen unser Leben in Frage.
Doch Gott hat ihnen nicht das letzte Wort überlassen
über dein Leben,
sondern Jesus hat sie auf sich genommen.
Er hat sie mit ans Kreuz genommen.
Christus ist deinen Tod gestorben.

Den Menschen damals im Tempel spricht Petrus zu:

Durch Abrahams Geschlecht
sollen gesegnet werden alle Völker auf Erden.
Für euch zuerst hat Gott seinen Knecht Jesus erweckt
und hat ihn zu euch gesandt,
euch zu segnen,
dass ein jeder sich bekehre von seiner Bosheit.
3

Im übertragenen Sinne gilt das auch für uns.

Das Himmelreich ist unter uns gegenwärtig
und bewegt die Christenheit zu Taten der Liebe,
zu Akzeptanz
und Inklusion,
zur Annahme auch der Schwächsten. –
An Jesu sehen wir nämlich,
dass wir alle Menschen sind,
die bei Gott wertvoll geachtet werden;
so wertvoll, dass Christus sein Leben für sie gegeben hat.

Jesus Christus ist gegenwärtig in deinem Herzen.
Er will den Neuen Menschen stärken in dir
und den Menschen schaffen,
der du bei Gott sein sollst. —
Und solltest du mal danebengreifen,
dann bist du bei Jesus keine Witzfigur,
der „man es nicht recht machen“ kann,
sondern selbst als Sünder bist du bei Gott geliebt
und als wertvoll erachtet.
Gott nimmt deine Reue gerne an
und freut sich über deine Umkehr.

Dein ganzes Leben ist in Gottes Hand
und durchdrungen von seiner Gnade.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!4 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Nach Mk 8,31par.


3 Apg 3,25b.26


4 Phil 4,7


Manuskript pdf, 351 KB)

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