Die Stillung des Sturmes
Predigt zu Mk 4,35–41
Was hätten die Jünger denn machen sollen? Was hätte Jesus sich von ihnen gewünscht?
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist der Abschnitt aus dem Evangelium nach Markus,
den wir gerade gehört haben.
Ich werde die Geschichte im Verlauf der Predigt nacherzählen
und einige Verse zitieren.
Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege!2 — Amen
Liebe Brüder und Schwestern,
(1) Jesus hat ihnen das eingebrockt.
Die Fischer und die anderen Anwohner des See Genezareth
wussten genau,
dass es abends auf dem See gefährlich werden konnte.
Deswegen fuhren mehrere Botte zusammen.3
Jesus schläft den Schlaf des Gerechten. –
Er ist stets geborgen in der Beziehung zu seinem Vater.
(2) Die Jünger fühlen das gerade nicht so sehr:
Sie sind eher unentspannt,
genau, wie ich es wäre in ihrer Situation.
Sie wecken Jesus und sagen zu ihm:
Meister, lässt es dich kalt, dass wir umkommen?
Das ist halb Vorwurf, halb Bitte.
Auch in meinem Leben fühle ich mich schon mal so,
dass ich beten möchte:
Jesus, schläfst du? —
Jesus, fragst du nicht danach, dass ich so krank bin?
Mein Auge ist trübe geworden vor Gram,
matt meine Seele und mein Leib.
Mein Leben ist hingeschwunden in Kummer
und meine Jahre in Seufzen.4 —
Herr, berührt es dich nicht,
dass ich vor Streit nicht schlafen kann?
Wo ist nun dein Frieden,
den du uns gegeben hast?5 —
Lehrer!
Macht es dir nichts aus, dass wir untergehen?6
Das Schiff, das sich Gemeinde nennt,
das hat kaum noch Wasser unter dem Kiel.
Die Segel hängen schlaff in einer Flaute des Geistes
und die Kräfte reichen immer weniger zum rudern.
Das ist die Haltung,
mit der die Jünger Jesus begegnen:
Meister, lässt es dich kalt, dass wir umkommen?
Wunder geschehen doch jeden Tag.
Hier und jetzt wäre schön!
Und wenn du das nicht kannst,
dann steh auf
und hilf wenigstens lenzen! —
(3)
39Und er stand auf
und bedrohte den Wind
und sprach zu dem Meer:
„Schweig, du bist jetzt still!“
Das ist ein Bannwort.
Meine Oma hat auch schon mal so geredet:
Du bist jetzt mal still!
Das ist ein Befehl, natürlich,
aber als Feststellung gesagt.
Dagegen kann man auch nichts sagen,
denn man ist ja jetzt still.
Genau diese Taktik wendet Jesus bei Dämonen an.7
Wenn Jesus redet, schweigt das Böse.
Selbst die Chaosmächte des Sturmes und der See
sind seiner Vollmacht untergeordnet.
Der Schöpfer hat gesprochen
zu seinem Geschöpf.
Das ist genau das Wunder,
das die Jünger in diesem Moment brauchen. —
Doch diese Stille –
sie muss auch ganz schön beängstigend gewesen sein. —
(4) In diese Stille hinein sagt Jesus:
Was seid ihr so feige?
Habt ihr noch keinen Glauben?
Es erscheint mir spontan abwegig,
den Jüngern Feigheit vorzuwerfen.
- Sie haben nautisch das Richtige gemacht
und das Boot fachmännisch bedient im Sturm. - Sie haben die Nerven behalten
in einer lebensbedrohlichen Situation.
Natürlich ist man da aufgeregt
und es fällt schon mal ein hartes Wort.
Das kann man ihnen kaum zum Vorwurf machen. –
Welches Verhalten hat Jesus von den Jüngern gewollt?
Was hätten sie denn besser machen sollen?
Hätten sie das Rudern lassen sollen
und sich hinstellen sollen
und zum Sturm sagen sollen:
Schweig!
Du bist jetzt still!
Was erwarten wir, was dann passiert? –
Wenn ich das machen würde, in den Stürmen meines Lebens:
Die Chaosmächte lachen nicht mal.
Da passiert gar nichts.
Doch so spricht der Herr Jesus bei Matthäus:
Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn,
so könnt ihr sagen zu diesem Berg:
„Heb dich dorthin!“,
so wird er sich heben;
und nichts wird euch unmöglich sein.8
(5) Glauben bedeutet,
darauf zu vertrauen,
was Gott dir gesagt hat.
Der Prophet Jesaja hat das gleiche Problem
wie die Jünger im Boot.
Die Jünger sind höflich und zurückhaltend:
Äh, Jesus, könnt’ste mal, würd’ste mal?
Ist dir egal, dass wir zugrunde gehen?
Jesaja hat keinen höflichen Schalldämpfer.
Der stellt sich vor seinen Gott
und sagt:
Wach auf!
Wach auf,
du Arm des Herrn
und zieh Macht an!9
Und dann kommt ein Lobpreis Gottes,
eine Aufzählungen all der großen Taten,
die Gott getan hat.
Da fällt Gott selbst dann dem Propheten ins Wort:
Ich!
Ich bin euer Tröster! (Jes 51,12)
Ich bin bei euch alle Tage
bis an das Ende der Welt. (Mt 28,20b)
So spricht der Herr zu seinem Volk:
Ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt
und dich unter dem Schatten meiner Hände geborgen.10
Mit Gottes Wort auf dem Lippen
kannst du den Stürmen des Lebens begegnen
und sagen:
Schweig!
Du bist jetzt still.
Das heißt nicht,
dass du aufhören sollst, zu rudern.
Aber mit Gottes Wort
rudert man ganz anders.
(6) Dieses Wort ist für dich,
es ist aber auch für andere,
damit du weißt,
„mit den Müden zu rechter Zeit zu reden“.11
Das kann ein Gebet der Fürbitte sein
für diejenigen, die in Bedrängnis sind.12
Das kann ein Zuspruch sein
für einen deiner Mitmenschen,
dem du – mehr oder weniger ausdrücklich – sagst:
Jesus hat dich lieb!
Für weltliche Ohren klingt das banal.
Doch dieses Wort ist wertvoller,
als aller Reichtum der Welt.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein,
sondern von einem jeden Wort,
das aus dem Mund Gottes geht.13
Dir hat Gott sein Wort in deinen Mund gelegt.
(7) Jemand hat mal gesagt:
Ich hoffe,
zu sterben ist so,
als wenn man früher als Kind im Auto eingeschlafen ist
und Papa trägt dich ins Bett.
Glaube ist das Vertrauen auf diese Geborgenheit,
den ganzen Tag und die ganze Nacht,
an guten und an schweren Tagen. —
(Schluss) Die Jünger fragen sich untereinander:
Wer ist der?
Auch Wind und Meer sind ihm gehorsam!
Der ist dein Bruder Jesus Christus,
der dich dieser Liebe gewiss macht,
damit du glaubst an deinen Vater im Himmel,
der dich geborgen hat unter dem Schatten seiner Hände.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!14 Amen.
Predigtabschnitt
35Und am Abend desselben Tages sprach er zu ihnen:
Lasst uns hinüberfahren.
36Und sie ließen das Volk gehen
und nahmen ihn mit,
wie er im Boot war,
und es waren noch andere Boote bei ihm.
37Und es erhob sich ein großer Windwirbel,
und die Wellen schlugen in das Boot,
so dass das Boot schon voll wurde.
38Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen.
Und sie weckten ihn auf
und sprachen zu ihm:
Meister, fragst du nichts danach,
dass wir umkommen?
39Und er stand auf
und bedrohte den Wind
und sprach zu dem Meer:
Schweig und verstumme!
Und der Wind legte sich,
und es entstand eine große Stille.
40Und er sprach zu ihnen:
Was seid ihr so furchtsam?
Habt ihr noch keinen Glauben?
41Sie aber fürchteten sich sehr
und sprachen untereinander:
Wer ist der?
Auch Wind und Meer sind ihm gehorsam!
1 1.Kor 1,3
2 Ps 119,105
3 Vgl. V. 36. Dass die anderen Boote nachher nicht mehr vorkommen, bemerken mehrere Kommentare, vgl. insb. Gnilka, EKK, z. St, „Exegese für die Predigt“, z. St.
4 Aus Ps 31,10f.
5 Vgl. Joh 14,27.
6 V. 38b nach der BasisBibel.
7 Vgl. Gnilka, EKK, z.St., S. 195.
8 Mt 17,20b
9 Nach Jes 51,9–16, der atl. Lesung zum Proprium.
10 Jes 51,16; vgl. „Alle, wir, ich, Christus“, Predigt z. St. zu meiner Einführung.
11 Aus Jes 50,4.
12 Vgl. 2.Kor 1,8–11, die Epistel.
13 Mt 4,4 nach Dtn 8,3.
14 Phil 4,7
Weitere Predigten zu 4. So. v. Pass.:

Gottes Handeln in der Welt
Zur Gemeindeversammlung Frühjahr 2022,
Jes 51,9–16,
4. So. v. Pass.
Alles wird weniger, alle werden älter, doch in Gottes Wort begegnet uns das Schöpfung und Neuschöpfung.