Bald ist Himmelreich!
Predigt zu Röm 15,4–13

170 3. Advent, 15. Dezember 2024, Frankfurt

Das Christkind kommt bald! Diese Hoffnung trägt die Kinder bis Weihnachten. Diese Hoffnung trägt dich bis zum Ende der Welt.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist ein Abschnitt aus dem Brief des Paulus an die Römer
im 15. Kapitel.
Ich werde die relevanten Verse im Laufe der Predigt vorlesen.

Lasst uns beten:
Herr Gott, himmlischer Vater,
sende uns deinen Heiligen Geist,
damit die Worte des Apostels
in uns
die Erwartung und die Hoffnung schaffen,
die du uns geben willst. — Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

(1) das ist ein Mietvertrag.

Oder ist das nicht viel mehr ein Stapel Zettel,
auf dem der Text eines Mietvertrages steht?

Aber sind denn die Worte der Mietvertrag,
oder nicht viel mehr die Abmachungen,
die die Worte beschreiben?

Das klingt nach Haarspalterei.
So was ist eigentlich nur interessant,
wenn man Jura studiert. —
Bis mich dann mal von der Polizei angehalten hat
und ich hatte keinen Führerschein dabei:
Portemonnaie verloren.

Aha,

sagt der Polizist.

Dann wollen wir mal gucken,
ob sie ohne Fahrerlaubnis fahren.

Zwei Funksprüche später stand dann fest:
Der Führerschein war als verloren gemeldet
und meine Fahrerlaubnis hatte ich noch.

In diesem Moment
war der Unterschied zwischen dem Dokument
und seinem Inhalt
sehr relevant.
- Ohne Führerschein zu fahren
- und ohne Fahrerlaubnis zu fahren
steht an ganz anderen Stellen in der Preisliste. —

  • Auf diesen Zetteln hier steht ein Mietvertrag,
    mit seinen Abmachungen und Regeln.
  • Da geht es um Rechte und Pflichten,
    wer, wann, was bezahlt
    und was die andere Partei dafür bekommt.
  • Es geht aber noch um viel mehr:
    Diese Wohnung, um die es hier geht, war ein Zuhause.
    Hier haben Leben und Freude
    und Liebe und Hoffnung
    ihren Ort gehabt. —

Im zweiten Brief an die Korinther
nennt Paulus
die Bibel, wie sie ihm vorlag,
das „Alte Testament“.
2
Diese Bezeichnung ist uns so selbstverständlich,
dass wir das Überraschende daran
nicht mehr hören.
Was Paulus hier aber als erster gesagt hat,
ist,
dass in den
- Geschichten,
- Gesetzen,
- Liedern
- und Prophezeiungen
in diesem Buch
der Bund zwischen Gott und seinem Volk
in Gottes Wort gefasst ist.

Die Bibel ist dieser Bund
wie dieser Zettel der Vertrag ist. —

Was dieser Bund für uns Christenmenschen bedeutet,
das schreibt Paulus an die Römer so:

Schriftlesung

4Was [in der Bibel]3 geschrieben ist,
das ist uns zur Lehre geschrieben,
damit wir durch die Erwartung
4 und den Trost der Schrift
Hoffnung haben.

5Der Gott der Erwartung und des Trostes gebe euch,
dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander,
Christus Jesus gemäß,
6damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt,
den Vater unseres Herrn Jesus Christus.
7Darum nehmt einander an,
wie Christus euch angenommen hat
zum Lobe Gottes.

8Denn ich sage:
Christus ist ein Diener der Juden geworden
um der Wahrhaftigkeit Gottes willen,
um die Verheißungen zu bestätigen,
die den Vätern gegeben sind;
9die Heiden aber sollen Gott loben
um der Barmherzigkeit willen,
wie geschrieben steht:

Darum will ich dich loben unter den Heiden
und deinem Namen singen.
5

10Und wiederum heißt es:

Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!6

11Und wiederum:

Lobet den Herrn, alle Heiden,
und preist ihn, alle Völker!
7

12Und wiederum spricht Jesaja:

Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais
und er wird aufstehen,
um zu herrschen über die Heiden;
auf den
werden die Heiden hoffen.

13Der Gott der Hoffnung aber
erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben,
dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung
durch die Kraft des heiligen Geistes.

* * *

(2a) Die Hoffnung steht über dem Christenleben
wie die Liebe über einer Ehe.

Eine Freundin von mir und ihr Mann
haben sich vom Anstreicher das Hohelied der Liebe
in den Treppenaufgang schreiben lassen.

Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete
und hätte die Liebe nicht,
so wäre ich ein tönendes Erz
oder eine klingende Schelle.

1. Kor 13 – 
Ich glaube, in diesem Treppenaufgang
steht das ganze Kapitel.

Man kann also nie vom Wohnzimmer
in die Kinderzimmer gehen,
oder von der Küche ins Schlafzimmer,
ohne an diesem Text vorbei zu gehen.
Viel mehr noch als das,
was sie beim Standesamt unterschrieben haben,
und viel mehr als ein Ehevertrag
soll die Liebe
ihre Beziehung regieren.

Was Paulus hier beschreibt,
funktioniert ganz ähnlich.
Er sagt:

Durch die Bibel
gibt Gott uns Erwartung und Trost,
damit wir Hoffnung haben.

Hoffnung
soll unser Leben in der Beziehung mit Gott bestimmen.
Diese Hoffnung schenkt uns Gott
durch die Erwartungen,
die die Bibel in uns weckt.

Das Beste an Weihnachten ist die Erwartung.
Als Kind bin ich viel besser klar gekommen
mit der dunklen Jahreszeit.
Mein Lebensgefühl als Kind war nicht:

dunkel, kalt, Stress

sondern

Bald ist Weihnachten!

Erwartung und Trost,
von denen Paulus redet,
führt uns zu der Hoffnung,
die unser ganzes Leben umgestaltet:

Bald ist Himmelreich!

(b) Liebe Gemeinde,
Paulus betet für uns.

5Der Gott der Erwartung und des Trostes gebe euch,
dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander …
7Darum nehmt einander an,
wie Christus euch angenommen hat …

Gott ist der „Gott der Erwartung und des Trostes“.
Den gibt es gar nicht ohne.
Erwartung, Trost und Hoffnung kommen von ihm.

Wenn wir darauf hoffen,
dass wir Eintracht und Annahme finden,
dann hoffen wir auf Gott.
Das gilt für die Starken und Schwachen im Glauben,
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die Judenchristen und die Heidenchristen in Paulus’ Rom.
Das gilt auch
für die Konservativen und die Liberalen in der SELK.
Wenn wir daran glauben,
dass wir Lösungen finden in unseren Konflikten,
dann glauben wir daran,
dass Wunder geschehen.

  • Wenn wir erwarten,
    dass es Weihnachten wird am Ende des Jahres,
  • wenn wir darauf hoffen,
    dass es Himmelreich wird am Ende der Zeit,
  • dann glauben wir daran,
    dass Wunder geschehen.

Diese Hoffnung trägt uns durch die dunkle Jahreszeit
aus Streit und Konflikt,
durch die Kälte der Einsamkeit und der Trauer.

(c) Gott will,
dass alle Menschen gemeinsam ihre Stimmen erheben
und sie vereinen zu einem Chor um Gott zu loben.
Paulus beweist uns das anhand der Schrift.
Er zitiert:

Darum will ich dich loben unter den Heiden
und deinem Namen singen. (Psalm 18)

Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!
(Deuteronomium 32)

Lobet den Herrn, alle Heiden,
und preist ihn, alle Völker! (Psalm 117)

Immer, wenn hier steht „Gottes Volk und die Heiden“,
dann ist das wie „Geehrte Damen und Herren“;
mit anderen Worten: „alle“.
Und das schreibt Paulus
im Angesichts des Streits in Rom, von dem er wusste.
Er zitiert das
trotz der bitteren Anfeindungen,
die er persönlich als jüdischer Apostel der Heiden erfahren hat.

Das längste
und das stärkste Schriftwort,
das Paulus uns auslegt,
ist aus dem Buch des Propheten Jesaja.
Er schreibt:

Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais
und er wird aufstehen,
um zu herrschen über die Heiden;
auf den
werden die Heiden hoffen.

Da geht’s um Weihnachten.
Der Prophet redet vom Messias,
dem Christus.

Paulus sagt uns:
Hier könnt ihr sehen,
dass die Verheißung an Abraham und seine Kinder
wahr geworden ist.
Gott hat die Verheißung erfüllt,
die er den Vätern gegeben hat.
9
Unsere Hoffnung hat also einen einen Grund und ein Ziel:
Das Christkind kommt bald!
Diese Hoffnung trägt die Kinder bis Weihnachten.
Diese Hoffnung trägt dich bis zum Ende der Welt.

Amen.

Maranatha, komm, Herr Jesus!

Der Gott der Hoffnung aber
erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben,
dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung
durch die Kraft des heiligen Geistes.
10
— Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Vgl. 2.Kor 3,14. „Mit dieser Metonymie des Wortes diathēkē – vom „Bund“ zur ihn bezeugenden „Schrift“ (2 Kor 3,14) ist Paulus dem späteren Sprachgebrauch der Kirche vorausgeeilt“. Heinrich Karpp: „Schrift, Geist und Wort Gottes“, Darmstadt 1992.


3 Das „zuvor“ aus LUT84 würde sich im heutigen Sprachgebrauch eher auf Röm 1–14 beziehen, also darauf, was Paulus’ in seinem Brief „zuvor“ geschrieben hat. Durch die Zitate macht Paulus später deutlich, dass er die „Schriften“ meint. Unser „Die Bibel“ ist freilich nicht identisch mit den „Schriften“ der ursprünglichen Rezipienten. Von diesen literar- und kanonhistorischen Überlegungen ist Paulus’ schrifthermeneutischer Zuspruch aber unabhängig. „Die Bibel“ entfaltet nach wie vor jene Wirkung unter uns, die der Apostel „den Schriften“ zuspricht.


4 LUT84 bietet „Geduld“. Ich entscheide, ὑπομονή in seiner zweiten Bedeutung aufzufassen. Geduld und Trost sind hier beide Gottes Gaben an uns (vgl. Wilckens, EKK, z.St.), gegeben durch „die Schriften“. Das heutige Alltagsverständnis von Geduld verortet diese aber im Menschen als eine Charaktereigenschaft oder Tugend. Die Erwartung dagegen ist auf etwas extra nos gerichtet.


5 Psalm 18,50


6 Dtn 32,43


7 Psalm 117,1


8 Von denen hatten wir es neulich, das ist das Kapitel davor: „Geisterbahn“, Predigt zu Röm 14,1–10 am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres 2024.


9 Vgl. Vers 8.


10 Röm 15,13


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