„Ich bin das Brot des Lebens“
Predigt zu Joh 6,30–35
Manna und Wachteln in der Wüste werden verbunden mit Jesu Wort: „Ich bin das Brot des Lebens“.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.1 Amen.
Das folgende Gespräch ereignete sich einen Tag,
nachdem Jesus mit fünf Broten und zwei Fischen
5.000 Menschen satt gemacht hat:
Das Volk sprach zu Jesus:
„Was tust du für ein Zeichen,
damit wir sehen und dir glauben?
Was für ein Werk tust du?
Unsere Väter haben in der Wüste das Manna gegessen,
wie geschrieben steht:
‚Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen’“.
Da sprach Jesus zu ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben,
sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.
Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt
und gibt der Welt das Leben“.
Da sprachen sie zu ihm: „Herr, gib uns allezeit solches Brot“.
Jesus aber sprach zu ihnen: „Ich bin das Brot des Lebens.
Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern;
und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten“.2
Lasst uns beten:
Herr, Gott, Jesus Christus, segne Dein Wort an uns.
Öffne unsere Ohren und unsere Herzen. — Amen
Liebe Gemeinde,
die Großmutter erzählt dem Enkel eine Geschichte aus dem Krieg: Eine Seifenfabrik wurde von einer Bombe getroffen.
Seife wird aus Fett gemacht,
das mit Glycerin behandelt wird.
Das Fett lief tonnenweise in die Abwasserkanäle.
In der ganzen Stadt kam es aus den Gullys,
weil es ja auf dem Wasser oben schwamm.
Die Oma erzählt:
„Da haben die Leute Schüsseln und Töpfe genommen
und sind losgegangen, das Fett aufzusammeln“.
„Aber Oma! Was wollten die Leute denn mit diesem Fett?“
„Na, um ihre Bratkartoffeln damit zu braten!“
In dem Moment begriff der Enkel,
was „Hunger“ bedeutet:
Dass Menschen so viel Hunger haben können,
dass sie Fett verwenden
- in ihrer Küche
- in ihren Töpfen und Pfannen,
- für ihr Mittagessen,
das auf der Kloake obenauf geschwommen hatte.
So viel Hunger kann man haben.
Wenn wir die alttestamentliche Lesung für heute hören,
sind wir schnell dabei,
die Israeliten als undankbar zu verurteilen.
Gott hat sie gerade aus dem Sklavenhaus Ägypten befreit
und sie meckern Moses und Aaron an:
Wollte Gott,
wir wären in Ägypten gestorben durch des Herren Hand,
als wir bei den Fleischtöpfen saßen
und hatten Brot in Hülle und Fülle zu essen.
Ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste,
dass ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben lasst.3
Die haben Hunger.
Die würden alles essen, was sie kriegen können,
doch sie haben nichts.
Sie haben nur Hunger.
Gott reagiert auch keineswegs verärgert auf die Klage,
sondern sagt:
„Ich habe das Murren des Israeliten gehört“.
„Gehört“ meint hier nicht,
dass Gott sie akustisch wahrgenommen hat,
sondern dass er die Not der Insraeliten erkannt hat,
dass er sie anerkennt.
Gott versorgt sie mit Brot und Fleisch.
Der Volksmund weiß:
Liebe geht durch den Magen.
Natürlich ist Liebe nicht das selbe wie materielle Versorgung.
Doch zur Liebe gehört immer,
dass man die Bedürfnisse des geliebten Menschen wahrnimmt
undsiezum eigenen Anliegen macht.
Ich liebe dich.
Dass es dir gut geht,
ist mir wichtig.
Genau das macht Gott hier.
Er „hört“ das „Murren“ der Israeliten.
Das heißt, er nimmt ihre Bedürfnisse wahr
und er macht es sich zur Aufgabe,
den Hunger der Israeliten zu stillen.
Israel ist ihm wichtig.
Das ist eine Liebeserklärung.
Von hier aus ist die Frage zu verstehen,
die die Israeliten Jesus stellen:
Das Volk sprach zu Jesus:
„Was tust du für ein Zeichen,
damit wir sehen und dir glauben?
Was für ein Werk tust du?
Unsere Väter haben in der Wüste das Manna gegessen,
wie geschrieben steht:
‚Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen’“.
Gerade am Tag davor hat es mit fünf Broten und zwei Fischen 5.000 Menschen satt gemacht.
Da haben die Menschen gedacht, er sei ein „Prophet“.
Sie haben gedacht, er sei ein neuer Mose.
Sie wollten ihn zum König machen.
Aber Jesus hat sich ihnen entzogen,
indem er weggegangen ist.
Da haben sie verstanden:
Ein neuer Mose ist er nicht.
Und deswegen fragen sie ihn:
Unsere Väter haben in der Wüste Manna gegessen.
Sie meinen:
„Das haben wir wiedererkannt,
gestern, als wir zusammen gegessen haben“.
„Was für ein Werk tust du?“
„Ein neuer Mose bist du nicht. Aber was dann?“
Da sprach Jesus zu ihnen:
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch:
Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben,
sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel“.
„Nicht Mose hat gegeben…, sondern mein Vater gibt“.
Nicht in der Vergangenheit ist etwas geschehen,
sondern jetzt und hier,
vor unseren Augen,
ist das wahre Geschenk Gottes,
der tiefste Ausdruck seiner Liebe.
Denn Gottes Brot ist das,
das vom Himmel kommt
und gibt der Welt das Leben.
Hier ist Leben in Fülle.
Ein Leben,
das die ganze Welt angehet und Ort und Zeit durchdringt.
Hier ist ein Leben, das in die Ewigkeit hineinreicht.
Die Israeliten verstehen das sofort:
Herr, gib uns allezeit solches Brot.
Und so beantwortet Jesus die Ausgangsfrage danach,
wer er denn sei:
Ich bin das Brot des Lebens.
Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern;
und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
Jesus ist der, der vom Himmel herabgekommen ist,
um bei uns zu sein, um unser gelebtes Leben mit zu leben.
Es ist ein merkwürdiges Wort:
Ich bin das Brot des Lebens.
Jesus sagt nicht:
Meine Lehre ist das Brot des Lebens.
Wer sich an meine Gebote hält,
hat in dieser-oder-jener Hinsicht Erfolg.
Er sagt:
Ich bin das Brot des Lebens.
Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern;
und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
- Es geht um ihn als Person.
- Es geht um eine persönliche Beziehung und
- es geht um Vertrauen.
Das Johannes-Evangelium steht unter dem Motto:
„Das Wort wurde Fleisch“.4
Jesus ist das Wort Gottes,
er ist Gott selbst,
der Mensch geworden ist.
Moses sagt in seinem fünften Buch:
Der Mensch lebt nicht von Brot allein,
sondern von einem jeden Wort aus dem Munde Gottes.5
In Jesus fallen diese beiden Dinge zusammen.
Er ist das Wort Gottes,
das in unser Leben tritt
und körperlich-menschlich zu uns kommt.6 —
Am Anfang der Predigt
stand ein sehr drastisches Beispiel dafür,
was Mensch essen, wenn sie richtigen Hunger haben.
Jetzt sind wir beim Abendmahl angekommen.
Das Abendmahl
wirkt im Vergleich doch eher unscheinbar und harmlos.
Ich kann für mich sagen,
dass die Begegnung mit Jesus Christus
mein Leben tiefgreifend verändert hat.
Es hat früher Seiten an mir gegeben,
von denen ich sehr froh bin,
dass es sie nicht mehr gibt – oder nicht mehr so sehr.
Der Mensch, der ich früher war, möchte ich nicht sein.
Das sind aber alles Dinge, die man nicht so einfach ablegt.
Obwohl ich ein neuer Mensch geworden bin,
lebt der Alte Adam in mir noch weiter.
Ich bedarf der Korrektur.
Ich bin darauf angewiesen,
dass Gott mich immer wieder anrührt
und mich anspricht und sagt:
So nicht!
Ich habe dich nicht geschaffen als so einen Menschen.
Ich habe dich geschaffen als jemand besseres.
Ich bin immer wieder darauf angewiesen, Gottes Wort zu hören. Ich bin immer wieder darauf angewiesen, dass Gott mir vergibt.
Beides gibt es auf seine Art im Abendmahl.
Für den Alten Adam ist das Abendmahl Gift:
Der alte Mensch, der ich früher einmal war,
wird geschwächt.
Für den Neuen Adam ist das Abendmahl Nahrung:
Der neue Mensch,
den Gott herausgerissen hat
aus seiner Verkrümmung in sich selbst,
wird gestärkt.
Dabei ist es mir wichtig,
dass dies eine leibliche Seite hat.
Christus ist mit seinem Leib und seinem Blut wirklich gegenwärtig.
Genau wie ich auch!
Ich bin ja auch Leib und Blut.
Das hier (der Körper) ist, was ich bin.
Ich bin nicht Idee, Theorie oder ein Stück Software,
das auf einem Eiweiß-Computer läuft.
Ich bin ein Mensch.
Und genau das ist Christus auch.
Er ist nicht Weisheit, Lehre und Dogmatik geworden,
sondern ein Mensch.
Ich hatte ein kurzes Gespräch mit einem Bekannten von mir.
Ich kam gerade vom Einkaufen.
Der fand es peinlich,
dass ich mit einem Paket Klopapier unter dem Arm
über die Straße ging.
Warum fand das peinlich? Benutzt der das nicht?
Was sich dahinter verbergen könnte ist,
dass es ihm peinlich ist, ein Mensch zu sein,
ein Mensch mit einem Körper.
Wir haben einen ziemlichen Körper-Kult in unserer Kultur.
Da ist der Körper aber nur Idee oder Bild.
Wenn der Körper dann macht,
was ein Körper so macht,
und man abputzen muss,
dann ist das peinlich.
Das ist unangenehm.
Das wollen wir eigentlich nicht.
Gott hat das gewollt!
„Das Wort wurde Fleisch“ bedeutet,
dass Gott einen menschlichen Körper
zu seinem Körper gemacht hat.
- Er ist als Baby zur Welt gekommen
und hat die Windeln gemacht. - Er wurde geschlagen und gefoltert
und hat geblutet und gelitten. - Er wurde ans Kreuz geschlagen und ist gestorben.
Ich finde, das ist eine starke Botschaft.
Ich finde, das ist ein Ausdruck von Wertschätzung dafür,
was wir sind.
- Ob du diesem oder jenem Schönheitsideal entsprichst
oder nicht, - ob du gehst oder im Rollstuhl fährst,
- ob eine Krankheit dich beutelt
oder eine Verletzung dich quält, - ob dein Alter dich einschränkt,
oder deine Schwächen dich ausbremsen:
In Christus kannst du dich wiedererkennen.
Und du kannst wissen:
Er erkennt sich auch in dir.
Über welchen Gott kann man das schon sagen?
Natürlich ist Christus nicht nur wahrer Mensch,
sondern auch wahrer Gott.
Aber durch dieses gewaltigen Unterschied
zwischen Christus und uns
wird die tiefe Verbundenheit nicht in Frage gestellt.
Im Gegenteil:
Gerade als der erste der Auferstanden
ist er im Abendmahl leiblich gegenwärtig.
Mit seinem auferstanden Leib kommt er zu dir
in deinen vergänglichen Leib
um stark zu machen,
was Gott in dir geschaffen hat.
Dies stärke und bewahre dich,
im Glauben,
zum ewigen Leben.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!7 Amen.
Lied nach der Predigt:
ELKG 161 „Das Wort geht von dem Vater aus…“
Cosi 239 „Lebensbrot, stärke uns…“
1 1.Kor 1,3
2 Joh 6,30–35
3 Ex 16 (nach ELKG 052)
4 Joh 1,14
5 Dtn 8,3, nach Mt 4,4.
6 Professor Klän bringt in Oberusel den jungen Studenten bei, das Sakrament des Altars, das Abendmahl, sei essbares Wort und das Wort der Predigt sei hörbares Sakrament.
7 Phil 4,7