12:45

Der Lobgesang der Hanna
Predigt zu 1.Sam 2,1–8

Diese Predigt bietet eine Einleitung, indem ich die Vorgeschichte des Abschnittes nacherzähle. Das Loblied steht dann am Ende der Predigt als ein Lobpreis für sich.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist der Lobgesang der Hanna, im 1. Buch Samuel im 2. Kapitel.
Ich werde eine Einleitung geben
und die Vorgeschichte nacherzählen
und das Loblied steht dann am Ende der Predigt
als ein Lobpreis
für sich.

Lasst uns beten:
Herr Gott, himmlischer Vater,
sende deinen Heiligen Geist auf diese Gemeinde,
damit wir in der Geschichte von Hanna
unsere Lebensgeschichte wiedererkennen
und ihr Jubel über deine Wunder
mit unserem Osterjubel einhergehe
dir zur Ehre
und uns zur Freude.
— Amen

Liebe Brüder und Schwestern,

Einleitung

das 1. Buch Samuel
beginnt mit Kindheitsgeschichten des Propheten.
In der Antike
interessiert man sich eigentlich nicht für die Kindheit.
Menschen werden erst interessant,
wenn sie erwachsen sind.
Dagegen gibt es in der Bibel eine Reihen von Kindheitserzählungen.
In dieser Hinsicht spielt Samuel in einer Liga
mit Moses und mit Jesus.
Seine Mutter Hanna gehört zu den großen Frauen der Bibel
wie Sarah und Maria.

Hannas Lobgesang ist eine alttestamentliche Vorlage
für das Magnifikat,
der Lobgesang der Maria,
als Jesus geboren wurde.
Die Chorsänger unter uns kennen es gut
und in der Liturgie der Klöster hat es über viele Jahrhunderte
viele Christenmenschen täglich begleitet.

Wenn wir heute die Kindheit eines Menschen betrachten,
fragen
wir nach Prägung. —
Was hat diesen Menschen zu dem gemacht, der er ist?

Wenn die Bibel die Kindheit betrachtet,
fragt sie nach Gott. — 
Wie wird Gottes Gnade sichtbar
am
ganzen Leben dieses Menschen?

Im 139. Psalm heißt es:

13Denn du hast meine Nieren bereitet
und hast mich gebildet im Mutterleibe.

14Ich danke dir dafür,
dass ich wunderbar gemacht bin;
wunderbar sind deine Werke;
das erkennt meine Seele.
2

Gott hält unser Leben in seiner Hand.
Das gilt auch dort,
wo wir keinen Zugriff und keine Handhabe haben:
Vor der Geburt
und nach dem Tod.

Du liegst ganz in Gottes Hand.
Deswegen erzählt die Bibel von Geburt und Kindheit.

Rahmen

Wir lernen auf diese Weise Hanna kennen – 
und zwar in einer Zeit in ihrem Leben,
die war nicht so schön.
Hanna kann anscheinend keine Kinder kriegen.

Das war für Menschen damals eine Katastrophe;
für Frauen vielleicht noch mehr als für Männer.
Aber wir wissen das zum Beispiel auch von Abraham:
Der hat getrauert,
dass er keine eigenen Nachkommen hatte.

Diese Menschen waren Viehzüchter.
Ihr Lebensunterhalt
und ihren Wohlstand,
den hatten sie in ihrer Herde.
Die Zucht der Tiere war ihr Handwerk
und dazu gehört,
dass unter ihren Augen und Händen
jedes Jahr Lämmer geboren werden.
Da wünscht man sich natürlich
eine Geburt für die eigene Familie,
für die eigene kleine Herde.

Dazu kommt sicher sozialer Druck.
Hanna wird erlebt haben,
dass Menschen sie damit demütigen,
dass sie kinderlos ist.

Viele können schlecht damit umgehen,
wenn einem anderen etwas schlimmes passiert.
Die kriegen dann so einen Dackelblick
uns säuseln mit mitleidiger Stimme.
Sie sagen irgendwelche vorgefertigten Sachen daher,
die sie eigentlich gar nicht meinen,
nur, um etwas zu sagen zu haben.

Und dann ist da noch Gott. —
Hanna muss daran gezweifelt haben,
ob Gott es gut mir ihr meint.
Leben und Segen – 
das ist im Grunde eins.
Hanna wird enttäuscht gewesen sein.
Sie hat sicher für ihr leben erwartet,
Kinder zu bekommen.
Da muss sich ihre Situation anfühlen
wie ein Versprechen,
das Gott nicht erfüllt hat.

Dennoch hat Hanna nie von Gott gelassen.
Sie hat gebetet zu ihm
und gebeten,
doch noch Mutter zu werden.
Die Bibel überliefert uns,
wie sie im Heiligtum in Silo betet
während die anderen draußen die Wallfahrt feiern.
Da meint sie der Priester,
sie sei besoffen
und will sie ’rausschmeißen.
Sie sagt:

Nein, mein Herr!
Ich bin eine betrübte Frau;
Wein und starkes Getränk habe ich nicht getrunken,
sondern mein Herz vor dem
Herrn ausgeschüttet.3

So lernen wir,
dass Pastoren sich auch mal irren können.
Und Hanna ist uns ein Vorbild:
Wenn du betest
und das Herz läuft dir über,
machst du nichts falsch.

Als Gott ihr Gebet erhört,
ist Hanna voller Freude,
aber sie klammert nicht an ihrem Kind.
Sie hatte im Gebet um ein Kind gebeten,
aber auch Gott gelobt,
das Kind besonders in seinen Dienst zu stellen.

Ihr Lobgesang
steht auch nicht in Verbindung mit Samuels Geburt,
sondern mit dem Tag,
als Hanna ihn im Heiligtum abgibt.
Er soll hier unter der Ägide des Priesters aufwachsen;
eine Art Internatsaufenthalt,
um ihn für ein Leben für Gott vorzubereiten.

Umarmen und Loslassen stehen ganz dicht beieinander.4

Deutung

Liebe Gemeinde,
Hannas Lobgesang lehrt uns,
dass die Maßstäbe dieser Welt bei Gott nicht gelten.

  • Was wir für stark halten, ist bei Gott schwach.
  • Menschen, die wir für reich halten,
    sind bei Gott arm.
  • Welche, die wir für unfruchtbar und Versager halten,
    sind bei Gott geachtet für das,
    was sie getan haben.

Gott funktioniert ganz anders.

Der Mann am Kreuz
ist nach den Maßstäben der Welt bitter gescheitert.
Doch er ist der Gottesknecht,
der erhöht wird
über alle Maße.

  • Er, der Allerverachtetste und Unwerteste,5
    ist der wahre König des auserwählten Volkes.
    Was er tut, rettet die Welt.
  • Er hat den wahren Reichtum,
    denn Gott hat alles unter seine Füße getan.
  • Er hat die wahre Stärke,
    denn er hat den Tod besiegt.

Weil dieser König uns erwählt hat,
und sein Leben mit uns teilt,
markieren wir noch unsere Gräber mit dem Kreuz
und legen Siegeskränze auf die Särge.

Wegen Jesus Christus
singen wir mit Hanna:

1Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn,
mein Haupt ist erhöht in dem
Herrn.

Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde,
denn ich freue mich deines Heils.

2Es ist niemand heilig wie der Herr. –
Außer dir ist keiner! – 
und ist kein Fels, wie unser Gott ist.

3Lasst euer großes Rühmen und Trotzen,
freches Reden gehe nicht aus eurem Munde;

denn der Herr ist ein Gott, der es merkt,
und von ihm werden Taten gewogen.

4Der Bogen der Starken ist zerbrochen,
und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke.

5Die da satt waren, müssen um Brot dienen,
und die Hunger litten, hungert nicht mehr.

Die Unfruchtbare hat sieben geboren,
und die viele Kinder hatte, welkt dahin.

6Der Herrn tötet und macht lebendig,
führt hinab in das Totenreich und wieder herauf.

7Der Herr macht arm und macht reich;
er erniedrigt und erhöht.

8Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub
und erhöht den Armen aus der Asche,
dass er ihn setze unter die Fürsten
und gibt ihm den Thron der Ehre als Erbe.
6

Denn der Welt Grundfesten sind des Herrn,
und er hat die Erde darauf gesetzt.

9Er wird behüten die Füße seiner Heiligen,
aber die Gottlosen sollen zunichte werden in Finsternis;
denn viel Macht hilft doch niemand.

10[…]7
Der Herr wird richten der Welt Enden.
Er wird Macht geben seinem König
und erhöhen das Haupt seines Gesalbten.

P: Der Herr ist auferstanden.
G: Er ist wahrhaftig auferstenden!

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Aus Ps 139.


3 1Sam 1,15


4 Vgl. Pred 3,5.


5 Vgl. Jes 53,3.


6 נחל hiphil: Erben lassen, vererben, hinterlassen. Ein menschlicher Erblasser ist freilich tot. Hier steckt aber drin, dass jemand von Gott etwas bekommt, das über sein eigenes Leben hinausgeht. Daher habe ich den Satz so umgeschrieben.


7 V. 10 beginnt: „Die mit dem Herrn hadern, sollen zugrunde gehen. / Der Höchste im Himmel wird sie zerschmettern …“ Hannas Triumph(-gefühl) in allen Ehren: Wir dürfen mit Gott „hadern“ im Modus der Klage. Die Psalmen sind voll davon. Wir gehen nicht daran zu Grunde, noch wird uns der Herr „zerschmettern“, wenn wir uns in unserer Verzweiflung mir Hader an an ihn wenden, im Gegenteil. Das ist Sachkritik. Homiletisch wäre es unverantwortlich, den Teilvers stehen zu lassen. Da könnte ich mein ganzes Leben nicht gegen anpredigen, was das kaputt macht, wenn es einen Menschen im falschen Moment trifft. Dadurch bricht der parallelismus membrorum und Gottes Richten über die Hadernden fällt mit der Gerichtsgewalt des Königs zusammen.


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