14:48

Salz der Erde, Licht der Welt
Predigt zu Mt 5,13–16

123 8. So. n. Trinitatis, 30. Juli 2023, Frankfurt

„Ihr seid das Salz der Erde“, „ihr seid das Licht der Welt“ – Jesus lamentiert nicht, „ihr währet das Salz der Erde, wenn ihr nur ganz anders wäret“, sondern was er sagt, ist reiner Zuspruch. Was bedeutet das für uns als einzelne Christenmenschen und als Gemeinde?

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist ein Wort des Herrn Jesus aus der Bergpredigt,
beim Evangelisten Matthäus im 5. Kapitel:

13Ihr seid das Salz der Erde.
Wenn nun das Salz nicht mehr salzt,
womit soll man salzen?
Es ist zu nichts mehr nütze,
als dass man es wegschüttet
und lässt es von den Leuten zertreten.

14Ihr seid das Licht der Welt.
Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt,
nicht verborgen sein.
15Man zündet auch nicht ein Licht an
und setzt es unter einen Scheffel,
sondern auf einen Leuchter;
so leuchtet es allen,
die im Hause sind.

16So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten,
damit sie eure guten Werke sehen
und euren Vater im Himmel preisen.

Lasst uns beten:
Herr Gott Jesus Christus,
komm zu uns
und erleuchte unsere Herzen,
damit dein Wort hervorbricht
und unsere Dunkelheit vertreibe. — Amen

(1) Jambalaya (but not on the Bayou)

Liebe Brüder und Schwestern,

letztes mal,
als ich in den USA war,
wollte ich unbedingt Jambalaya essen.
Ich kannte das Lied
2
und jetzt wollte ich auch das Gericht kennen lernen.

Jambalaya ist ein Reisgericht,
mit Hühnchen, Meeresfrüchten und Gemüse,
ein Grundgericht der kreolischen Küche,
scharf und lecker!

Gesagt, getan,
habe ich mir ein Rezept aus dem Internet geholt
und bin losgezogen
mit einer Einkaufsliste.

Das teuerste auf dieser Liste
waren die Zutaten für die Gewürzmischung.
Während also Reis, Gemüse und Fleisch kochten,
mischte ich die Gewürze in einem Einmachglas.

Die Zutaten kamen zusammen in einen Topf
und dann habe ich großzügig gewürzt.
Probiert:

Schmeckt nach nix.

Hm.
Viel hilft viel!
Mehr Gewürzmischung.

Ja… jetzt kommt’s langsam!
Aber irgendwie schmeckt das komisch.
Kann noch mehr.

Nach und nach verschwand ein halbes Glas Gewürzmischung
in meinem Eintopf.

Verstehe ich gar nicht:
Das Zeug besteht zur Hälfte aus Cayenne Pfeffer.
Eigentlich müsste ich
nach jedem Löffel
schmerzerfüllt durch diese Küche hüpfen.

Sag mal,
hast du eigentlich schon Salz drangemacht?

Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen:
Das eine Gewürz,
das meine Jambalaya noch gar nicht gesehen hatte,
war Salz.

Ich gab also eine angemessene Menge Salz in den Topf
und stellte umgehend fest:
Ja!
Ein halbes Döschen Cayenne Pfeffer auf 2l Eintopf
sind sehr, sehr scharf!
Aber ohne Salz
war da praktisch gar nichts,
kaum Schärfe und ganz komischer Geschmack.

(2) Salz der Erde

An diesem Tag habe ich auf kulinarischem Wege verstanden,
was der Herr Jesus uns hier sagt:

„Ihr seid das Salz der Erde“.
Ohne euch ist alles fad.

Das ist ganz Zuspruch.

Ihr seid das Salz der Erde.

Nicht:

Ihr entwickelt euch zum Salz der Erde.

Oder:

Ihr sollt das Salz der Erde sein.

Kein Konjunktiv und keine Bedingung:

Ihr währet Salz der Erde,
wenn ihr nur ganz anders währet …

Da steht Indikativ:

Ihr seid das Salz der Erde.

Wenn ich euch beim Abendmahl
verabschiede vom Altar,
wähle ich ganz bewusst den Indikativ:

Der Leib und das Blut von Jesus Christus
stärken und bewahren euch im Glauben
zum ewigen Leben.

Die Agende sieht Konjunktiv vor:

Dies stärke und bewahre euch im Glauben …

Es ist mir zu schwach zu sagen:

Gottes Wort eröffnet Möglichkeiten.

Gottes Wort schafft Wirklichkeit.

Deswegen können wir uns ohne Furcht fragen:
Wie kann es bei uns sein,
dass das Salz nicht mehr salzt?

Für die Kirche heute fallen mir sofort zwei Extreme ein.
Das eine sind die so genannten „Liberalen“.
Da ist die Kirche eine von vielen Organisationen,
die das öffentliche Leben gestalten.
Sie ähnelt einer politischen Partei
oder einem Verein.

Das ist,
als wolle das Salz nicht mehr Mineral sein,
sondern eine von den anderen Zutaten.
Eine solche Suppe enthält nur noch vom Namen her Salz,
in Wirklichkeit ist sie leer und fad.

Auf der anderen Seite gibt es diejenigen,
die meinen,
sie seien „konservativ“.
Ihnen geht es um die Wahrheit der Lehre
und die Reinheit der Moral.
Deswegen bauen sie einen Zaun um die Kirche
mit einem Tor,
wo genau gefiltert wird,
wer zu uns passt
und wer nicht.

Das ist,
als wenn das Salz im Glas bleiben wollte,
hermetisch abgeriegelt von der Welt.
Da ist es unter seinesgleichen,
bleibt weiß und sauber, – 
doch salzen tut es nicht.

Beides kann man nicht gebrauchen:
Salz, dass sich der Suppe gleich macht
ist genau so wenig sinnvoll
wie Salz, das die Suppe nicht berühren will.
Mein Eindruck ist,
dass die Trinitatisgemeinde, Frankfurt,
da auf einem guten Weg ist.
Es gibt immer mal Anflüge in die eine
wie in die andere Richtung,
aber im Grunde hält die Gemeinde
eine gesunde Mittenposition.

Meine Sorge ist eher,
dass die Trinitatisgemeinde
ihr Licht
unter den Scheffel stellt.

(3) Licht der Welt

14Ihr seid das Licht der Welt.
Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt,
nicht verborgen sein.
15Man zündet auch nicht ein Licht an
und setzt es unter einen Scheffel,
sondern auf einen Leuchter;
so leuchtet es allen,
die im Hause sind.

Alles, was ich über das Salz-Wort gesagt habe,
gilt hier auch:
Das ist ganz Zuspruch.
Jesus lamentiert nicht ’rum,

Man könnte, dürfte, sollte …

sondern:

Ihr seid das Licht der Welt.

Statt eines Gerichtswortes
läuft dieser Zuspruch in zwei starken Bildern aus.

Das Bild von dem Licht unter dem Scheffel
ist für alle verständlich:
Wer macht schon eine Lampe an
und stülpt ein Gefäß darüber?
Dann brauchst du auch keine Lampe.
Klar!

Was an uns vorbei geht ist,
wie grotesk diese Idee ist.
Das hat technische Gründe:
Für die allermeisten Menschen
im Laufe der Geschichte
waren Innenräume dunkel.
Das änderte sich erst mit der Erfindung der Glühbirne.
Um das Haus zu beleuchten,
brauchte man vorher Kerzen aus Wachs oder Talg
oder man verbrannte Öl mit einem Docht.
Das rußte,
das stank
und es war exorbitant teuer.

Dieses Bild,
das Jesus uns vor Augen malt:
Da nimmt einer eine Lampe mit Öl drin, –
einem Lebensmittel! – 
zündet sie an
und stülpt dann ein Gefäß darüber –
das ist nicht nur dumm,
das ist zynisch.

Das ist eine Betriebsmittelverbrauchsfahrt:

Ich fahre jetzt von Hamburg nach München und zurück,
weil ich noch so viel Benzin im Tank habe!

Das macht in so vielerlei Hinsicht keinen Sinn,
dass das Hirn Purzelbäume schlagen will.

Licht ist etwas kostbares.
Es gehört auf einen Lampenhalter,
nicht unter einen Scheffel.

Im Johannesevangelium,
im 8. Kapitel,
sagt Jesus:

Ich bin das Licht der Welt.
Wer mir nachfolgt,
der wird nicht wandeln in der Finsternis,
sondern wird das Licht des Lebens haben.
3

Jesus ist in seiner Gemeinde gegenwärtig.
Er ist in unserer Mitte
und so nimmt die Gemeinde
Christi Raum in auf der Erde.
4

Durch die Gemeinde sagt Christus:

So sehr hat Gott die Welt geliebt,
dass er seinen einzigen Sohn gab,
damit alle, die an ihn glauben,
nicht verloren werden,
sondern das ewige Leben haben.
5

Durch die Gemeinde sagt Christus:

Dir sind deine Sünden vergeben.6

Durch die Gemeinde sagt Christus:

Dies ist mein Leib …
Dies ist der neue Bund in meinem Blut …
7

Das Licht, das in unserer Mitte brennt,
ist Christus.
Dieses Licht ist unendlich edel und kostbar.

Manchmal habe ich den Eindruck,
das schönste,
was unsere Zeitgenossen an unserer Gemeinde wahrnehmen,
ist unser Parkplatz.

  • Ja, das liegt daran,
    das Glaube und Religion
    unter unseren Zeitgenossen an Bedeutung verlieren.
  • Ja, das liegt daran,
    dass die Augen der Welt
    von der Sünde gehalten sind.

Aber als Gemeinde müssen wir uns auch fragen,
ob wir alles getan haben,
was der Herr von uns fordert:
8

16Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten,
damit sie eure guten Werke sehen
und euren Vater im Himmel preisen.

M.E. müssen alle Gruppen, Kreise und Projekte,
die in dieser Gemeinde beheimatet sind,
ein Auge darauf haben,
wie sie nach außen wirken können.
Wie schaffen wir es,
die Außenfläche dieser Gemeinde zu vergrößern,
so dass möglichst viele Menschen sehen,
was für ein kostbarer Schatz uns geschenkt ist?

- Die liebevolle Atmosphäre in dieser Gemeinde,
- die fröhlichen Gottesdienste, die wir feiern,
- der Glaube, der an diesem Altar gestärkt und bewahrt wird:
All das fließt aus der Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus.
Er will, dass Menschen das sehen,
weil auch in ihnen die Flamme des Glaubens brennen soll.
Dieser Auftrag des Herrn
gilt uns allen
in der Art,
wie es für uns angemessen ist
und zu unseren Kräften passt.

Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt,
nicht verborgen sein.

Gottesdienst zieht Menschen an
und leuchtet ihnen den Weg,
selbst, wenn die Fenster mit Brettern verschlagen sind.
Das Licht, das uns Leuchtet,
und die Wärme,
die Christus in unsere Mitte bringt,
sind für alle Menschen da.
Sie werden nicht weniger,
wenn wir sie teilen.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!9 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Hank Williams, Jambalaya (on the Bayou), USA 1952.


3 Joh 8,12


4 „Der Leib Jesu Christi nimmt Raum ein auf Erden. Mit der Menschwerdung fordert Christus Raum unter den Menschen. Er kam in sein Eigentum“. Vgl. Bonhoeffer, DBW 4, S. 241ff.


5 Joh 3,16


6 Mt 9,5 u.ö.


7 Ordinarium des Altarsakraments, Agende I, S. 272 nach 1.Kor 11,23ff.


8 Vgl. Lk 17,10


9 Phil 4,7


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