15:09

Die sauren Trauben der Väter
Predigt zu Ez 18

88 3. So. n. Trinitatis, 3. Juli 2022, Frankfurt a.M.

Gott zieht unseren Ausreden den Stecker und er bekennt sich im selben Atemzug zu unserem Leben.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist aus dem Buch des Propheten Hesekiel im 18. Kapitel.
Ich werde den Abschnitt im Verlaufe der Predigt vorlesen.

Lasst uns beten:
Herr Gott, himmlischer Vater,
segne das Hören der Predigt an unseren Herzen,
damit das Wort des Propheten zu einem Wort an uns wird.
— Amen

Liebe Brüder und Schwestern,

(1) wie lautet das erste Gebot?
Das Gesangbuch enthält den Kleinen Katechismus
und fasst es ganz kurz:

Ich bin der Herr, dein Gott.
Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.
2

Das ist kurz und bündig
und trifft den Kern.
Doch im Buch Exodus,
dem 2. Buch Mose,
steht das Gebot
- in einem anderen Zusammenhang
- und für eine andere Zielgruppe.
Und es ist viel länger:
3

2Ich bin der Herr, dein Gott,
der dich aus Ägyptenland,
aus dem Sklavenhaus,
geführt hat.

3Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

4Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen,
weder von dem, was oben im Himmel,
noch von dem, was unten auf Erden,
noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist:
5Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!

Denn ich,
der
Herr, dein Gott,
bin ein eifernder Gott,
der die Missetat der Väter heimsucht
bis ins dritte und vierte Glied
an den Kindern derer, die mich hassen,
6aber Barmherzigkeit erweist an vielen tausenden,
die mich lieben
und meine Gebote halten.

Geschichte – Dieses Gebot steht nicht alleine,
sondern es ist Teil einer Geschichte.
Nach dem Auszug aus Ägypten
sind wir auf dem Weg ins Gelobte Land.
Gott geht diesen Weg mit seinem Volk.
Auf diesem gemeinsamen Weg,
in dieser Beziehung,
kommen die Gebote zu stehen.

Götzendienst – Das ist hier die Wurzel allen Übels.
Götzendienst ist da,
wo wir Gott nicht glauben,
dass er uns lieb hat
und es gut mit uns meint.

Ja, sollte Gott gesagt haben:
„Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten“?
4

Sollte das wirklich gut für uns sein?
Oder sollten wir nicht lieber
- Sonne und Erde anbeten
- und Markt und Mammon Opfer darbringen,
damit es uns gut geht?

Das Gegenteil von Götzendienst ist Glaube.

Familie – Wir stehen nicht allein vor Gott,
im Guten nicht und auch im Bösen.

Denn ich,
der
Herr, dein Gott,
bin ein eifernder Gott,
der die Missetat der Väter heimsucht
bis ins dritte und vierte Glied
an den Kindern derer, die mich hassen.

Vier Generationen:
Das sind die Familienbeziehung,
die man überblicken kann.
Hugo, Kurt, Hartmut, Diedrich – 
hinten heißen sie alle Vorberg.
Ein Hotelier, ein Metzger, ein Koch und ein Pfarrer.
Letzterer fällt scheinbar aus der Reihe,
aber auch nur so lange,
bis man ihm ein Bier und ein Messer in die Hand gibt.
Dann erkennt man sehr genau,
aus welchem Stall der stammt.

Adam ist Kains Vater.
Der, der das
eine Gebot Gottes übertreten hat,
gebiert den Brudermörder.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.

Ich möchte nie werden wie meine Eltern!

Viel Erfolg!
Wahrscheinlich ist doch eher,
dass wir unseren Eltern sehr ähnlich sind.

Wenn es gut läuft,
haben wir Glauben und Beten gelernt.

Wenn es schlecht läuft,
haben wir von unseren Eltern
ihre Sicht auf die Welt übernommen,
inklusive ihrer Blindheit,
ihrer Angst
und ihrem Götzendienst.

  • Kein Wunder,
    dass ich im Leben vom Pech verfolgt werde.
  • Kein Wunder,
    dass ich kein Bein an die Erde kriege.
  • Kein Wunder,
    dass Gott mich verstößt
    und seinen Segen von mir nimmt.
    Dann brauche ich es auch gar nicht erst probieren
    .

(2) So spricht Gott der Herr durch den Propheten Hesekiel
in seinem Buch im 18. Kapitel:

2Was habt ihr unter euch im Lande Israels für ein Sprichwort:

„Die Väter haben saure Trauben gegessen,
aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden“?

3So wahr ich lebe,

spricht Gott der Herr:

dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel.

4Denn siehe, alle Menschen gehören mir;
die Väter gehören mir so gut wie die Söhne —
jeder, der sündigt, soll sterben.

5Wenn nun einer gerecht ist
und Recht und Gerechtigkeit übt,

6der von den Höhenopfern nicht isst
und seine Augen nicht aufhebt zu den Götzen[, …]
5

7der niemand bedrückt,
der dem Schuldner sein Pfand zurückgibt
und niemand etwas mit Gewalt nimmt,

der mit dem Hungrigen sein Brot teilt
und den Nackten kleidet,

8der nicht auf Zinsen gibt
und keinen Aufschlag nimmt,

der seine Hand von Unrecht zurückhält
und rechtes Urteil fällt unter den Leuten,

9der nach meinen Gesetzen lebt
und meine Gebote hält,
dass er danach tut:

→ das ist ein Gerechter,
der soll das Leben behalten,

spricht Gott der Herr. […]

22Es soll an alle seine Übertretungen,
die er begangen hat,
nicht gedacht werden,
sondern er soll am Leben bleiben
um der Gerechtigkeit willen, die er getan hat.

23Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen,

spricht Gott der Herr,

und nicht vielmehr daran,
dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt.

[…] 30Darum will ich euch richten,
ihr vom Hause Israel,
einen jeden nach seinem Weg,

spricht Gott der Herr […]. —

Hier geschehen zwei Dinge:
- Gott zieht unseren Ausreden den Stecker
- und er bekennt sich im selben Atemzug zu unserem Leben.

Hesekiel sitzt mit seinen Landsleuten im Exil.
Sie fragen, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte.
Hatte Gott sie etwa verlassen?
Hat er sein Versprechen,
dass sein Tempel auf dem Zion ewig steht,
zurückgenommen?

Wenn Gott wegen unserer Eltern
die Beziehung zu Israel beendet hat,
dann können wir auch zu den Götter der Babylonier gehen!

Eine perfekte Ausreden,
den einfacheren Weg zu gehen!

Ich kenne einen jungen Mann,
dessen Eltern haben
– auf seinen Namen –
einen Pay TV Vertrag abgeschlossen.
Da war er 16.
Die haben das aber nie bezahlt.
An seinem 18. Geburtstag wurde er volljährig –
und begann sein Geschäftsleben mit über 1.000 € Schulden,
die er nie ausgegeben hatte.

Eine Perfekte Ausrede,
den einfacheren Weg zu gehen!

„Ich brauche mich nicht bemühen,
ich bleibe immer ein Versager!“

„Einer aus so einem Elternhaus wird nie anständig!“

„Meine Eltern haben saure Trauben gegessen,
aber mir sind die Zähne davon stumpf geworden!“

Darauf sagt Gott:

Ich will die Beziehung mit dir.
Ich will dein Leben und nicht deinen Tod.
Wenn Du Recht und Gerechtigkeit übst
und mir Glauben schenkst,
dann setze ich dein Konto zurück.

Ernsthaft!
Ich setze dein Konto auf 0,– €. 
Die Schulden deiner Eltern
und deine eigenen –
da denke ich nicht mal mehr dran!

Denn ich will, dass du lebst.

Barmherzigkeit gehört zum Wesen Gottes.
Das war im ersten Bibeltext schon zu hören:

Denn ich,
der
Herr, dein Gott,
bin ein eifernder Gott,
der die Missetat der Väter heimsucht
bis ins dritte und vierte Glied
an den Kindern derer, die mich hassen,
6aber Barmherzigkeit erweist an vielen tausenden,
die mich lieben
und meine Gebote halten.

6Barmherzigkeit erweist an vielen tausenden Generationen

Nicht drei oder vier: tausende!

Gesetz und Evangelium
- sind nicht symmetrisch
- und nicht gleichberechtigt.
Das Gesetz dient dem Evangelium.

Mit diesem Gedanken möchte ich einen letzten Schritt gehen
und mit euch zusammen
einen Blick werfen
auf das Kreuz.

(3) Liebe Gemeinde,
die Kirche hat die Geschichte von Adam und Kain
formalisiert zur sogenannten Erbsündenlehre.
Ein jeder Mensch werde in die Sünde hineingeboren
und erbt die Schuldenlast der Eltern.
Das ist mit einer der Gründe,
warum wir Babies taufen.

Mit dem Propheten Hesekiel könnte man denken:
Das macht wenig Sinn.
Wenn jeder Mensch für sich selber steht,
kann ein Baby noch keine Schuld auf sich geladen haben.
Dann brauchen wir auch nichts abwaschen.

Doch so einfach ist es nicht.
Wir werden hineingeboren in eine Familie,
wir werden geprägt durch ein Vaterland und seine Geschichte.

In meiner Generation
gibt es eine gewisse Tendenz
von „Nazideutschland“ zu reden,
als wäre das ein anderes Land.
Das ist auch eine Ausrede:

Die haben die sauren Trauben gegessen
und wir haben nichts damit zu tun.

Der ein oder andere, der das sagt,
mag einen Opa haben,
der im Widerstand war.
Rein statistisch ist die Wahrscheinlichkeit aber viel größer:
Dein Opa war in der Partei.

Ich habe mal als Obergefreiter eine Gruppe von Bundeswehrsoldaten geschockt,
weil ich gesagt habe:

Ich wäre ein guter Nazi gewesen.

Ich war sehr gerne bei der Bundeswehr:
- Das Zackige,
- das etwas Raue, draußen, in der Natur,
- die Männer-Kameradschaft – 
das hat mir gefallen.
Ich habe mich sehr wohl gefühlt. –
Wenn ich 1913 geboren worden wäre:
Ich wäre da dabei gewesen.
Nur ein Wunder hätte mich davor bewahrt, ein Nazi zu werden.

Ich glaube, dass ich in meinem Leben,
hier und jetzt,
immer wieder solcher Wunder bedarf.

Im Großen und im Kleinen:
Gott muss zu mir kommen,
er muss mir die Augen öffnen
und mich an die Hand nehmen und führen.
Das gilt für mein Ich
und für unser Wir.

Das ist tiefere Sinn dieses Gebetes:

Gott sei mir Sünder gnädig.
Der allmächtige Gott erbarme sich unser.
Er vergebe uns unsere Sünde
und führe uns zum ewigen Leben.
6

Da ist beides drin: „ich“ und „wir“.

Dieses Gebet steht am Anfang des Gottesdienstes,
wie die Taufe für viele am Anfang des Lebens steht.

Jesus Christus ist aus dem Himmel gekommen,
um an unserem Leben teilzunehmen.
Gott geht unseren Lebensweg mit uns,
wie er mit Israel aus Ägypten ausgezogen ist –
in das Gelobte Land,
„zum ewigen Leben“.

Durch die Taufe
hat Christus dein Leben unter ein neues Vorzeichen gesetzt:
Die tausendfache Barmherzigkeit Gottes.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!7 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 ELKG² S. 1657.


3 Ex 20,2ff


4 Gen 3,1


5 Hier ist ein Gebot zur Sexualethik/kultischen Reinheit entfernt, an dem man nur hängen bleibt, das der Erklärung bedarf und zum Ziel der Predigt nicht beiträgt.


6 ELKG² S. 21.


7 Phil 4,7