15:00

Jonas Lied
Predigt zu Jon 2

85 Ostern, 17. April 2022, Frankfurt a.M.

An seinem erzählerischen Höhepunkt wechselt das Jona-Buches in den Modus’ eines Gedichts. Jona singt ein Lied „und der ganze Fisch war voll Gesang“.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
steht geschrieben im Buch des Propheten Jona.

Ich werde uns das 2. Kapitel im Laufe der Predigt lesen.

Lasst uns beten: Herr, Gott, himmlischer Vater, sende uns deinen Heiligen Geist, damit das Lied des Propheten Jona eine Saite in uns anschlage und uns von Herzen berührt. — Amen

(1) Liebe Festgemeinde!

Der ganze Fisch war voll Gesang!

An seinem erzählerischen Höhepunkt
wechselt das Buch Jona in die Form des Gedichts.
In der Literaturwissenschaft nennen wir das
ein „retardierendes“ oder „verlangsamendes Element“.
Der Spannungsbogen wird aufgespannt:
Wir begleiten den unwilligen Propheten
auf seiner dramatischen Flucht.
- Wir werden mit seinem Schiff zum Spielball der Wellen,
- landen schutzlos mit ihm im tosenden Wasser
- und sitzen nun in der nassen Kälte des Fischbauches. —
Hier verlangsamt die Erzählung das Tempo.
Wir nehmen uns einen Augenblick,
dieses Gefühl zu meditieren.

Dies ist das 2. Kapitel des Buches Jona:

1Der Herr ließ einen großen Fisch kommen,
Jona zu verschlingen.
Und Jona war im Leibe des Fisches
drei Tage und drei Nächte.

2Und Jona betete zu dem Herrn, seinem Gott,
im Leibe des Fisches
3und sprach:

Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst,
und er antwortete mir.
Ich schrie aus dem Rachen des Todes,
und du hörtest meine Stimme.

4Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer,
dass die Fluten mich umgaben.
Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich,
5dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen,
ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen.

6Wasser umgaben mich und gingen mir ans Leben,
die Tiefe umringte mich,
Schilf bedeckte mein Haupt.

7Ich sank hinunter zu der Berge Wurzeln.
Der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich.

Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt,
Herr, mein Gott!
8Als meine Seele in mir verzagte,
gedachte ich an den
Herrn,
und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel.

9Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade.
10Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen.
Meine Gelübde will ich erfüllen dem
Herrn,
der mir geholfen hat.

11Und der Herr sprach zu dem Fisch,
und der spie Jona aus ans Land.

So weit das Buch Jona.

(2) Wenn ich dies höre,
tritt mir deutlich der Kontrast vor Augen.

  • Die kalte,
  • dunkle,
  • lebensfeindliche Tiefe des Chaos

und

  • das warme,
  • helle,
  • lebensspendende Vertrauen,
    das aus den Worten des Propheten spricht.

Das Gedicht steht nämlich unter der Überschrift

Ich rief zu dem Herrn
und er antwortete mir.
Ich schrie… 
und er hörte meine Stimme.

Auch in der tiefsten Tiefe,
da, wo die Berge ihre Wurzeln haben
und Schiffe über mein Haupt fahren –
auch da hört Gott mein Gebet.

Selbst am Tiefpunkt meines Lebens
bin ich nicht ohne Hoffnung.
Gott hält die Macht in Händen.
- Seuchen und Krieg,
- Krankheit und Unglück,
- Tod und Verwesung:
Keine dieser irdischen Kräfte ist stärker als Gott.
Das besingt der Prophet –
und der ganze Fisch war voll Gesang.

  • Was nutzt das den Menschen,
    deren Zuhause im Krieg zerstört wurde?
    Die Nachrichten sind voll von solchen Bildern.
  • Was nutzt das den Menschen,
    die ihre Lieben im Grab liegen sehen?
  • Viele haben am Tiefpunkt ihres Lebens Wunder gesehen.
    Und viele auch nicht.

Am Karfreitag haben wir gehört,
wie Jesus am Kreuz starb.
Da nahm er seine letzte Kraft zusammen
und sprach dieses Gebet:

Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!2

Hier ist Jesus ganz Mensch.
Er stellt sich neben uns in den Regen
und es geht ihm genau so,
wie es vielen von uns geht:
Das Wunder, auf das wir hoffen,
erleben wir nicht mehr vor dem Tod.
Und trotzdem
– trotzdem! –
wendet er sich in seinem letzten Atemzug an Gott.
Jesus weiß,
dass Gott stärker ist als der Tod.
Er wird ihn auch aus der tiefsten Tiefe holen.

Jona 2,3Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst,
und er antwortete mir.
Ich schrie aus dem Rachen des Todes,
und du hörtest meine Stimme …

7Ich sank hinunter zu der Berge Wurzeln.
Der Erde Riegel schlossen sich hinter mir – ewiglich.

Selbst aus dem Tod kann Gott mich retten.

Deswegen sind wir heute eine „Festgemeinde“,
das ist, was wir heute feiern:
- Was im Propheten Jona vorgezeichnet war,
- hat Gott an Christus wahr gemacht.
- Und das hat er nicht getan um seiner selbst willen.
Gott muss sich nicht beweisen,
dass er mächtig ist.
Das weiß er alleine.

Er hat das getan für dich.
Gott weiß nämlich,
wie es die geht.
Er sieht auf dein Leben
und er hört dein Gebet.

Ich schrie aus dem Rachen des Todes,
und du hörtest meine Stimme …

(3) Liebe Gemeinde,
auch, wenn wir fest auf Jesus schauen
und den Glauben an die Auferstehung wagen,
ist es nicht immer leicht,
hinzunehmen, was uns im Leben begegnet.

Es gab Zeiten,
da ist mir sehr schwer gefallen,
anzunehmen,
was mir zugeteilt wurde.
Bis dahin,
dass mich eine Freundin von mir angesprochen hat:

Du predigst uns immer
- Vergebung
- und Hoffnung auf Gottes Handeln.
Warum kannst du das für dich selbst nicht annehmen?

Ne – konnte ich nicht.
Dabei meine ich meine Predigten nicht unehrlich.
Ich habe das schon verstanden,
aber ich konnte es trotzdem nicht annehmen.

Ab und zu kam jemand auf mich zu und meinte:

Gott wird schon wissen,
warum er das so gefügt hat!

Das empfand ich als wenig hilfreich.
Im Gegenteil:
Das hat mich wütend gemacht.

Das Jona-Buch
kennen die meisten aus dem Kindergottesdienst.
Die Geschichte mit dem Fisch
ist anschaulich
und Kindern fällt es leichter,
über die technischen Fragen hinwegzusehen,
wie denn Jona im Bauch des Fisches geatmet
und gesungen haben soll.

Aber an seinem Ende verarbeitet das Buch
richtig erwachsene Erfahrungen,
Erfahrungen von Menschen,
denen was Schlimmes passiert ist.

Jona ist wütend auf Gott.

Äußerlich hat er den Willen Gottes erfüllt.
Jona wollte selber laufen,
aber Gott hat seine Kraft und seinen Willen neu ausgerichtet.
Kaum aus dem Fisch heraufgestiegen,
geht Jona nach Niniveh
und seine Predigt, „kurz und gut“,
führt die Menschen ihrerseits zur Umkehr.
Er hat seinen Auftrag erfüllt.

Aber innerlich rebelliert er.
Jona sieht nicht ein,
dass die Stadt leben soll.

„Du bist zu gut“ sagt er zu Gott,
„du bist gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte“.
3

Aber ihm, dem Israeliten,
wäre viel lieber gewesen,
dass Niniveh untergegangen wäre
und das ganze Assyrische Großreich gleich mit,
dieses Reich der Ausbeutung,
des Kultur-Imperialismus
und der heidnischen Götter.

Warum lässt Gott das zu?

So könnte man den Propheten weinen hören.
Und ausgerechnet ihn
schickt Gott zu den Feinden,
um sie zur Umkehr zu rufen —
und sie kehren auch noch um.

Jetzt muss man noch wissen,
dass die Umkehr etwas ist,
das Gott
schenkt.
Die kehren nicht um,
weil sie selbst klug sind,
sondern weil Gott sich ihrer erbarmt.

Aus

Warum lässt du das zu?

wird hier

Warum tust du das?
Was soll das?

Deswegen ist Jona wütend.

Gott antwortet ihm mit einem Geschenk.
Und er nimmt ihm den Rizinus wieder,
um Jona zu vermitteln,
wie schwer ist für Gott ist,
zu vernichten,
was er geschaffen hat.

Dich jammert die Staude,

sagt Gott zu ihm,

und mich sollte nicht jammern Ninive,
eine so große Stadt,
in der mehr als 120.000 Menschen sind,
die nicht wissen, was rechts oder links ist,
dazu auch viele Tiere?

Das Jona-Buch endet mit dieser Frage.
Diese Frage ist auch uns gestellt,
wenn wir wütend sind auf Gott,
wenn wir nicht annehmen,
was uns zugeteilt ist.

Weißt du, was es nützt – in den Augen Gottes?

Auf diese Frage gibt uns die Bibel keine Antwort.
An keine Stelle weiht Gott uns so in seine Pläne ein,
dass wir das Leid auf der Erde erklären könnten.
Das gilt auch für unser persönliches Leben.
Manchmal wissen wir im Nachhinein,
warum dieses oder jenes so kommen musste.
Aber das gilt lange nicht immer.

Das sollten wir uns immer wieder vor Augen halten,
gerade, wenn wir andere in ihrem Leid trösten wollen.
Wir wissen nicht, was Gott damit bezweckt.

Doch unsere Fragen verhallen nicht im Raum.

Jona 2,3Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst,
und er antwortete mir.
Ich schrie aus dem Rachen des Todes,
und du hörtest meine Stimme …

Gott erklärt uns nicht jede Entscheidung.
Er geht einen anderen Weg:

6Er, der in göttlicher Gestalt war,
hielt daran nicht daran fest, wie an geraubter Beute,
dass er Gott gleich ist,
7sondern entäußerte sich selbst
und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich
und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.

8Er erniedrigte sich selbst
und ward gehorsam bis zum Tod,
ja zum Tode am Kreuz.

Heute, am Ostertag, kommt dieser Weg ans Ziel.
Jesus, der sich nichts erspart hat,
geht uns den letzten Schritt voraus.

P: Der Herr ist auferstanden.
G: Er ist wahrhaftig auferstanden.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!4 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Lk 23,46.


3 Aus Jona 4,2.


4 Phil 4,7