20:15

Weg, Wahrheit und Leben
Predigt zu Joh 13,36–14,6

8 Neujahrstag, 1. Januar 2020, Farven und Stade

Es ging Petrus also darum, Jesus nachzufolgen als sein Gefolgsmann. Petrus möchte zu Jesus sagen: „Wenn du Sherlock Holms bist, möchte ich dein Watson sein. Wenn du Asterix bist, wäre ich gerne dein Obelix. Wärst du Batman, möchte ich Robin sein! Ich möchte dabei sein, wenn du gegen das Böse kämpfst, und ich möchte meinen Beitrag leisten!“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
steht geschrieben beim Evangelisten Johannes
im 13. und 14. Kapitel.

13,36Spricht Simon Petrus zu Jesus:

Herr, wo gehst du hin?

Jesus antwortete ihm:

Wo ich hingehe, kannst du mir diesmal nicht folgen;
aber du wirst mir später folgen.

37Petrus spricht zu ihm:

Herr, warum kann ich dir diesmal nicht folgen?
Ich will mein Leben für dich lassen.

38Jesus antwortete ihm:

Du willst dein Leben für mich lassen?
Wahrlich, wahrlich, ich sage dir:
Der Hahn wird nicht krähen,
bis du mich dreimal verleugnet hast.

[Jesus sagte weiter:]2

14,4Und wo ich hingehe, den Weg wißt ihr.

5Spricht zu ihm Thomas:

Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst;
wie können wir den Weg wissen?

6Jesus spricht zu ihm:

Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben;
niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege!3 — Amen

Liebe Brüder und Schwestern!

Der Abschnitt für die Predigt heute morgen
ist Teil eines Gespräches zwischen Jesus und seinen Jüngern.
Ich habe das Gespräch in drei Teile geteilt
und möchte sie der Reihe nach auslegen:

  • Die ersten beiden Teile beschäftigen sich mit Petrus’ Fragen an Jesus.
  • Der dritteTeil behandelt das Zwiegespräch
    zwischen Thomas und Jesus.
    Hier geht es dann vor allem darum, dass Jesus sagt:
    „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“.

Wer seine Bibel gut kennt,
könnte drei Verse vermissen.
Für das Schreiben und das Zuhören ist es einfacher,
wenn ich nicht
noch ein Thema bespreche.
Ich habe mir die Verse für eine neue Predigt aufbewahrt!

1.Petrus’ erste Frage

Petrus’ erste Frage ist:

Herr, wohin gehst du?

Jesus antwortet:

Wo ich hingehe,
kannst du mir diesmal nicht folgen;
aber du wirst mir später folgen.

Es ging Petrus also darum,
Jesus nachzufolgen als sein Gefolgsmann.
Petrus möchte zu Jesus sagen:

Wenn du Sherlock Holms bist,
möchte ich dein Watson sein.

Wenn du Asterix bist,
wäre ich gerne dein Obelix.

Wärst du Batman,
möchte ich Robin sein!

Ich möchte dabei sein,
wenn du gegen das Böse kämpfst
und ich möchte meinen Beitrag leisten!

Das ist, wie man als Mensch denkt!
Es ist erst mal richtig anständig von Petrus,
seine Hilfe und Mitarbeit anzubieten.
Doch es zeigt auch, dass er nicht richtig verstanden hat,
was Jesus die ganze Zeit predigt:

Er, Jesus, ist vom Vater gekommen,
für uns und um unseretwillen.

Statt dessen scheint Petrus zu denken,
Jesus sei
- ein Lehrer für Lebensweisheiten,
- ein Vorbild, wie man sich verhalten soll,
- ein Weiser, mit einer Bauanleitung für sein Leben.
Jesus ist viel mehr als das und etwas ganz anderes.
Es sprengt alle alten Kategorien.
Für Jesus gibt es kein Vorbild
und kein Nachfolger muss tun,
was Jesus getan hat.

Die andere Seite davon ist:
Kein Nachfolger
kann tun,
was Jesus getan hat.
Das macht uns hilflos:
Wir hätten gerne unsere Erlösung unter eigener Kontrolle.
Wie gerne würden wir ein bisschen nachhelfen und mitmachen,
genau wie Petrus.

Viele würden gerne ein bisschen nachhelfen und mitmachen:
Sie wollen ihre Kinder selbst zu Christen machen.

Ich stand nach den Weihnachtsgottesdiensten an der Tür
und manche Eltern und Großeltern
gaben die Ausreden ihrer Kinder und Enkel an mich weiter,
warum sie auch an Weihnachten nicht in der Kirche waren.

Ich verstehe, natürlich:
Es schmerzt sie, dass ihre Kinder nicht mitgekommen sind.
Früher waren noch andere Zeiten:
Kirche gehört zum Leben eines „anständigen“ Menschen dazu.
Man musste sonntags antreten,
oder zumindest an Weihnachten und Ostern,
so als Alibi.
Heute entscheiden junge Menschen selbst,
was sie anspricht und was sie wollen.
Und wenn sie Kirche langweilig und nichtssagend finden,
bleiben sie zu Hause.

Aber was hilft da?
- Zwang?
- Die nervige Mutter sein, oder der anstrengende Opa?
Ich denke, viele christliche Eltern machen es genau richtig:
Sie verlassen sich auf Jesus.
Ihre Hände sind gefaltet für den Glauben ihrer Kinder.
Und das ist gerade
kein Zeichen dafür,
dass sie die Hoffnung verloren haben,
sondern Zeichen dafür,
dass sie ihr Vertrauen an die richtige Stelle setzen.

Was noch lange nicht heißt, übrigens,
dass die Kirche einfach langweilig und nichtssagend sein soll!
Es ist nicht
egal, was wir tun und lassen.
Die Frage ist, aber:
Woher erwarten wir
unsere Hilfe:
- Von Druck und Zwang?
- Von Gottesdienst-Show und blendender Rhetorik?
Nein! Wir erwarten unsere Hilfe vom Herrn Jesus!
Doch Gottes Pläne sind nicht unsere Pläne.

2. Petrus zweite Frage

Petrus sieht das noch nicht. Er sagt Jesus vollmundig:

Herr, warum kann ich dir diesmal nicht folgen?
Ich will mein Leben für dich lassen.

38Jesus antwortete ihm:

Du willst dein Leben für mich lassen?
Wahrlich, wahrlich, ich sage dir:
Der Hahn wird nicht krähen,
bis du mich dreimal verleugnet hast.

Petrus wäre so gerne ein Held!
Er möchte für Jesus in den Tod gehen,
als wäre Jesus ein Revolutionsführer
und sein Kampf fordere Opfer.

Doch Jesus fordert keine Opfer.
Jesus ist das Opfer –
und zwar in einem ganz anderen Sinne.
Jesus ist nicht das Opfer, das jemand fordert:
- Gott
- oder das Gesetz
- oder irgendeine andere Macht oder Gewalt.
4
Jesus ist das Opfer,
das Gott und Mensch versöhnt.

Wie das Lamm,
mit dessen Blut die Israeliten ihre Türen markieren,
5
bringt dieses Opfer Leben – und nicht Tod.
In Christus werden wir erlöst, nicht gebunden.

Christus stirbt für uns:6

  • Er stirbt den Tod der Sünde,
    so dass wir ihn nicht sterben müssen, sondern leben.
  • Er stirbt den Tod der Erlösung,
    so dass wir
    mit ihm sterben
    und mit ihm ins Leben auferstehen.

Ich muss an einen Mann denken,
der hatte einen Herzinfarkt.
Er ist Mitte-fünfzig und es traf ihn unvorbereitet.
Er sagt mir:

Ich setzte jetzt andere Prioritäten:
- Meine Arbeit ist mir fast egal.
- Ich verbringe Zeit mit meinen Kindern.
- Ich kläre jeden Streit mit meiner Frau,
bevor wir abends ins Bett gehen.

Ich bin bei diesem Infarkt gestorben
und wieder auferstanden.
Ich war gefesselt an meine Kariere, Auto, Haus.
Jetzt bin ich frei für die Menschen um mich herum.

Gebe Gott, dass ich keinen Herzinfarkt brauche,
um die richtigen Prioritäten zu setzen!
Gebe Gott, dass ich statt dessen
mit Christus in den Tod gehe
und mit ihm wieder auferstehe
als der Mensch, den Gott in mir geschaffen hat.
7

Nicht wir sollen die Helden sein
- der Arbeit,
- des Verdienens
- oder der Religion.
Jesus stirbt für uns
und das ist alles, worauf es ankommt.

3. Thomas’ Frage

Liebe Gemeinde,
ich komme zum letzten Abschnitt:
Dem Zwiegespräch zwischen Jesus und Thomas:

[Jesus sagte weiter:]

4Und wo ich hingehe, den Weg wißt ihr.

5Spricht zu ihm Thomas:

Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst;
wie können wir den Weg wissen?

6Jesus spricht zu ihm:

Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben;
niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Jesus Provoziert eine Frage.
Er fragt seine Jünger nicht ab,
wie ein Lehrer das schon mal machen muss:

  • Hast du auch wirklich verstanden,
    was ich euch beigebracht habe?
  • Kannst du das reproduzieren?
  • Anwenden?

Statt dessen fordert er seine Jünger heraus:

Wohin ich gehe, den Weg wisst ihr…

Jesus will nicht vorgefertigte Antworten von ihnen haben,
sondern er will sie zu einer persönlichen Auseinandersetzung anregen.

Früher sah Konfirmandenunterricht anders aus als heute:
Man musste damals viel auswendig lernen.
Das haben wir heute auf ein Minimum reduziert.
Warum?
Weil Bücher und Internet viel eher zur Verfügung stehen,
als noch vor 100 Jahren oder auch vor 50 Jahren.
Jeder kann sofort nachschauen,
wie es denn genau dasteht.
Niemand muss mehr auswendig lernen,
damit ihm die Texte zur Verfügung stehen.

Auswendig lernen alleine hilft überhaupt nicht.
Ich hatte ein Gespräch mit einer älteren Dame,
die in den 60er Jahren in der Landeskirche konfirmiert wurde.
Sie war ganz überrascht darüber,
dass die SELK vertritt,
dass im Abendmahl Jesu Leib und Blut real gegenwärtig seien.
Das sei doch nicht evangelisch, meinte sie,
sondern katholisch.

Ich antworte ihr,
dass Martin Luther im kleinen Katechismus geschrieben hätte,
auf die Frage:

Was ist das Sakrament des Altars?

…und da kam von ihr, wie aus der Pistole geschossen:

Das Sakrament des Altars
ist der wahre Leib und Blut unsers Herrn Jesus Christus,
unter dem Brot und Wein
uns Christen zu essen und zu trinken
von Christus selbst eingesetzt.

„Ja… genau das!“

„Aber… aber, ne, evangelisch ist symbolisch!“

Sie wusste den Text des Katechismus auswendig,
aber sie dachte, Abendmahl sei „symbolisch“.

Etwas auswendig zu lernen heißt noch lange nicht,
dass man es verstanden hat.
Etwas zu verstehen heißt noch lange nicht,
dass man es begriffen hat.

Zu wissen, wer Jesus ist,
und wie er in deinem Leben spricht und handelt:
Das sind Dinge,
die man nicht als fertige Glaubenssätze verpacken kann.
Hier sind die
Fragen wichtiger,
als die Antworten.
Deswegen provoziert Jesus eine Frage von seinen Jüngern –
und gibt ihnen eine Antwort,
die noch mehr Fragen aufwirft:

Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

3a) Weg

Jesus ist der Weg – 
und der Weg ist das Ziel.
Wir wachsen im Glauben
und in unserer Selbst- und Gotteserkenntnis.
Dadurch ist Jesus immer bei uns.
Unsere Erkenntnis wird vollkommen sein,
wenn Jesus zurückkehrt.
Jesus ist das Ziel.

Wer bei Jesus angekommen ist, ist mit ihm auf dem Weg.
Wer mit Jesus auf dem Weg ist, ist bei ihm angekommen.

3b) Wahrheit

Jesus ist die Wahrheit –
und wir bekennen uns zu dieser Wahrheit

Hier im Gottesdienst sprechen wir das Glaubensbekenntnis.
Es wäre aber ein Missverständnis,
wenn man meinen würde:

So, jetzt haben wir den Glauben zusammengezogen
auf diese zwölf Sätze.
Damit sind wir jetzt fertig.

Das Gegenteil ist der Fall.
Die zwölf Abschnitt des Glaubensbekenntnis’
sind ihrerseits wieder zwölf Herausforderungen:

Ich glaube an Gott,
den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden.

Was bedeutet das?
Konkret?
Für dich?

Ich glaube an Jesus Christus,
geboren von der Jungfrau Maria…

Was bedeutet das?
Für dich, hier und jetzt?

Das sind Fragen,
die man sich sein ganzes Christenleben lang stellt:

  • Wenn du fünf bist,
    weißt du schon, was Liebe ist.
    Du hast deine Mama und deinen Papa lieb.
  • Dann in der Pubertät lernst du noch mal neu, was Liebe ist.
    Schmerzhaft vielleicht sogar…
  • Wenn du heiratest wird dein Verständnis von Liebe noch mal tiefer.
  • Und wenn du zum ersten mal dein Kind im Arm hältst,
    musst du alles neu schreiben,
    was du je über Liebe zu wissen meintest.

So ist es mit dem Glauben auch.
Ich möchte euch Mut machen,
euch immer wieder mit den Inhalten des Glaubens
auseinanderzusetzen und sie für euch
und mit anderen neu zu durchdenken.
Und das sage ich nicht,
weil ich meine,
als Christ müsste man besonders intellektuell sein oder so.
Das sage ich, weil Jesus gesagt hat

Ich bin die Wahrheit.

Die Wahrheit ist lebendig.
Sie bewegt sich und sie handelt.
Christus handelt an uns.
Wenn wir mit seinem Wort umgehen,
wird er selbst zu uns sprechen
und wir werden seinen Willen und seine Liebe für uns
besser und tiefer verstehen.

3c) Leben

Der Weg, die Wahrheit und das Leben:
Das Leben im Glauben beginnt mit der Taufe.
Mit deiner Taufe beginnt die Ewigkeit für dich,
schon hier in der Welt.
Wir sind zwar noch auf dem Weg zu Jesus,
aber Jesus ist der Weg und er ist bei uns.
Das Abendmahl ist unser Proviant.

In beidem ist es Christus, der zu uns kommt
und uns teilgibt an seinem Leben.

4) Conclusio

Liebe Brüder und Schwestern,
Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.

  • Er ist seinen Weg gegangen für uns
    er ist unseren Tod gestorben,
    damit uns dieser Weg erspart bleibt.
  • Wir sind mit ihm im Glauben verbunden.
    Der wahre Glaube ist ein lebendiger Glaube,
    der sich bewegt und handelt.
  • Christus ist unser Leben,
    hier in der Welt,
    aber auch über die Welt hinaus.
    In ihm hat die Ewigkeit angefangen,
    auch für dich ganz persönlich.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!8 Amen.

1 1.Kor 1,3


214,1Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! 2In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? 3Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. — Diese schönen Verse auszulassen, ist eigentlich schwer zu rechtfertigen. Ich habe aber das Bild von den Wohnungen, die wir bei Gott haben, in Farven zum Altjahresabend stark gemacht: „Wir haben ein Kinderzimmer bei Gott“. Ich möchte das hier nicht wiederholen. Diese Predigt ist in ihrem Gedankengang geprägt durch Rudolf Bultmanns Johannes-Kommentar, S. 459ff (Nachruch d. 10. Auflage von 1941). Bultmann betont eschatologische Aspekte und zieht einen starken Gegensatz auf zw. Eschatologie und Welt. Das ist hier ein Grundgedanke, wobei ich mich auf präsentische Eschatologie beschränke. U.a. daher auch die Auslassung des futurischen Abschnitts Joh 4,1–3.


3 Ps 119,105


4 „Nichts, nichts hat dich getrieben, zu mir vom Himmel her…“


5 Vgl. Ex 12,13 und Joh 19,14: Jesus wird verurteilt und stirbt, während die Passah-Lämmer im Tempel geschlachtet werden.


6 Inklusive und exklusive Stellvertretung: Es ist nicht so, dass das nicht dogmatisch reflektiert sei, was ich hier mache.


7 Ich bin mit Christus gestorben und wiederauferstanden. Dies hat mich transformiert. „Mir ist Vergebung widerfahren. Dies zähl’ ich zu dem wunderbaren“.


8 Phil 4,7