16:06

Der König kommt. Nicht irgendeiner: der!
Predigt zu Jer 23,5–8

71 1. Advent, 28. November 2021, Frankfurt

Die Bestellung ist eine Verheißung, die Lieferung die Erfüllung. Der kleine Junge in mir wird immer ganz wuschig, wenn ich irgendwas im Internet bestellt habe.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
geschah durch den Propheten Jeremia.
Es ist aufgeschrieben im Buch des Propheten
im 23. Kapitel.

Der Prophet schreibt:

5Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr,
dass ich dem David einen gerechten Sproß erwecken will.
Der soll ein König sein, der wohl regieren
und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird.

6Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden
und Israel sicher wohnen.

Und dies wird sein Name sein,
mit dem man ihn nennen wird:
„Der
Herr unsere Gerechtigkeit“.

7Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der Herr,
dass man nicht mehr sagen wird:

So wahr der Herr lebt,
der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!

8Sondern:

So wahr der Herr lebt,
der die Nachkommen des Hauses Israel herausgeführt
und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens
und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.

Und sie sollen in ihrem Lande wohnen.

Lasst uns beten:
Herr, Gott, Heiliger Geist:
Komm in unsere Mitte,
segne Gottes Wort an unseren Herzen,
damit das Wort des Propheten
zu einem Wort an uns wird. — Amen

Liebe Brüder und Schwestern,

in mir gibt es einen achtjährigen Jungen.
Äußerlich bin ich natürlich 44,
bin verantwortlich,
erwachsen
und reif
(manchmal).
Aber es gibt auch noch diesen achtjährigen Jungen.
Der wird insbesondere dann aktiv,
wenn ich etwas bestellt im Internet habe.

Ist das Paket schon da? — Nein.

Ist es jetzt da? — Nein

Guck doch noch mal im Internet:
Ist es auf dem Weg?

Ok, ich gucke im Internet.

„Ihr Sendung wurde auf das Zustellfahrzeug geladen“.
Hey es kommt heute! – Ja, es kommt heute!
Wann denn??

Ich weiß nicht,
ob ihr diese Situation kennt.
Es muss da eine Zielgruppe für geben,
sonst würden die Paketdienste nicht so einen Aufwand machen,
dass man auf der Karte sehen kann,
wo das Paket gerade ist.

Es ist so:
Die Bestellung über das Internet ist die Verheißung
und die Lieferung ist die Erfüllung.

Wir Menschen hoffen gerne auf etwas,
denn diese Hoffnung stachelt unser inneres Kind an.
Wir hoffen auf dieses kleine Stückchen Glück,
wenn das Paket dann da ist
und wir unseren ersehnten Gegenstand in der Hand haben.

Es gibt ein ganzes Genre von Youtube-Videos dafür:
Unboxing-Videos.

Da filmt jemand,
wie er ein Paket aufmacht:
- Erst den Versandkarton,
- dann den Schutzkarton,
- dann die Schmuck-Verpackung,
- dann die Halterungen in der Verpackung.

Dann können wir zusehen,
wie er das Produkt in Händen hält.
Wir haben das Produkt nicht.
Wir erfahren nichts über das Produkt.
Wir erleben nur das Auspacken mit.

Diese Videos feiern den Moment,
in dem ein Versprechen in Erfüllung geht.
Die Bestellung ist die Verheißung
und die Lieferung ist die Erfüllung.

Der achtjährige Junge in mir,
der sehnt sich nach diesem Gefühl.

Er meint:
Wenn ich das Ding habe,
dann wir mein Leben
- irgendwie besser,
- irgendwie schöner,
- irgendwie vollständiger.

Firmen spielen mit dieser Hoffnung,
um ihren Kram zu verkaufen.
Politiker spielen mit dieser Hoffnung,
damit wir sie wählen.

  • „Wenn ihr Grüne wählt,
    haben wir eine ökologische Zukunft“.
  • „Wenn ihr SPD wählt,
    haben wir eine sozial-gerechtere Zukunft“.
  • „Wenn Ihr AfD wählt,
    wird alles wieder so wie früher –
    welches früher könnt ihr euch aussuchen“.
  • „CDU braucht ihr dieses Mal nicht wählen.
    Wir haben keine Merkel mehr
    und was anderes fällt uns gerade nicht ein“.

Der Prophet Jeremia
schaut auch auf die Politik in seinem Land.
Er lebt natürlich nicht in einer Demokratie,
aber die Eliten in seiner Zeit
waren auch mit einer Verheißung verknüpft.

Diese Verheißung war eine göttliche Verheißung:

  • Der König hat sich auf David berufen,
    weil Gott dem David zugesagt hat,
    dass immer einer seiner Nachkommen
    auf dem Thron sitzen soll.
  • Die Priester haben sich auf Aaron berufen,
    weil ihm uns seinen Nachkommen
    der dienst am Tempel befohlen war.
  • Die Schriftgelehrten und Propheten
    haben sich auf Mose berufen,
    weil er der Held war,
    der das Volk aus Ägyptenland geführt hat.
    2

Und trotzdem ist über das Land die politische
und militärische Katastrophe gekommen.
Viele von den führenden Menschen im Land wurden verschleppt, ins Exil, nach Babylon.
Andere sind geflohen
und haben in den Nachbarländern Schutz gesucht.
Oder sie sahen dort eine bessere Chance auf ein bisschen Glück.

Im Namen Gottes sagt Jeremia ihnen die Wacht an:

1„Weh euch Hirten,
die ihr die Herde meiner Weide umkommen lasst
und zerstreut!“ spricht der
Herr. 2[…]
„Siehe, ich will euch heimsuchen
um eures bösen Tuns willen[…]

7Und ich will Hirten über [das Volk] setzen,
die sie weiden sollen,
dass sie sich nicht mehr fürchten
noch erschrecken
noch heimgesucht werden,“ spricht der
Herr.

Gott sagt:

Ihr Politiker habt versagt.
Ich werde euch zur Strafe gegen andere austauschen.
Die werden ihre Aufgabe so viel besser machen.

Der achtjährige Junge in mir springt sofort an.
Er will gerne hoffen und sagt sich:

Wenn wir andere Politiker haben,
dann wir mein Leben bestimmt
- irgendwie besser,
- irgendwie schöner,
- irgendwie vollständiger.

Der erwachsene Diedrich
hat zum Glück ein bisschen mehr Lebenserfahrung.
Er weiß: Es wird auf jeden Fall irgendwie gemischt.

Nichts auf der Welt ist perfekt.
- Kein Produkt,
- nichts, das man aus einer Kiste auspacken kann,
- kein Politiker,
- und kein Mensch
macht unser Leben von jetzt auf gleich
- vollständig
- oder heil.

Statt dessen ist das Leben eine Ansammlung von
- Projekten, die nicht perfekt sind,
- von Häusern, die der Renovierung bedürfen,
- und Kompromissen, die man eingehen musste.

Als die Corona-Pandemie losging,
hätte ich mich am liebsten ins Bett gelegt und gesagt:

Wenn das alles vorbei ist, weckt mich wieder auf!

Dann wurden die ersten Impfstoffe vorgestellt
und ich habe gedacht:

Whow, das ging aber schnell.
Normalerweise dauert das Jahre,
bis man so etwas entwickelt hat.

Nach einer gefühlten Ewigkeit waren dann viele geimpft
und alle dachten sich:

Endlich ein bisschen Freiheit!

Die ganze Gesellschaft sehnt sich nach Normalität.
Die Trinitatisgemeinde auch!
Der Kirchenvorstand hat dann beschlossen:

  • Wir haben die Anmeldung abgeschafft zum Gottesdienst.
  • Wir empfangen Abendmahl wieder am Altar.
  • Zum Singen müssen wir Maske tragen –
    aber: Wir singen!

Als Begründung kam gerne:

„Wir sind doch eh fast alle geimpft!“

Jetzt gucken wir die Nachrichten und sehen,
dass die Zahlen wieder hochgehen.

Die Impfstoffe wirken –für Impfstoffe– sehr gut,
aber sie wirken nicht 100%.
Man kann sich trotzdem anstecken.
In der Gesellschaft sind viele geimpft.
Aber lange nicht 100% –
aus welchen Gründen auch immer.

Unsere Erfahrung ist:
In der Welt ist nichts perfekt.
Alles könnte
- irgendwie besser,
- irgendwie schöner,
- irgendwie vollständiger
sein.

Liebe Brüder und Schwestern,
in solch ein Lebensgefühl,
in solch eine Situation für sein Land und für ihn selbst,
spricht der Prophet Jeremia dieses Wort Gottes:

5Siehe, es kommt die Zeit, […]
dass ich dem David einen gerechten Sproß erwecken will.
Der soll ein König sein, der wohl regieren
und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. […]

Jeremia redet vom perfekten König.
Der Prophet sieht in als einen neuen Moses:
So, wie Mose die Israeliten aus Ägypten geführt hat,
so wird dieser König
seine Freunde, Bekannten und Verwandten
nach Hause holen.

Sie werden im gelobten Land alle beieinander sein.
Es wird großartig werden!
So stellt sich Jeremia den Himmel auf Erden vor.

Liebe Gemeinde,
in diesem Bild vom perfekten König,
vom neuen Moses,
leuchtet in den Worten des Propheten eine Verheißung auf,
die sich in Jesus Christus erfüllt hat.

Tochter Zion, freue dich:
Siehe, dein König kommt zu dir,
ja er kommt, der Friedefürst.

Sei gegrüßet, König mild.
Ewig steht dein Friedensthron.
3

Dieser König ist ganz anders, als alle anderen Könige.
- Er ist gar kein Politiker.
- Er will uns nichts verkaufen.

Dieser König ist milde und ohne Gewalt,
doch in und unter seiner Demut
hat er alle Macht im Himmel und auf Erden.
4

Als sie ihn ans Kreuz geschlagen haben,
litt er still.
„Wie ein Lamm,
das zur Schlachtbank geführt wird;
und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer,
tat er seinen Mund nicht auf“.
5
Doch in und unter seinem Schweigen
ist ein Schrei über alle Ungerechtigkeit
und über allen Schmerz.
Wenn du leidest, weint Christus mit dir.
Wenn du Unrecht erfährst, ist dieser König bei dir.

Jesus sagt:

28Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
29Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir;
denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig;
so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
30Denn mein Joch ist sanft,
und meine Last ist leicht.
6

So führt uns dieser König
aus der Sklaverei (der Sünde)
in die Freiheit.

Meinem achtjährigen Ich kann ich sagen:

Ist doch egal,
wann das Paket kommt.
Dein Leben wird nicht so viel
besser, schöner oder vollständiger,
dass sich der Stress lohnt.

Ich hoffe,
dass der kleine Junge in mir statt dessen auf Jesus schaut
und sich geborgen weiß in der Liebe seines Gottes.
Auf ihn mag er seine Hoffnung richten.

Für mein erwachsenes Ich hoffe ich,
dass ihn diese Hoffnung durchträgt,
auch wenn das Leben gerade mal frustrierend ist.
Es ist doch immer irgendwas:
Gerade ist es Corona,
aber es könnte auch Umweltverschmutzung sein
oder der Weltfrieden:
- Es gibt keine perfekte Lösung.
- Es sind immer Kompromisse.

Das Himmelreich steht noch aus,
aber im Glauben und in der Hoffnung ist es mitten unter uns.
Es ist ein Geschenk, das du hast,
aber das du gleichzeitig immer aufs neue geschenkt kriegst.

Das sage ich dem achtjährigen Jungen in mir:

„Das Himmelreicht ist nahe herbeigekommen“.
Der perfekte König wird in dein Leben einziehen.
Das ist ein Geschenk!

Und weißt du, wann du dieses Geschenk kriegst?
Weihnachten!

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!7 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Vgl. V. 23,7f.


3 Nach ELKG 409.


4 Vgl. Mt 28,17.


5 Jes 53,7.


6 Mt 11,28–39.


7 Phil 4,7