17:40

Durchzug durch das Meer
Predigt zu Ex 14

54 Ostern, 4. April 2021, Bremen

Diese Szene aus der Bibel ist richtig berühmt: Der Durchzug durch das Rote Meer. Hier haben sich Himmel und Erde berührt.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist aus dem 14. Kapitel des Buches Exodus.
Das ist die berühmte Erzählung,
wie das Volk Israel beim Auszug aus Ägypten
trockenen Fußes durch das Meer gezogen ist.

Die vorgeschlagenen Auszüge werden
im Verlaufe der Predigt gelesen.

Lasst uns beten:
Herr Jesus Christus,
deine Auferstehung ist das Siegel auf dem Neuen Bund.
Lass uns dein Licht leuchten
wenn wir jetzt Abschnitt aus dem Alten Testament bedenken.
— Amen

Liebe Brüder und Schwestern,

(Intro) diese Szene aus der Bibel ist richtig berühmt.
Sie fehlt in keiner Kinderbibel
und wird auch für den Kindergottesdienst gerne verwendet:
Der Durchzug durch das Rote Meer.
Was für Kinder funktioniert,
funktioniert für Erwachsene,
sobald es auf der Kino-Leinwand erscheint.

Wenn man in der Geschichte des Films
nach den
special effects fragt,
kommt ganz oft als erstes Beispiel
„Die zehn Gebote“ von 1923.
Für diese Szene hat man damals gefilmt,
wie von zwei Seiten Wasser in ein Bassin läuft.
Den Film hat man rückwärts laufen lassen
und das gab dann diesen Effekt,
dass das Wasser von der Mitte aus
an den Wänden hochläuft
und das Trockene sichtbar wird.

Ich habe mit viel Vorfreude in meine Bibel geschaut,
um diese Predigt vorzubereiten.

(a) Beim Lesen ist mir eine Sache aufgefallen,
auf die ich euch aufmerksam machen möchte:
So, wie die Bibel die Geschichte erzählt,
gibt es nur zwei Größen,
die aus eigenem Antrieb handeln –
Gott und das Volk.

Der ägyptische Pharaoh und seine Soldaten sind Drohkulisse.
Selbst Moses ist nur Staffage.

Bremerhaven: Ich lese uns den den Abschnitt
und mache das das gleich noch mal deutlicher.

Bremen: Ich habe Ingrid gebeten,
uns den Abschnitt zu lesen.

Ich versuche danach uns das noch mal deutlicher zu machen:
Die einzigen,
die aus eigenem Antrieb handeln,
sind Gott und das Volk.

* * *

So steht im Buch Exodus
im 14. Kapitel:

8Und der Herr verstockte das Herz des Pharao,
des Königs von Ägypten,
dass er den Israeliten nachjagte.
Aber die Israeliten
waren unter der Macht einer starken Hand ausgezogen.
9Und die Ägypter jagten ihnen nach mit Rossen,
Wagen und ihren Männern
und mit dem ganzen Heer des Pharao
und holten sie ein, als sie sich gelagert hatten am Meer […].

10Und als der Pharao nahe herankam,
hoben die Israeliten ihre Augen auf,
und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her.
Und sie fürchteten sich sehr und schrien zu dem
Herrn
11und sprachen zu Mose:

Waren nicht Gräber in Ägypten,
dass du uns wegführen mußtest,
damit wir in der Wüste sterben?
Warum hast du uns das angetan,
dass du uns aus Ägypten geführt hast?
12Haben wir’s dir nicht schon in Ägypten gesagt:
Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen?
Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen,
als in der Wüste zu sterben.

13Da sprach Mose zum Volk:

Fürchtet euch nicht, steht fest
und seht zu,
was für ein Heil der
Herr heute an euch tun wird.
Denn wie ihr die Ägypter heute seht,
werdet ihr sie niemals wiedersehen.
14Der Herr wird für euch streiten,
und ihr werdet stille sein.

15Und der Herr sprach zu Mose:

Was schreist du zu mir?
Sage den Israeliten, dass sie weiterziehen.
16Du aber hebe deinen Stab auf
und recke deine Hand über das Meer
und teile es mitten durch,
so dass die Israeliten auf dem Trockenen mitten durch das Meer gehen.

19Da erhob sich der Engel Gottes,
der vor dem Heer Israels herzog,
und stellte sich hinter sie.
Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich
und trat hinter sie
20und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels. Und dort war die Wolke finster,
und hier erleuchtete sie die Nacht,
und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher.

21Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte,
ließ es der
Herr zurückweichen durch einen starken Ostwind[…] und machte das Meer trocken,
und die Wasser teilten sich.
22Und die Israeliten gingen hinein
mitten ins Meer auf dem Trockenen,
und das Wasser war ihnen eine Mauer
zur Rechten und zur Linken.
23Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach,
alle Rosse des Pharao,
seine Wagen und Männer, mitten ins Meer.

28Und das Wasser kam wieder
und bedeckte Wagen und Männer,
das ganze Heer des Pharao,
das ihnen nachgefolgt war ins Meer,
so dass nicht einer von ihnen übrigblieb.
29Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer,
und das Wasser war ihnen eine Mauer
zur Rechten und zur Linken.

30So errettete der Herr an jenem Tage
Israel aus der Ägypter Hand.
Und sie sahen die Ägypter tot am Ufer des Meeres liegen.

So weit aus dem Buch Exodus.

* * *

Gott hat alles in der Hand.
Er verhärtet das Herz des Pharaos und seiner Leute.
Er sagt Moses, was er tun soll –
und Moses tut auch nur das.
Gott sagt ihm:

Strecke deine Hand aus
und teile das Meer.

Als ob ein Mensch das Meer teilen könnte!
So steht es dann auch da:

Moses streckte seine Hand aus
und
Gott teilte das Meer.
Er ließ zurückweichen die Fluten.

Gott hat alles unter Kontrolle.
Es gibt nur eine Sache, die er nicht macht.
Er
zwingt das Volk nicht, ihn zu lieben.
Sein Anliegen
ist die Beziehung zwischen ihm und den Menschen.
Aber er greift nicht einfach in unser Herz ein,
sondern Gott bemüht sich um uns.

Wir erzählen den Durchzug durch das Rote Meer
als großes Kino.
Worum es hier eigentlich geht, ist unscheinbar und privat,
denn das geschieht zwischen Gott und dir
und das ist ein Wunder!

(b) Gerade aber eine solch große Wundergeschichte
kann einem das Glauben schwer machen.
Der gesunde Menschenverstand sagt vollkommen zurecht:

Das stimmt doch gar nicht!
Solche Sachen passieren nicht!
Wasser hält sich an Naturgesetzt.
Das sind nur
special effects.

Unter Christen gibt es zwei Extreme,
wie sie damit umgehen.
Die einen reagieren mit einem gewissen Trotz
und sagen:

Dooooch!
Das stimmt immer alles, was in der Bibel steht!

Die anderen fangen an zu lamentieren:

Die Geschichten sind eigentlich erfunden,
man muss das irgendwie symbolisch verstehen.

Beide Extreme halte ich für falsch.

Natürlich ist es eine Geschichte zum Erzählen.
Deshalb ist sie dick aufgetragen.
Ich glaube aber,
diese Geschichte bewahrt eine echte Erinnerung.
Sie ist nicht einfach nur erfunden.
Dafür gibt es ein sehr überzeugendes Argument:
den Namen Moses.

Der Name Moses enthält den Namen eines ägyptischen Gottes.
Er gehört zu einer anderen Religion.
Niemand, der einen antiken israelischen Helden erfindet,
nennt den „Moses“.
Das wäre, als wenn jemand eine christliche Figur erfindet,
und nennt sie

Mohammed.

Nichts gegen die Mohammeds dieser Welt,
aber wenn jemand einen christlichen Helden
erfindet,
nennt er ihn nicht Mohammed.
Er nennt er ihn:

- Johannes
- oder Martin
- oder Christian, wenn es ganz deutlich sein soll.

Daran kann man sehen, dass Moses nicht erfunden ist.
Den gab es wirklich.
Da liegt es nahe zu denken,
dass diese Geschichte echte eine echte Erinnerung bewahrt:

Ein Mann namens Mose
hat eine Gruppe von Menschen in die Freiheit geführt.
Diese Befreiung haben sie als ein Wunder erlebt.
Hier haben sich Himmel und Erde berührt.
Gott hat in den Lauf der Welt eingegriffen
und diese Menschen begleitet, bewahrt und geführt.

Dies ist eine Erfahrung,
die ich mit ihnen teile.
Und ich weiß,
dass auch viele von euch Erlebnisse hatten,
wo sie Gottes
- Begleitung,
- Bewahrung
- und Führung erfahren haben.

Manche sind recht spektakulär,
aber keines
– zumindest in meinem Horizont –
hat so richtig Naturgesetze gebrochen.
Die Meisten Wunder sind eher unscheinbar und verwechselbar.

(c) Das heißt aber noch lange nicht,
dass es keine richtigen Wunder sind.
Wenn Gott seine Hand aus dem Himmel ausstreckt,
wird das seine Wirkung nicht verfehlen.

Immer wieder rührt Gott Menschen an.
Er verändert ihr Leben.
Gott führt Menschen aus der dunkelsten Tiefe zurück ans Licht.

So, wie das Volk Israel unter Gottes Schutz
in die Tiefe des Meeres hinabgestiegen ist,
so erleben Menschen heute noch Bewahrung.
Gott geht ein Stück ihres Lebens mit ihnen
und es ist, als folgten sie dem Licht seiner Feuersäule
unter dem Schutz der Rauchsäule.
Am anderen Ufer angekommen
sind sie wie neu geboren.

(c') Liebe Gemeinde,
diesen Gedanken verbindet die kirchliche Tradition mit der Taufe.
Die Taufagende unserer Kirche sieht folgendes Gebet vor:

Allmächtiger, ewiger Gott, wir loben und preisen dich.
[…]
Durch das Wasser des Roten Meeres hast du dein Volk aus der Knechtschaft in die Freiheit geführt.
Im Wasser des Jordans hat sich dein Sohn taufen lassen
und sich uns Sündern gleichgestellt.
Durch Wasser und Wort der Taufe reinigst du uns von unserer Schuld und schenkst uns neues Leben.
Wir bitten dich, sieh dieses Kind gnädig an:
lass durch das Wasser der Taufe alles untergehen,
was es von dir trennt.
Lass es aus diesem Wasser auferstehen als neuen Menschen […]
2

(b') In deiner Taufe ist das Wunder von Ostern gegenwärtig.
Jesus’ Auferstehung ist ein richtiges Wunder,
geheimnisvoll und mächtig.
Dieses Wunder erreicht uns als Geschichte,
die wir erzählen.

Diese Geschichte ist nicht einfach erfunden.
Wenn man die Geschichte erfunden hätte,
hätte man ganz bestimmt nicht
Frauen
zu den ersten Zeugen gemacht.
In der antiken Welt
galt das Wort von Frauen nichts,
schon gar nicht vor Gericht.

Was die Bibel erzählt,
ist nicht einfach erfunden oder symbolisch.
Da ist etwas geschehen.

Christus ist auferstanden,
er ist wahrhaftig auferstanden.

Die ersten, die es erfahren haben,
müssen Frauen gewesen sein.
Die hat es wirklich gegeben.
Wirkliche Menschen aus Fleisch und Blut,
die zu den Jüngern geschickt worden sind,
um ihnen die frohe Botschaft zu verkündigen:

Gott hat Jesus von den Toten auferweckt!
Himmel und Erde haben sich berührt.
Wirklich!

(a') Die Auferstehung ist also geschichtlich,
aber Gott will nicht einfach in der Vergangenheit bleiben,
sondern sein Anliegen ist die Beziehung zu uns Menschen
hier und jetzt.

Es geht ihm um dich.
In Jesus Christus kommt Gott zu
dir
und stellt Beziehung zu dir her.
Und er pflegt und erhält diese Beziehung.

Er kommt mit seiner schöpferischen Kraft zu dir,
um dein Leben neu zu machen.
Dafür trägt er dich auch durch deine dunkelste Stunde
und begleitet dich auf dem Meeresboden deiner tiefsten Not
bis zum anderen Ufer.
Er wird dich durchtragen zum gelobten Land –
bis in Ewigkeit.
So wird Jesus’ Auferstehung zu deiner Auferstehung.

(Outro) Liebe Brüder und Schwestern,
Gottes Eingreifen in die Welt ist nicht zufällig,
sondern es liegt auf einer durchgezogenen Linie.

  • Sie reicht vom Durchzug durch das Schilfmeer
  • über Jesu Tod auf Golgatha
    und dem Wunder seiner Auferstehung
  • bis zu deiner Taufe und darüber hinaus.

Hier haben sich Himmel und Erde berührt
und diese Berührung erreicht uns als Geschichte.
Wir erzählen diese Geschichte
und Gott hört uns dabei zu, wie er uns beim Beten zuhört.
Manchmal spricht Gott sein schöpferisches Wort
in unsere Geschichte hinein.
Er sagt:

„Dies ist mein Leib.
Für dich gegeben“.

Deshalb glauben wir,
dass gleich am Altar ein Wunder geschieht.
Christus kommt leiblich zu uns –
nicht nur irgendwie symbolisch,
sondern greifbar und wirklich.

So ist jedes Abendmahl ein kleines Osterfest.

Der Herr ist auferstanden,
er ist wahrhaftig auferstanden.

Halleluja!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!3 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Ev.-Luth. Kirchenagende Band III/2 „Die Heilige Taufe“, Göttingen 2010, S. 22f.


3 Phil 4,7