14:08

Das Weinwunder zu Kana
Predigt zu Joh 2,1–11

46 2. So. n. Epiphanias, 17. Januar 2021, Bethlehemsgemeinde, Bremen

Die Geschichte von der Hochzeit zu Kana hat die Ausleger aller Zeiten vor ein Rätsel gestellt. Da geht es um Wein… und eine Party und wie Jesus dem Gastgeber aus der Patsche hilft. Das soll das erste, wichtigste, beeindruckendste Wunder sein, das der Sohn Gottes auf Erden vollbringt?

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Mir fällt heute morgen zu,
das Evangelium des Sonntages auszulegen:
Die Erzählung von der Hochzeut zu Kana,
als Jesus Wasser in Wein verwandelt hat.
Wir haben die Lesung gerade gehört

Bibeltext

Lasst uns beten:
Herr Gott, himmlischer Vater,
schicke uns deinen Heiligen Geist.
Öffne unsere Augen und unsere Herzen für dein Wort.
Segne du alles Reden und Hören.
— Amen

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
wir betreten feuertrunken,
himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder
was die Mode streng geteilt.
Alle Menschen werden Brüder,
wo dein sanfter Flügel weilt.

Friedrich Schiller,
liebe Brüder und Schwestern,
habe ich herangezogen,
um die Predigt heute Morgen zu eröffnen.
Ich glaube, dass dieses Gedicht uns später helfen wird,
die Geschichte von der Hochzeit zu Kana
besser zu verstehen.
Vorher möchte ich uns drei Kontraste vor Augen führen.
Meine Idee ist,
die Geschichte wie eine Plastik im Museum
auf einen Sockel zu stellen,
so dass man drumherum gehen kann.
Ich möchte mit euch
von drei verschiedenen Seiten draufschauen
und dann einen „Strich drunter ziehen“
um am Schluss zu einer Pointe zu kommen.

(1) Der erste Kontrast ist zwischen der Geschichte
und unserem Jesus-Bild.
Dieses Bild von Jesus,
der auf einer Hochzeit ausgelassen mitfeiert,
sind wir nicht gewö hnt.

Warum eigentlich?

In unserer Kunst
und auch in unseren Texten,
wird Jesus ganz oft als der Leidende dargestellt.
Wenn das Leiden fehlt,
dann fehlt eine wichtige Seite an Jesus.

Selbst unsere Jesus-Staue hier in Bremen,
die ja den auferstandenen Jesus darstellt,
stellt ihn mit Wundmahlen dar.
Ich finde, das ist eine ganz starke Botschaft:
Sein Leben und Leiden
sind nicht spurlos an ihm vorbei gegangen.
Genau so wenig, wie an uns.
Gott hat sich in Jesus uns Menschen in allem gleich gemacht.
Auch in dem:
Das Leben hat ihn gezeichnet.

Wenn wir unser Leben vor Gott bringen,
dann sind da immer auch unsere Narben und die Verletzungen
an Leib und Seele,
die Gott an uns sieht.
Er erkennt das,
denn er kennt das von sich selbst.
Immer, wenn er auf seine Hände schaut,
sieht er Narben und Verletzungen wie deine.

In Geschichte von dem Weinwunder in Kana
kommt davon gar nichts vor.
Jesus ist einfach auf einer Hochzeit
und hilft aus,
als der Wein ausgeht.

In dir ist Freude,
in allem Leide,
o du süßer jesu Christ!
Durch dich wir haben
himmlische Gaben,
du der wahre Heiland bist!

In dem Lied kommt beides vor: Freude und Leid.
Johannes zeigt uns ein Jesus-Bild,
das nur für Freude steht.
Das ist ein Kontrast zu dem, was wir gewohnt sind.

(2) Der zweite Kontrast,
der mir auffällt,
ist zwischen der Hochzeit zu Kana
und wie wir Gottesdienst erleben.

Wir begegnen Gott in Wort uns Sakrament.
Das eine ist sehr intellektuell
und das andere sehr stark vergeistigt.

In und unter Brot und Wein
ist Christus mit seinem Leib und Blut real gegenwärtig
zur Vergebung unserer Sünden
und auf dass unser Glaube gestärkt werde
zum ewigen Leben. —
All das ist wahr,
aber eine Hostie ist nicht gerade ein großes Brot
und vom Wein gibt es nur

„einen winzigen Schlock“
für die Wissenschaft.

Und in Kana?

Sechs steinerne Wasserkrüge…
und in jeden gingen zwei oder drei Maße.
2

Da reden wir –größenordnungsmäßig– von 600l Wein;
das snd drei bis vier große Regentonnen voll.

Wir haben gute Gründe,
warum wir Abendmahl so feiern, wie wir es feiern.
Nicht nur, unsere „Corona“-Variante des Abendmahls jetzt,
sondern auch überhaupt:
Konsekrierte Brotkrümel überall im Altarbereich
wären einfach unangemessen.
Die Wirkung einer größeren Menge Wein würde uns sicher ablenken von dem, was uns das Abendmahl
bedeutet.
Wie wir Abendmahl feiern ist sinnvoll,
aber wir feiern unsere Begegnung mit Jesus Christus
nicht mit einer solchen
Fülle an Wein und Lebensmitteln
wie wir es in dieser Geschichte hören.

(3) Bei dem dritten Kontrast, der mir auffällt,
geht es Ethik und Lebensführung.
Von Christen erwartet man –landläufig– eine fromme Zurückhaltung.
Das gilt für Christen in Freikirchen vielleicht ein bisschen mehr,
denn uns hängt leicht das Klischee an,
bessere Christen sein zu wollen, als die anderen.

Einer meiner Freunde wird nicht müde
mich daran zu erinnern:

Das Bein, das sich zum Tanze regt,
wird in der Hölle abgesägt.

Das ist genau dieses Klischee:
Fromme Christen sind Spaßbremsen.

Das passt nicht zu einem ausgelassenen Jesus,
der eine Hochzeitsfeier
mit einer übergroßen Menge Wein versorgt.

Ein schwäbischer Pastor meinte:

Tcha, das sei Jesus’ erstes Wunder.
Da hat er noch geübt.
Die „richtigen“ Wunder kommen erst noch.

Dieser Pastor kann also wenig anfangen mit dieser Geschichte
von der Hochzeit zu Kana.
Sie reibt sich an unserm Bild von Jesus,
daran, wie wir Gottesdienst erleben
und an unserem Bild von uns selbst.

(4) Liebe Gemeinde,
in unserem Gesangbuch ist jedem Evangelium ein Stück aus dem Alten Testament zugeordnet.
Für heute steht da diese Geschichte,
dass Moses Gottes Gesicht sehen möchte.
Gott sagt dazu aber „nein“.

Mein Angesicht kannst du nicht sehen;
denn kein Mensch wird leben,
der mich sieht.
3

Gott erlaubt Moses aber das Nächstbeste:

Siehe, es ist ein Raum bei mir,
da sollst du auf dem Fels stehen.
Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht,
will ich dich in die Felskluft stellen
und meine Hand über dir halten,
bis ich vorübergegangen bin.
4

Das Thema dieses Abschnitts ist,
dass Gott sich uns zeigt.
Eine Art, wie Gott sich uns zeigt.
Eine Art, wie er uns in eine Felsspalte stellt,
uns schützt mit seiner Hand
und uns seinen Rücken sehen lässt,
ist die
Freude.

Manche werden ahnen:
Jetzt sind wir wieder bei Herrn Schiller angekommen:

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
wir betreten feuertrunken,
himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder
was die Mode streng geteilt.
Alle Menschen werden Brüder,
wo dein sanfter Flügel weilt.

Freude ist eine göttliche Kraft,
die über uns Menschen kommt.
So wie der Wein alle Gefühle verstärkt,
kann die Freude unser Gefühl verstärken,
dass wir leben,
dass wir lieben
und wir Gemeinschaft haben.
Das macht etwas mit uns:
„Alle Menschen werden Brüder“.

Bei Schiller klingen auch Seiten an der Freude an,
die problematisch sein können:

Alle Guten, alle Bösen
folgen ihrer Rosenspur…
Wollust ward dem Wurm gegeben,
und der Cherub steht vor Gott.

Also vom Wurm bis zum Engel im höchsten Chor
ist die Freude für alle Geschöpfe gleich.
Das heißt: Es fehlt die Unterscheidung.

Natürlich ist nicht jede Freude ein göttliches Geschenk an uns.
Die Schadenfreude, zum Beispiel,
oder die diebische Freude –
die können wir kaum auf Gott zurückführen.

Nicht jeder Rausch ist göttliche Ekstase,
weder der alkoholische Rausch
und auch nicht der religiöse.

Nicht jede Begeisterung kommt vom Heiligen Geist,
weder die im Fußballstadion
noch die im Konzertsaal.

Dagegen:
Beim Sündenbekenntnis weiß man immer, woran man ist.
Wenn aber
jeder Gottesdienst
nur noch Sündenbekenntnis
und Leidenstrauer ist,
dann ist das Ziel verfehlt.
Das Evangelium ist ja gerade
frohe Botschaft
und das Gesetzt
dient dem Evangelium.
Das Bekenntnis der Sünde
führt uns zur Gnade.

Ich möchte euch Mut machen,
die Freude im Glauben und die Freude im Gottesdienst
bewusst wahrzunehmen und zu genießen.
Ohne Sorge um den Ernst
oder die Tiefe unseres Glaubens.

Wir feiern Gottesdienst – mit Freude –
und
betrauern ihn nicht.

Die nächste Fastenzeit kommt bestimmt
und Karfreitag.
Das Johannesevangelium geht den gleichen Weg.
Es begleitet Jesus auf seinem Weg ans Kreuz.

Wenn wir diesen Weg nachvollziehen,
kann es sein, dass uns die Gedanken schwer werden.
Die Gedanken an Jesu Leid
spiegeln vielleicht unsere Erinnerung
an
unser Leid, Sünde und Schuld.
Wenn das passiert können wir zurückdenken an die Freude.

In der Hochzeit von Kana
spiegelt sich die Freude von Ostern.
Die Freude von Ostern ist unvermischt und ganz deutlich
Gottes Freude
an uns
und für uns.

Deswegen lasst mich schließen mit den Worten des Apostel Paulus an die Philliper:

Freuet euch in dem Herrn allewege,
und abermals sage ich: Freuet euch!
5

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!6 Amen.

Predigtabschnitt Joh 2,1ff:

1Am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa,
und die Mutter Jesu war da.
2Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. 3Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm:

Sie haben keinen Wein mehr.

4Jesus spricht zu ihr:

Was geht’s dich an, Frau, was ich tue?
Meine Stunde ist noch nicht gekommen.

5Seine Mutter spricht zu den Dienern:

Was er euch sagt, das tut.

6Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. 7Jesus spricht zu ihnen:

Füllt die Wasserkrüge mit Wasser!

Und sie füllten sie bis obenan. 8Und er spricht zu ihnen:

Schöpft nun und bringt’s dem Speisemeister!

Und sie brachten’s ihm. 9Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wußte, woher er kam – die Diener aber wußten’s, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam 10und spricht zu ihm:

Jedermann gibt zuerst den guten Wein und,
wenn sie betrunken werden, den geringeren;
du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten.

11Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

1 1.Kor 1,3

Illustration auf dem Titel: Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. Charaktere aus Schiller’s Werken, gezeichnet von Friedrich Pecht und Arthur von Ramberg. Funfzig Blätter in Stahlstich mit erläuterndem Text von Friedrich Pecht. F. A. Brockhaus, Leipzig, 1859

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schiller-Galerie_komplett_Bild_01.jpg


2 Joh 2,6


3 Ex 33,20


4 Ebd, V21f.


5 Phil 4,4


6 Phil 4,7