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Bileam und sein Esel
Predigt zu Num 22–24

45 1. So. n. Epiph; Auszüge aus Epiphanias, 6. Januar 2021, Bremen und Bremerhaven

Diese Geschichte kennen bestimmt viele aus dem Kinderunterricht. Für Erwachsene ist sie eigentlich nicht vorgesehen, weder als Lesung noch als Predigtabschnitt. Vielleicht finden die Experten, dass Erwachsene zu sehr an Märchen erinnert werden, wenn der Esel anfängt zu reden. Dabei werden hier „erwachsene“ Themen verhandelt: Zorn und Ungerechtigkeit, Gewalt und dass Gott uns manchmal „widerstehen“ muss. Manchmal stellt er sich uns besser in den Weg. Bileam hat eine Epiphanie. Er kehrt um auf den Weg, den Gott für ihn vorgesehen hat. Wo finde ich so einen Ort? Wo begegnet mir Gott?

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Diese Predigt legt die Geschichte aus
von Bileam und seinem Esel,
die sich findet 22 und 23 im 4. Buch Mose.
Es wird auch das Buch Numeri genannt.
Ich werde Teile der Geschichte im Laufe der Predigt vorlesen
die Zusammenhänge aber zusammenfassen und nacherzählen.

Lasst uns beten:
Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte
und ein Licht auf meinem Wege!
2
— Amen

Liebe Brüder und Schwestern,

(1) Epiphanias ist das Fest des Außergewöhnlichen
und des Überraschenden.

„Epiphanie“, das ist ein Wort für eine Erscheinung Gottes.
Solche Erscheinungen können sehr unterschiedlich aussehen
und sind immer etwas sehr Außergewöhnliches.
Gott ist für uns Menschen unsichtbar.
Er bleibt uns entzogen.
Wenn ein Mensch etwas von Gott erkennt,
liegt das nicht daran,
dass wir Gott aus eigener Kraft wahrnehmen können,
sondern es ist immer Gott derjenige,
der zu uns spricht.
Nicht
wir beobachten Gott,
sondern Gott kommuniziert sich uns.
3

Es gibt eine Grenze zwischen Gott und seiner Schöpfung
und er ist derjenige, der sie überschreitet.
Dadurch kommen auch die Grenzen ins Wanken,
die wir uns selbst setzen.
Was wir gewöhnt sind,
was wir erwarten:
Diese Dinge kommen ins Wanken, wenn Gott zu uns spricht.

Von diesen Gedanken aus möchte ich die Geschichte
von Bileam und
seiner Epiphanie anschauen:
Sie ist außergewöhnlich und überraschend.

(2) Ein Wort zur Vorgeschichte:
Wir befinden uns in dem Teil des Alten Testaments,
wo Israel aus Ägypten ausgezogen ist
und auf dem Weg in das gelobte Land ist.
Gegen Ende dieser 40 Jahre
ist man gut organisiert
und erringt die ersten Siege bei dem,
was als „Landnahme“
in die biblische Geschichte eingegangen ist.

Diejenigen, die im gelobten Land bisher das Sagen haben,
sehen das mit Sorge.
So auch Balak, der König der Moabiter.

Balak möchte sich die Unterstützung Gottes sichern;
bzw. die Unterstützung der Götter.
Wie sich
das genau verhält,
das ist ihm ziemlich egal.
Er merkt einfach nur,
dass ihm da ein Gegner gegenübertritt,
der mit göttlicher Kraft ausgestattet ist.
Er möchte dem entgegentreten
und wendet sich an Bileam.

Bileam ist ein Mann, dem, wie die Bibel es sagt

die Augen geöffnet sind

und

der Hörer göttlicher Rede [ist],
der des Allmächtigen Offenbarung sieht,
dem die Augen geöffnet werden,
wenn er niederkniet.
4

Balak lässt den Bileam holen,
denn er möchte, dass er Israel verflucht.

So komm nun und verfluche mir das Volk,
denn es ist mir zu mächtig;
vielleicht kann ich’s dann schlagen
und aus dem Lande vertreiben;
denn ich weiß:
wen du segnest, der ist gesegnet,
und wen du verfluchst, der ist verflucht.
5

Bileam stellt aber klar:

Wenn mir Balak sein Haus voll Silber und Gold gäbe,
so könnte ich doch nicht übertreten das Wort des
Herrn, meines Gottes,
weder im Kleinen noch im Großen.
6

Er weiß nämlich schon:
Gott hat dieses Volk gesegnet.
Dem Wunsch des Königs,
dem kann er unmöglich Folge leisten.

Er macht sich dann doch auf den Weg zu Balak.
So ganz kann er sich der Macht und dem Anspruch des Königs nicht entziehen.

Damit kommen wir zu dem Teil,
den ich uns vollständig aus der Bibel vorlesen möchte.
Dies ist ein Abschnitt aus dem 22. Kapitel des Buches Numeri:

21Da stand Bileam am Morgen auf
und sattelte seine Eselin
und zog mit den Fürsten der Moabiter.
22Aber der Zorn Gottes entbrannte darüber,
dass er hinzog.
Und der Engel des
Herrn trat in den Weg,
um ihm zu widerstehen.
Er aber ritt auf seiner Eselin,
und zwei Knechte waren mit ihm.
23Und die Eselin sah den Engel des Herrn auf dem Wege stehen mit einem bloßen Schwert in seiner Hand.
Und die Eselin wich vom Weg ab und ging auf dem Felde; Bileam aber schlug sie,
um sie wieder auf den Weg zu bringen.

24Da trat der Engel des Herrn
auf den Pfad zwischen den Weinbergen,
wo auf beiden Seiten Mauern waren.
25Und als die Eselin den Engel des Herrn sah,
drängte sie sich an die Mauer
und klemmte Bileam den Fuß ein an der Mauer,
und er schlug sie noch mehr.

26Da ging der Engel des Herrn weiter
und trat an eine enge Stelle,
wo kein Platz mehr war auszuweichen,
weder zur Rechten noch zur Linken.
27Und als die Eselin den Engel des HERRN sah,
fiel sie in die Knie unter Bileam.
Da entbrannte der Zorn Bileams,
und er schlug die Eselin mit dem Stecken.

28Da tat der Herr der Eselin den Mund auf,
und sie sprach zu Bileam:

Was hab ich dir getan,
dass du mich nun dreimal geschlagen hast?

29Bileam sprach zur Eselin:

Weil du Mutwillen mit mir treibst!
Ach dass ich jetzt ein Schwert in der Hand hätte,
ich wollte dich töten!

30Die Eselin sprach zu Bileam:

Bin ich nicht deine Eselin,
auf der du geritten bist von jeher bis auf diesen Tag?
War es je meine Art, es so mit dir zu treiben?

Er sprach:

Nein.

31Da öffnete der Herr dem Bileam die Augen,
dass er den Engel des
Herrn auf dem Wege stehen sah
mit einem bloßen Schwert in seiner Hand,
und er neigte sich und fiel nieder auf sein Angesicht.

32Und der Engel des Herrn sprach zu ihm:

Warum hast du deine Eselin nun dreimal geschlagen?
Siehe, ich habe mich aufgemacht,
um dir zu widerstehen;
denn dein Weg ist verkehrt in meinen Augen.
33Und die Eselin hat mich gesehen
und ist mir dreimal ausgewichen.
Sonst, wenn sie mir nicht ausgewichen wäre,
so hätte ich dich jetzt getötet,
aber die Eselin am Leben gelassen.

34Da sprach Bileam zu dem Engel des Herrn:

Ich habe gesündigt;
ich hab’s ja nicht gewußt,
dass du mir entgegenstandest auf dem Wege.
Und nun, wenn dir’s nicht gefällt,
will ich wieder umkehren.

35Der Engel des Herrn sprach zu ihm:

Zieh hin mit den Männern,
aber nichts anderes,
als was ich zu dir sagen werde,
sollst du reden.

So zog Bileam mit den Fürsten Balaks.

Die Geschichte geht dann so weiter,
dass Balak großen „religiösen“ Aufwand betreibt,
viele Tiere opfert,
und in mehreren Anläufen Bileam veranlasst,
Israel zu verfluchen.
Jedes mal hebt der aber die Arme
tut den Mund auf
und
segnet Israel.
Dies alles nicht gerade zur Begeisterung
des Moabitischen Königs und seiner Fürsten.

(3) Manchmal ist es gut,
wenn Gott sich uns in den Weg stellt.
Wir Menschen sind blind für Gott,
aber zum Glück redet Gott mit uns
und zeigt uns den Weg.
Bileam war so versteift auf seinen Weg,
auf das,
was er entschieden hatte,
dass er Gott selbst nicht erkannt hat.

Er war sehr unfair zu der Eselin.
Er hat Schuld über sich gebracht.
Sie ist natürlich nur ein Tier,
aber dieser Zorn, den er hatte,
ist falsch
und das Leid des Geschöpfes ist nicht einfach egal. —
Wenn wir in unserer Blindheit gefangen sind,
dann sind Zorn und Ungerechtigkeit oft Zeichen dafür.

Das Rüstgebet,
das unsere Agende vorsieht für den Anfang des Gottesdienstes,
redet davon, dass wir gesündigt haben
- mit Gedanken,
- Worten
- und Werken.

  1. Seine Gedanken binden Bileam an den Weg,
    den
    er sich gedacht hat.
  1. Welche Worte wird er wohl für die Eselin gefunden haben?
    Das können wir uns leicht denken, glaube ich.
    Ab und zu habe ich solche Worte für meinen Computer
    oder mein Auto parat.
  1. Sein Werke sprechen für sich selbst:
    Gewalt und Ungerechtigkeit.

Doch als er merkt,
wem er gegenübersteht,
fällt er auf sein Gesicht.

„Ich habe gesündigt“

sagt er,

„will ich umkehren“.

Das ist, wie ein Mensch auf eine Epiphanie reagiert.

Gott sei mir Sünder gnädig.
Der allmächtige Gott erbarme sich unser.
Er vergebe uns unsere Sünde
und führe uns zum ewigen Leben.

Wir beginnen unseren Gottesdienst so,

  • weil wir daran glauben,
    dass uns Gott hier begegnet.
  • Und wir hoffen darauf,
    dass Gott uns die Augen öffnet,
    was in unserem Leben konkret gegen seinen Willen läuft,
    so, wie er sie dem Bileam geöffnet hat.

Ich sage ganz bewusst „wir“.
Das erscheint etwas um die Ecke gedacht,
weil ich in der Inszenierung unseres Gottesdienstes
in der Regel die Rolle einnehme,
die eigentlich der Engel hat:

  • Ich stehe euch gegenüber
    und gucke euch an.
  • Ich lese das Wort Gottes vor
    und versuche es auszulegen und zu erklären.

Christus spricht zu seinen Jüngern:

Wer euch hört, der hört mich. 7

Wenn ich meine Arme zur Seite mache,
verleiht mir der Talar auch so was wie Engels-Flügel.
Ich denke aber,
wir sind uns schnell einig,
dass die Ähnlichkeiten zwischen mir und einem Engel
danach aufhören.
Zum Glück kommt es aber nicht auf mich an!
Unser Herr Jesus Christus spricht:

Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind,
da bin ich mitten unter ihnen.
8

Das ist mein Glaube und meine Hoffnung für den Gottesdienst:
Dass Christus hier ist und uns erscheint.
Es mag sein, dass es notwendig ist,
dass mir ein Engel mit dem blanken Schwert gegenübertritt.
Wenn das sein muss, dann ist das so.
Es ist besser, als dass ich in die Irre laufe.

Vor allem aber hoffe ich auf die Epiphanie des Herrn Jesus.
Ich hoffe, dass mich das Außergewöhnliche überrascht
und dass seine Gnade mich überwindet:

Dir sind deine Sünden vergeben.

Gott hat sich deiner erbarmt.

Hier, schau, hier in der Krippe liegt der lebende Beweis.

Unter Brot und Wein kommt er leiblich zu dir.
Dies stärke und bewahre dich im Glauben
zum ewigen Leben.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!9 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Ps 119,105


3 Gott ist Subjekt, Prädikat und Objekt des Satzes deus dixit.


4 Aus Num 24,3f.


5 Num 22,6


6 Num 22,18


7 Lk 10,16


8 Mt 18,20


9 Phil 4,7