18:29

Lobgesang des Zacharias
Predigt zu Lk 1,67–79

42 3. Advent, 13. Dezember 2020, HB, BHV und KKK

Johannes’ Geburt war ein dramatischer Moment, denn sein Vater Zacharias sprudelt über vor Freude und fängt an zu weissagen. Diese Weissagung ist uns als ein Gedicht überliefert, das Mönche bis heute als Teil ihrer Morgenandacht (Mette) beten. Es findet sich auch in unserem Gesangbuch auf der Seite 267f.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist in die Kirchengeschichte eingegangen als
„Der Lobgesang des Zacharias“.

Wir haben ihn als Eingangspsalm schon gesprochen
und ich werde den Abschnitt im Laufe der Predigt wiederholen.

Zuerst möchte ich uns aber die Geschichte vor Augen führen,
in der dieses Gedicht zu stehen kommt,
die Geschichte von Elisabeth und Zacharias
und ihrem Wunschkind Johannes.

Lasst uns beten: Herr Gott, himmlischer Vater,
sende zu uns deinen Heiligen Geist
und segne du alles Reden und Hören. — Amen

Liebe Brüder und Schwestern,

über ihren Wunsch,
zusammen ein Baby zu haben,
sind Elisabeth und Zacharias alte Leute geworden.
Doch sie sind nicht an ihrem Wunsch nie verzweifelt,
sondern sind stets bei Gott geblieben;
mit Bitten und Flehen –
und bestimmt auch mit ihrer Enttäuschung und ihrer Trauer.

Das schreibt uns der Evangelist Lukas sicherlich,
weil wir uns das zum Vorbild nehmen sollen.
Es gibt vielleicht auch in deinem Leben etwas,
das du dir sehr wünschst.
Oder es gibt etwas, wo du meinst,
das hätte anders oder besser laufen können.
Mit nichts von dem musst du dich vor Gott verstecken.
Bitte, Lob, Dank und Klage – das
alles will Gott von dir.
Gott
will deine Klage.
Sie ist ihm lieber, als dass du dich abwendest.

Lukas schreibt uns das aber auch,
um uns zu zeigen,
was das für eine Familie ist,
in die Johannes hineingeboren wird:
Eine Familie, die Gott zugewandt ist.

Zacharias war ein Priester.
Als er eines Tages dienst tat im Tempel,
erschien ihm ein Engel und versprach ihm,
dass er doch noch einen Sohn haben sollte.
Hier kann man sehr schön sehen,
dass Pastoren auch nur Menschen sind.
So, wie Sarah gelacht hat,
als die Engel Abraham einen Sohn versprachen,
so hat Zacharias erst mal gefragt:

Ernsthaft jetzt?
„Woran erkenne ich das?
Denn ich bin alt und meine Frau ist betagt“.
2

Auch darin ist uns der alte Priester Zacharias ein Vorbild:
An sich selbst zu zweifeln, ist gesund.
Wie viele haben sich schon verrannt,
weil sie sich ein Versprechen
oder einen Auftrag von Gott
eingebildet haben.
Der Engel reagiert nicht wirklich verschnupft oder böse.
Zacharias bittet ihn um ein Zeichen
und der Engel gewährt ein Zeichen:

Siehe, du wirst stumm werden
und nicht reden können
bis zu dem Tag, an dem dies geschehen wird,
weil du meinen Worten nicht geglaubt hast.
3

Dann tritt der Priester vor das Volk
und alle sehen ihm an,
dass er eine Erscheinung gehabt hat.
Er kann nicht reden und winkt nur ab.

An dieser Stelle bemerkt die Bibel:

Nach diesen Tagen wurde seine Frau Elisabet schwanger
und sie sprach:

„So hat der Herr an mir getan
in den Tagen, als er mich angesehen hat,
um meine Schmach unter den Menschen
von mir zu nehmen“.
4

Der Herr hat mich angesehen.
Hier klingt eine Formulierung an,
die im Alten Testament typisch ist:

„Der Herr hat mich heimgesucht“.5

Eine Heimsuchung,
das ist in unserem Sprachgebrauch was Schlechtes,
vor allem, wenn einen der Gerichtsvollzieher heimsucht.
Wenn Gott einen heimsucht ist das auch nicht ohne:
Das erste, was ein Engel normalerweise sagt ist:

„Fürchte dich nicht“.6

Das ist auch notwendig.
Wer würde sich nicht fürchten,
wenn er dem allmächtigen Gott gegenübersteht?
Doch Gott ist trotz all seiner Allmacht der Gott des Lebens
und er blickt auf uns mit Gnade und Liebe.
Das schenkt uns das Leben.

Letze Woche
habe ich über ein Gebet des Propheten Jesaja gepredigt.
Es beginnt mit den Worten:

So schau nun vom Himmel
und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung!
7

Ich hatte das ausgelegt mit einem Bild,
in dem wir sind wie Kinder,
die sagen:

„Papa, Papa, guck mal, ich habe mir weh getan!“

Elisabet ist natürlich kein Kind mehr,
aber wie ein Kind freut sie sich,
dass Gott sie angeschaut hat.
Er hat ihren Wunsch gesehen und anerkannt,
doch noch ein Baby zu bekommen.

Elisabet redet, als sei das Gebet, das Jesaja für das Volk betet,
für sie in Erfüllung gegangen:
Gott hat herabgeschaut auf sie vom Himmel,
von seiner heiligen, herrlichen Wohnung.

Johannes Geburt war ein dramatischer Moment,
denn die Zunge seines Vaters wurde wieder gelöst.
Das erste, was er sagt, nach 40(!) Wochen
8 Schweigen
ist ein Lobgesang:

Gelobt sei der Herr, der Gott Israels,
denn er hat besucht
9 und erlöst sein Volk

und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heiles
in dem Hause seines Dieners David,

wie er vor Zeiten geredet hat
durch den Mund seiner heiligen Propheten.

Gott hat uns besucht,
er hat uns heimgesucht,
er hat herabgeschaut auf uns
von seiner heiligen, herrlichen Wohnung.

Das Gebet des Propheten Jesajas,
- das er vor Zeiten gebetet hat,
- das Elisabet in ihrem Leben erfüllt sah,
- das sieht Zacharias erfüllt für das ganze Volk.
Der alte Mann fühlt die Morgendämmerung des Himmelreiches heraufziehen.
10
Er ahnt, das der Christus bald kommen wird.

Das „Horn des Heils“ bezieht sich wohl auf den Altar im Tempel. Das Blut der Opferlämmer wird an die „Hörner“ des Altars gestrichen um Sühne zu schaffen dem Volk.11
Zacharias denkt priesterlich.
Der Gottesdienst ist ihm wichtig.
Hier ist er Gott besonders zugewandt und nahe.

Zacharias weissagt weiter:

…durch den Mund seiner heiligen Propheten
[hat Gott geredet],
dass er uns errettet von unseren Feinden
und aus der Hand derer, die uns hassen,

und Barmherzigkeit erzeigte unseren Vätern
und gedachte an seinen heiligen Bund

und an den Eid,
den er geschworen hat unserem Vater Abraham
uns zu geben,
dass wir erlöst würden aus der Hand unserer Feinde,
und ihm dienten ohne Furcht ein Leben lang.

Der „heilige Bund“,
von dem Zacharias hier redet,
heißt bei uns auch: Testament.
Es ist dieser Bund, der zum neuen Bund wurde
in Jesus Christus.
Dieser Bund wurde ausgeweitet auf alle, die an
ihn glauben.

Sichtbar wird dieser Bund für Zacharias da,
wo Menschen in Frieden und ohne Angst Gott dienen.
Das heißt, dass sie Gottesdienst feiern dürfen.
Dabei geht es ihm nicht darum,
dass wir schön brav und artig zum Kirchgang antreten,
„weil sich das so gehört“.
Sondern der Gottesdienst ist für ihn eine Art,
mit Gott Gemeinschaft zu haben.
Zacharias und Elisabeth haben ihr Leben „vor Gott“ gelebt,
ihm zugewandt in Gebet
und allem alltäglichen Reden und Denken.
So haben sie auch Gottesdienst gefeiert
in ihrer alltäglichen Arbeit und Wirken.
Sie leben ihr Leben mit Gott
und Gebet und Gottesdienst sind wie die Spitze dieses Eisberges.
Sie sind nicht Pflicht, sondern Geschenk und Freude.

Liebe Gemeinde,
ich möchte jetzt den Schluss der Weissagung betrachten.
In diesem Teil spricht Zacharias seinen Sohn direkt an.
Dies ist, was er dem Baby zusagt:

Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen.
Du wirst vor dem Herrn hergehen,
dass du seinen Weg bereitest
und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk
in Vergebung ihrer Sünden.

Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes,
durch welche uns besucht hat der Aufgang aus der Höhe,
auf dass er erscheine denen,
die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes,
und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Erinnert ihr euch an die Lesung aus dem Alten Testament?
Jesaja ruft:

In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg,
macht in der Steppe eine ebene Bahn unserem Gott!
12

Dieser Aufruf, den Gott durch Jesaja hat verkündigen lässt,
wird in Johannes erfüllt.
Johannes bricht Jesus die Bahn.
Er wird ihn taufen.

Liebe Brüder und Schwestern,
es macht mich glücklich zu lesen,
dass der Engel dem Zacharias verheißt:

Du wirst Freude und Wonne haben an deinem Sohn
und viele werden sich über seine Geburt freuen.
13

Es macht mich glücklich,
weil ich weiß,
wie Johannes sterben wird:
Herodes wird im besoffenen Kopp große Töne machen.
Er lässt Johannes enthaupten.
Der Sohn, den Elisabet und Zacharias sich so gewünscht haben,
das Kind, das ihnen der Engel verheißen hat:
Er stirbt im Kerker seines eigenen Königs,
weil der angeben muss auf einer Party.

Aber auch damit geht Johannes vor seinem Herrn her.
Er ist ihm einen Schritt voraus:
Das Kind, das Maria zur Welt bringen wird,
das sie bettet in einer Krippe
und rettet durch die Flucht nach Ägypten –
er wird den schändlichen Tod sterben
– für uns –
am Kreuz.

Dies zeigt uns,
dass
- die Verheißung,
- der Segen
- und die Liebe Gottes
nicht Schluss machen vor
- der Schlechtigkeit,
- dem Irrtum
- und der Sünde der Menschen.

Gott sieht das alles –
und er schickt uns seine Engel – 
trotzdem.
Er wird Mensch, einer von uns, – 
trotzdem.

Es hat uns besucht der Aufgang aus der Höhe.
Gott
hat herabgesehen auf uns vom Himmel,
aus seiner heiligen, herrlichen Wohnung.
Er hat uns angesehen,
wie ein Vater sein Kind ansieht.

Und nicht nur das,
er hat sich auch neben uns gestellt

  • um zu sehen, was wir sehen,
  • um zu riechen, was wir riechen,
  • um zu fühlen, was wir fühlen —
  • und er hat sich auch nicht erspart,
    den Tod zu schmecken,
    wie wir ihn schmecken.

Das ist das Geheimnis von Weihnachten:
- Gott sendet seine Propheten vor ihm her – trotzdem.
- Gott wird Mensch – trotzdem;
uns zur Freude und Wonne;
seine herzliche Barmherzigkeit
für uns,
die wir sitzen in Finsternis und Schatten des Todes
in Kälte, Einsamkeit und Seuche.

Er ist bei uns – trotzdem.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!14 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 V. 18.


3 V. 20.


4 V. 25.


5 ἐφοράω („schauen auf“, V. 25) und ἐπισκέπτομαι („besuchen“, „heimsuchen“ Vv. 68 und 78) sind beide ἐπι + ein Verb der Wahrnehmung.


6 V. 13.


7 Jes 63,15a.


8 Eine Schwangerschaft dauert 40 Wochen!


9 ἐπισκέπτομαι, s.o.


10 Deswegen beten die Mönche dieses Gebet seit alter Zeit in der Mette.


11 Vgl. Lev 4 u.ö.


12 ELKG 03.


13 Vgl. V. 14.


14 Phil 4,7