11:20

Wie ein Dieb in der Nacht
Predigt zu 1.Thess 5,1–9

40 Drittletzter Sonntag, 8. November 2020, Bremen

Es kommt die Zeit im Leben eines Mannes, – bei den meisten so Mitte vierzig, – da muss man sich eingestehen, dass das mit Kariere als Profi-Fußballer nichts mehr wird. Es kommt die Zeit im Leben eines Menschen, – und zwar hoffentlich möglichst bald, – da muss man sich eingestehen, dass man nicht Gott ist.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist aus dem 1. Brief des Paulus an die Gemeinde in Thessaloniki. Der Apostel schreibt:

5,1Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder,
ist es nicht nötig, euch zu schreiben;
2denn ihr selbst wißt genau,
daß der Tag des Herrn kommen wird
wie ein Dieb in der Nacht.

3Wenn sie sagen werden:
„Es ist Friede, es hat keine Gefahr“ –,
dann wird sie das Verderben schnell überfallen
wie die Wehen eine schwangere Frau,
und sie werden nicht entfliehen.
4Ihr aber, liebe Brüder,
seid nicht in der Finsternis,
daß der Tag wie ein Dieb über euch komme.
5Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes
und Kinder des Tages.
Wir sind nicht von der Nacht
noch von der Finsternis.
6So laßt uns nun nicht schlafen wie die andern,
sondern laßt uns wachen und nüchtern sein.
7Denn die, die schlafen, die schlafen des Nachts,
und die, die betrunken sind, die sind des Nachts betrunken.
8Wir aber, die wir Kinder des Tages sind,
wollen nüchtern sein,
angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe
und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil.

9Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn,
sondern dazu,
das Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus,
10der für uns gestorben ist,
damit, ob wir wachen oder schlafen,
wir zugleich mit ihm leben.

Lasst uns beten: Herr Heiliger Geist: Segne du alles Reden und hören. — Amen

(1) Liebe Gemeinde,

es kommt die Zeit im Leben eines Mannes,
– bei den meisten so Mitte vierzig, –
da muss man sich eingestehen,
dass das mit Kariere als Profi-Fußballer nichts mehr wird.

Dann guckt Fußball eben im Fernsehen.

„Spiel doch ab“.

„Schieß, schieß doch…!“

Fußballfans können dabei sehr engagiert sein:
Als würden sie es besser machen,
wenn sie da jetzt am Ball wären.
Dabei sitzen sie zu Hause auf dem Sofa,
- einiges an Jahren zu alt
- und einiges an Kilos zu schwer,
um auch nur ansatzweise bei einem Bundesliga-Spiel
auf dem Platz zu stehen.

Das ist ein Akt der Aneignung:
Der Fußballfan möchte teilhaben an der Jugend
und der körperlichen Fitness der Stars.
Sie träumt sich auf den Fußballplatz zwischen die Profis. —

Liebe Gemeinde,

es kommt die Zeit im Leben eines Menschen,
– und zwar hoffentlich möglichst bald, –
da muss man sich eingestehen,
dass man nicht Gott ist.

Religion und Frömmigkeit sind immer auch eine Versuchung.

„Die anderen sind Sünder“.

„Wir sind etwas besseres, weil wir die Wahrheit haben“.

Wenn man so etwas sagt, fühlt man sich stark.
Immerhin geht es den „Frommen“ darum,
dass das Gesetz
Gottes eingehalten wird.
Sie setzen sich ein für das,
was als normal, natürlich und nützlich gilt.
Und das alles aus einer sehr bequemen Position,
denn jeder wählt sich genau den Teil von Gottes Willen aus,
der ihm in den Kram passt.

Das ist ein Akt der Aneignung:
Die „Frommen“ wollen teilhaben an der Macht Gottes
und dem Reich und der Kraft und der Herrlichkeit.
Sie träumen sich auf Gottes Platz auf dem Richterstuhl. —

Gottes Reich
ist das Reich
Gottes.

Der Tag des Herrn wird kommen,
wie ein Dieb in der Nacht.
2

Denn es ist des Herren Tag,
nicht
unser Tag.

Das ist das erste Anliegen,
das der Apostel
in unserem heutigen Abschnitt
zur Sprache bringt.
Dies st ein Thema,
bei dem er sich mit den Thessalonikern einig weiß –
oder das zumindest so sagt.
3

(2) In seinem zweiten Abschnitt redet er über „wir“ und „sie“.
Er macht einen Unterschied auf zwischen den Christen
und denen, die sagen:

Frieden und Sicherheit!

„Frieden und Sicherheit“,
das ist die Parole
oder der Werbespruch des „Römischen Friedens“.
4

Bei der Bundeswehr war ich bei der Artillerie.
Wir haben immer gesagt:

„Wo wir hinschießen,
da ist Frieden“.

So ähnlich muss man sich das mit dem „Römischen Frieden“ auch vorstellen:

  • Wenn man
    die Macht des römischen Militärs nicht in Frage stellt,
  • wenn man
    seine Götter zu Spielarten der römischen Götter erklärt
    und sagt, dass Kaiser und Jupiter die höheren Götter sind,
  • wenn man
    seiner Arbeit nachgeht, Geld verdient
    und schön seine Steuern zahlt –
    und das alles, ohne groß den Mund aufzumachen, –

dann – ist „Römischer Friede“.

„Frieden und Sicherheit“
ist das antike Gegenstück von

„Friede, Freude, Eierkuchen“:

Der Inbegriff von spießiger Normalität
ohne große Aufregungen.

Den Menschen,
die das wollen,
sagt Paulus in seinem Brief die Wacht an.
Sie werden nämlich überrascht werden
vom Tag des Herrn,
so, wie man überrascht wird von einem Dieb in der Nacht.
Sie werden von einem Leid erfasst,
dem sie nicht entfliehen können,
so, wie ein Gebärende den Wehen nicht entfliehen kann. —

Da ist jetzt die große Gefahr für mich,
dass ich mir denke:

Recht so, Paulus!
Ich bin auch dafür,
dass die Kirche viel flippiger auftritt
und die Musik viel rockiger ist!

Wenn wir unser Leben
und die Kirche
so gestalten,
wie es
mir gefällt,
dann sind wir so richtig „die Kinder des Lichts“.

Doch wenn ich so rede,
dann mache ich den selben Fehler,
wie die Frommen,
über die ich im ersten Abschnitt geredet habe:
Ich mache
meine Ansichten
zum Maß der Dinge
und ich werfe „den anderen“ Mode- oder Diätsünden vor. —
Das kann es doch auch nicht sein!

Liebe Brüder und Schwestern,

→ Kinder des Lichts sind nicht die,
die sich an die Regeln halten,
was Hipster für flippig, rockig oder schick halten.

→ Kinder des Lichts sind nicht die,
die sich an die Regeln halten,
was Spießer für normal, natürlich und nützlich halten.

➜ Kinder des Lichts sind die,
die zu
Jesus kommen.
Sie suchen deshalb die Sünden nicht bei den anderen,
sondern bei sich selbst.

Christus ist das Licht der Welt.5
In seinem Schein erkennen wir unsere Dunkelheit.
Gottes Licht macht sichtbar,
wie weit wir von ihm entfernt sind –
und wie tief der Bruch ist zu unserem Nächsten
und zu uns selbst. —

Doch wegen Jesus strahlt Gottes Licht liebevoll auf uns.
Wegen Jesus müssen wir uns nicht berauschen an uns selbst,
sondern wir können der Wirklichkeit nüchtern begegnen:
Wir sind Sünder und bedürfen der Gnade Gottes.

Christen sind keine besseren Menschen,
weder moralisch noch kulturell noch geschmacklich.
Christen sind besser dran,
weil ihnen diese Selbsterkenntnis geschenkt wurde.

(3) Das bringt mich zum letzten Gedanken,
den ich heute ansprechen möchte.
Paulus schreibt:

9Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn,
sondern dazu,
das Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus,
10der für uns gestorben ist,
damit, –
ob wir wachen oder schlafen, –
wir zugleich mit ihm leben.

„Wenn wir wachen oder schlafen“ – 
das heißt mit einem Wort: „immer“.
Jesus ist „für uns“ gestorben,
um ständig bei uns zu sein.

Im Evangelium heute haben wir Jesus sagen hören:

„Das Reich Gottes ist mitten unter euch“.6

Da redet er von sich selbst.
Er ist hier, mitten unter uns.

Sich im Licht Gottes zu betrachten,
ist nicht immer leicht oder angenehm.
Es kann passieren,
dass man sich nackig vorkommt
und alleingelassen.
Die Sünde bleibt nicht ohne Folgen.
Wenn wir uns so fühlen,
dann sollen wir auf Jesus schauen.

In unseren bildlichen Darstellungen
hat Jesus am Kreuz immer einen Lendenschurz an.
Das hat künstlerische Gründe,
biblisch ist das nicht
Die Bibel schildert,
dass die Soldaten Jesus das Obergewand
und das Untergewand genommen haben.
Jesus hat nackig am Kreuz gehangen.
7

Er hat allein dort gehangen.
Die Menschen, die „Hosianna“ schrieen,
hatten ihn verlassen.
Selbst seine Jünger hatten ihn verlassen.
Er ruft:

Mein Gott, mein Gott,
warum hast du mich verlassen?
8

Jesus hat alles am Menschen angenommen,
auch das Schlimmste:
- der Streit,
- das Leid,
- den Tod.

Er, der von keiner Sünde wusste,
ist für uns zur Sünde geworden.
9

Wir brauchen uns nicht fürchten,
wenn Gottes Licht auf uns fällt,
denn Jesus steht mit uns im Licht.
Wir sind nicht allein,
sondern das Himmelreich hat schon angefangen
in der Beziehung, die wir zu Jesus haben.


Siehe:
Jetzt ist die Zeit der Gnade.
Heute ist der Tag des Heils.
10

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!11 Amen.

What a friend we have in Jesus

What a friend we have in Jesus
All our sins and griefs to bear
And what a privilege to carry
Everything to God in prayer

Oh, what peace we often forfeit
Oh, what needless pain we bear
All because we do not carry
Everything to God in prayer

Have we trials and temptations?
Is there trouble anywhere?
We should never be discouraged
Take it to the Lord in prayer

Can we find a friend so faithful
Who will all our sorrows share?
Jesus knows our every weakness
Take it to the Lord in prayer.
12

1 1.Kor 1,3

Quelle Titelbild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Maradona_vs_england.jpg


2 Vgl. Vers 2.


3 Vgl. Vers 1.


4 Vgl. Göttinger Predigtmeditationen 2020/8, S. 513.


5 Vgl. Joh 9,5.


6 Lk 17,21


7 Joh 19,23


8 Mk 15,34 par.


9 Vgl. 2Kor 5,21.


10 Nach 2Kor 6,2.


11 Phil 4,7


12 Songwriter: Charles Crozat Converse / Joseph Scriven

Songtext von What a Friend We Have in Jesus © Warner Chappell Music, Inc, Universal Music Publishing Group, Downtown Music Publishing, O/B/O Capasso, Bluewater Music Corp., Songtrust Ave